Wacken Open Air 2016: nass, schlammig, laut!

Wie es so schön heißt: Wacken – Rain or Shine! Auch dieses Jahr startete das weltweit größte Metalfestival wieder nass und schlammig. Zum 27. Mal reisten etwa 84.500 Metalfans von nah und fern ins sogenannte Holy Land um richtig zu feiern. Auch für alt-eingesessene, treue WOA-Fans gab es jedes Jahr einiges Neues zu entdecken, denn das Gelände ist einem ständigen Wandel unterworfen. Aufgrund der erhöhten Sicherheitsmaßnahmen anlässlich der diversen Anschläge in Europa gab es heuer ein Taschen- und Rucksackverbot auf dem Infield.

In der Bullhead City befand sich statt einem Wrestling-Ring nun 2 Bühnen, W.E.T. Stage und Headbanger Stage. Die jeweiligen Sponsoren, wie beispielsweise Jägermeister, lassen sich ebenfalls immer wieder etwas Neues einfallen und so gab es statt einem Jägermeister-Kran einen überdimensionalen Hirsch aus Holz mit 2 Etagen, bei der man neben dem Jägermeister-Konsum das Gelände von oben betrachten konnte. Auch der Metal Market lässt die Einkaufsherzen der Fans höher schlagen. Statt dem Metalbörse-Händlerzelt gab es heuer für die biertrinkende Meute den Beer Garden mit passender musikalischer Unterhaltung auf der namentlich passenden Beer Garden Stage. Des Weiteren wurde im VIP-Bereich ein Cashless-Bezahlungssystem via einer eigenen Karte, auf der man Guthaben aufladen konnte, eingeführt. Ob sich das System dann in Zukunft auf das ganze Gelände durchsetzt, wird sich zeigen.

Warm-Up

Gut gerüstet (oder auch nicht) konnten sich die früh angereisten Festivalgeher beim Warm-Up Day mit Musik aus aller Welt bei den kleineren Bühnen auf die kommenden drei Tage einstellen.

Vor allem die zirkuszeltähnliche Bullhead City war sehr gut besucht und das nicht nur wegen dem schlechten Wetter. Mit Begeisterung unterstützten die Zuseher die internationalen Newcomer Bands des Metal Battles mit tosendem Applaus. Musiker aus verschiedenen Stilrichtungen hatten hier, wie schon Jahre zuvor, die Chance ihr Können unter Beweis zu stellen, von Auðn (Island), Horror Dance Squad (Estland) bis hin zu Profaner (Kanada) und Zombies ate my girlfriend (Südafrika). Auch die Österreicher Pain Is waren mit von der Partie. Zu gewinnen gab es unter anderem Sachpreise wie u.a. eine Washburn Gitarre, Markbass, Randall und Preisgelder der Wacken Foundation für die ersten fünf Plätze 1.000€ – 5.000€ (5.-1. Platz). In den Umbaupausen betrat Jeff Waters, Sänger und Lead Gitarrist von Annihliator, die Bühne um die jeweiligen Bands anzusagen.

Nach dem ersten Teil des Metal Battles betraten die Bayern von Hämatom die Headbanger Stage und stellten unter anderem ihr neues Album „Wir sind Gott“ vor, dass am 25. März diesen Jahres erschien. Dieses Werk schoss bereits auf Platz 5 der deutschen Albumcharts. Die Fans konnten sich jedoch auch über alte Klassiker wie „Leck mich“ und „Seelenpiraten“ freuen und textsicher mitgrölen.

Obwohl es sich beim Wacken Open Air um ein Fest der Freude handelt, war es aufgrund der vielen Musiker, die in letzter Zeit von uns gegangen sind, von einer leichten Trauerwolke umhüllt. Einer der größten Verluste war Lemmy Kilmister von Motörhead. Um seine Musik weiterleben zu lassen gründete sein langjähriger Freund und Gitarrist Phil Campbell die Band Phil Campbell’s All Starr Band. Da u.a. seine drei Söhne in dieser Band mitspielen nahm er vor seinem Auftritt die Pressekonferenz zum Anlass um den neuen Bandnamen zu verkünden: Phil Campbell and the Bastard Sons. Er fand den Namen einfach passender. Von dieser Namensänderung hatte der Moderator anscheinend nichts mitbekommen und so wurde der Hauptact des Abends leider mit dem alten Namen angekündigt. Naja, kann passieren. Gespielt wurden Phil’s Lieblingssongs von David Bowie, Black Sabbath, Led Zeppelin und natürlich Motörhead. Mit dieser musikalischen Vielfalt ist den Veranstaltern die Vorfreude auf das Wacken Open Air 2016 deutlich gelungen.

