Bad Religion: this is still hell!

Wenn Punk-Fans ins Schwärmen geraten, wenn es um ein Lineup geht, dann kommt man an Bad Religion nicht vorbei. Auch als „21st Century Digital Boy“. Dass sich die Herren Graffin, Gurewitz, Bentley, Baker und Dimkich dann auch noch mit Lagwagon, Molotov und Astpai hochkarätigen Support einluden, tat dazu sein Übriges. Ein Mittwochabend in der Arena Wien, wie er schöner nicht sein könnte.

Bleiben wir anfangs gleich mal bei Astpai. Austria’s finest in Sachen Punkrock, die nicht nur seit der aktuellen Platte „Run From Home“ von sich reden machten, eröffneten vor anfangs dann doch noch etwas schütterer Kulisse den Abend. Kein Wunder, bei einer Beginnzeit um 18 Uhr. An einem Mittwoch. Während des halbstündigen Sets geht sich dann halt doch nur ein kleines Potpourri der mittlerweile doch schon recht ansehnlichen Diskographie aus. Macht aber nix – auch in einer halben Stunde beweisen Astpai mit straightem (nein, das ist in dem Fall kein Schimpfwort!) Punkrock, dass sie durchaus zu Größerem berufen wären.

Danach folgten die mexikanischen Gäste von Molotov. Die lateinamerikanische Version von Rage Against The Machine, sagt man gemeinhin. Eine lateinamerikanische Version von Falcos „Rock Me Amadeus“ natürlich mit im Gepäck. Geh leck, die machen live Spaß. Einen Plektrumverschleiß, der sie zu den ganz, ganz Großen zählen lässt, sind Tito Fuentes und Co schon längst kein Geheimtipp mehr. Misfits-Cover inklusive. Wenn ihr die Möglichkeit habt, die Herren live zu sehen, dann tut das. Ihr werdet es garantiert nicht bereuen!

Doch nun zu den Headlinern. Ja, es ist ausgelutscht, zu behaupten, dass Lagwagon dann doch schon einige Jahre auf dem Buckel haben. Meine Güte, wie wurscht das doch ist. Denn was die Herren auf der Bühne zelebrieren, hat absolut nix an seiner Livetauglichkeit eingebüßt. Joey Cape springt wie eh und je auf der Bühne herum, Chris Flippin hat noch immer nix von der Scheiß-Drauf-Attitüde verloren, und dient mitunter dann halt auch mal als Mikrofonständer. Zumindest dann befindet er sich mit Joey auf Augenhöhe. An der Setlist gibts auch wenig auszusetzen – Klassiker waren vertreten, die Stimmung war ausgelassen – und auch der heuer auf Open Airs wohl obligatorische Regen wurde ignoriert. Moshpit bildeten sich, die Fans hatten Spaß – würde man irgendwo nach der Definition eines guten Punkrock-Konzertes suchen, man würde wohl ein Foto eines Lagwagon-Konzertes dort abgebildet finden.

Gekommen waren die meisten der Besucher aber dann doch wegen Bad Religion. Und eins muss hier mal vorweg gesagt werden: sieht man ein Bad Religion-Konzert als Messe, würde sogar der überzeugteste Atheist noch in die Bad-Religion-Kirche eintreten. „Fuck You“, das aktueller denn je scheinende „21st Century (Digital Boy), das überragende „Los Angeles is Burning“ – Bad Religion funktionieren noch immer, auch beim obligatorischen Punk-Rock-Song-Encore. Sollte das Credo „Fuck Armageddon… This is Hell“ stimmen, dann bin ich liebend gerne in der Hölle. Greg Graffin und Co beweisen, dass man 30 Jahre lang Musik machen kann, ohne Abnutzungserscheinungen zu haben. Verbiegen tun sie sich auch 2016 nicht. Nicht nur für Fans noch immer ein gelungener Leckerbissen. Oder, anders formuliert: schauen wir mal, wo Bring Me The Horizon, mit denen sich Bad Religion in den letzten Tagen eine kleine Auseinandersetzung lieferten, in 30 Jahren stehen. Ich wage eine Prognose: eher nicht vor einer ausverkauften Open-Air-Arena.

Fotos: Christoph Thorwartl & Markus Wetzlmayr

 

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.