Tag 1

Der erste offizielle Festivaltag begann trocken und allmählich kämpfte sich auch die Sonne durch. Trotz dessen war ein gutes Schuhwerk Pflicht, Wacken wäre nicht Wacken, wenn es auch bei Schönwetter keinen Schlamm gäbe.

Nun waren auch die Hauptbühnen für die motivierte Meute zugänglich. Als erste Band des Tages stand Saxon auf dem Programm. Trotz der eindeutig zu frühen Stunde sammelten sich zahlreiche Fans vor der Black Stage um die Engländer zu sehen. Bis auf eine kurze technische Störung bot die Band rund um Biff Byford eine ausgewogene Palette an neuen und alten Songs. Den Auftakt machten sie mit „Battering Ram“, aus ihrem aktuellen gleichnamigen Album und setzten mit Klassikern wie „Princess of the Dark“ und „Wheels of Steel“ ihre Setlist fort.

In der Bullhead City betraten in der Zwischenzeit The Dead Daisies die Headbanger Stage, mit niemanden anderen als John Corabi als Frontman, der seinerzeit u.a. seine bärenstarke Röhre bei Mötley Crüe ertönen lies. Hinter dieser Classic-Rockband steckt ein Musikerkollektiv, bei dem immer nur diejenigen Mitglieder auf Tour gehen, die gerade Lust und Zeit haben. Derzeit musizieren David Lowy, Marco Mendoza (Whitesnake, Thin Lizzy), Doug Aldrich (Whitesnake, Dio) und Brian Tichy (Ozzy Osbourne, Foreigner) miteinander. Ihren Auftritt nahmen sie zum Anlass ihr neues und drittes Album „Make Some Noise“, dass gleich einen Tag später erschien, vorzustellen. Passend zum Titel machte die Menge ordentlich Lärm und wurde auch auf das neue Musikvideo zu „Long Way To Go“ hingewiesen.

Und weiter ging es mit Urgesteinen aus dem Classic Rock bei der Black Stage. Die Herren von Whitesnake zeigten wieder einmal, dass sie noch ordentlich Feuer unter dem Allerwertesten haben. Stimmsicher versetzte David Coverdale die Menge mit Songs wie „Is this Love“ und „Still Of The Night“ wieder zurück in die 80er, während Joel Hoekstra auf der Gitarre und Tommy Aldridge auf dem Schlagzeug (sogar mit bloßen Händen) bei ihren Solos erneut ihr Talent bewiesen.

Passend zum atemberaubenden schönen Sonnenuntergang über dem Holy Land war es endlich soweit und die Band, auf die alle Anwesenden sehnlich gewartet haben, betrat die True Stage. Bereits zum 10. Mal beehrten die Briten rund um Bruce Dickinson das Wacken Open Air. Der Frontmann und gleichzeitig Pilot des berühmtesten Flugzeugs der Welt, der „Ed Force One“ und lieferte mit seiner Band Iron Maiden eine großartige Bühnenshow. Bruce in Uniform im Kampf mit dem übergroßen Maskottchen Eddie bei „The Trooper“ kann man zum Beispiel nicht oft genug sehen. Etwa bei der Hälfte der Setlist fing es erneut heftig zu regnen an und ließ das Publikum in einem tiefen Meer aus Schlamm versinken. Jedoch macht dies einem Hardcore-Fan natürlich nichts aus. Nass ging dieser Tag zu ende und man konnte nur hoffen, dass der Wetterfrosch in den nächsten Tagen gnädiger sein wird.

 

 

Tag 2

Regen, Regen und nochmals Regen, so hat der zweite Festivaltag begonnen. Entgegen bescheidener Wettervorhersagen lösten sich die Wolken gegen Mittag allmählich auf und ließen den Himmel in schönstem blau erstrahlen. Perfektes Wacken-Wetter war die Folge. Dieser Tag hatte für jedes Metalherz etwas im Angebot.

Lange war es still um die Niederländer Legion of the Damned doch nun zeigten sie sich auf dem WOA wieder in voller Pracht. Mit ihrer typischen Mischung aus aggressivem Thrash und düsteren Texten, wie beispielsweise bei „Cult of the Dead“ und „Legion of the Damned“, sorgten sie trotz der frühen Stunde dafür, dass sich einige Fans beim Mosh- bzw. Mudpit ordentlich austoben konnten.

Statt Bands stand als nächstes ausnahmsweise ein anderer Programmpunkt auf dem Plan. Freunde der Mittelaltermusik konnten sich auf ein ganz besonderes Ereignis freuen. Feuerschwanz haben auf dem Camping-Gelände ein Fanvideo zum Lied „Krieger des Mets“ gedreht und jeder motivierte (Alk-)Krieger konnte Teil davon sein. Von Luftgitarre, Luftschlagzeug bis hin zur Polonaise, die Fans ließen alles mit sich machen und konnten im Anschluss mit ihren Idolen quatschen und Fotos machen.

Wieder zurückversetzt in die gute alte Biker Metal Ära der 80er beehrten Girlschool die W.E.T.-Stage in der Bullhead City. Besonders mit Motörhead waren sie seinerzeit oft auf Tour. Seit Beginn ihrer Karriere zeigten sie, dass auch Frauen durchaus das Zeug dazu haben Old School Rock in ihrer ungeschliffenen Reinheit zu präsentieren. Gespielt wurde u.a. „The Hunter“, „Kick It Down“ und „Emergency“.

Seit sie sich von Nightwish trennte ist Tarja solo unterwegs. In Wacken hatte sie allerdings eine Gesangspartnerin dabei. Alissa White-Gluz von Arch Enemy beehrte sie bei „Demons in You“ auf der Bühne. Operngesang gepaart mit Growl, eine etwas ungewöhnliche und gewöhnungsbedürftige Mischung. Neben der Black Stage gab Tarja noch ein intimes, akustisches Konzert in der Wacken Metal Church, in der sie u.a. „Ohne Dich“ von Rammstein zum Besten gab.

Hauptband des Abends und bereits Stammgäste auf dem Wacken Open Air waren Blind Guardian, die mit tosendem Applaus und Gejubel begrüßt wurden. Power Metal in ihrer vollen Pracht bot die Band rund um Hansi Kürsch, bei der Hardcore Fans textsicher mitsingen konnten. Wer kennt nicht zumindest ein paar Zeilen der Ohrwürmer „Valhalla“ oder „Nightfall“. Vor allem „The Bard Song“ sorgte wieder einmal für pure Gänsehaut. Ein gelungener und spannender Abend ging zu Ende und nach wenigen Stunden Schlaf ging es nun in den letzten Tag.

Tag 3

Der letzte Tag war angebrochen und nun hieß es die letzten Energiereserven zu aktivieren. Nach einer kleinen Zwangspause aufgrund des plötzlichen Platzregens ging es dann wieder in Richtung Bühne.

Schon gegen Mittag durchbohrten die Multikulti-Highspeed-Metaller Dragonforce das noch müde Trommelfell der Besucher. Durch ihre High-Speed-Performance, wie beispielsweise „Through Fire and Flames“, der Guitar-Hero Klassiker, motivierten sie die Fans zu einer Morgen-/Mittagsgymnastik für die Nackenmuskeln. Das Cover von Johnny Cash’s „Ring of Fire“ und einer der All-Time-Favoriten „Heroes of Our Time“ ertönten ebenfalls von der Bühne.

Etwas härter ging es mit Devildriver auf der Party Stage weiter. Moschen und kräftiges headbangen stand hier auf der Tagesordnung. Neben „Daybreak“ aus ihrem neuen Album „Trust No One“, dass am 13. Mai erschien, wurden auch ältere Songs wie „Ruthless“ und „Clouds over California“ ausgegraben.

Für ein wenig Heimatgefühl im hohen Norden sorgten die österreichischen Buam von tuXedoo auf der Beer Garden Stage. Es wurde trotz ihres bereits 4. Auftritts auf dem diesjährigen WOA auf den Tischen getanzt, massenhaft Bier konsumiert, gebrüllt und beim Baywatch Cover ein Rettungsschwimmer mit stählernem Biermuskelbauch durch die Menge getragen. Da bleibt nur zu sagen: Bravo Musi!

Bunt, schlüpfrig und viel Sexappeal – wer sich dabei angesprochen gefühlt hat, war bei Steel Panther genau richtig. Mit musikalischen Klischees aus 80er Hair Metal-Zeiten, politisch unkorrekten Songtexten und ihren selbstironischen Unterhaltungseinlagen wie „Er hat einen kleinen Schwanz“ oder „Ich habe[n] einen Ständer“ entlockten sie mehrmals einigen Metallern ein Lächeln. Ihre einprägsamen Ohrwürmer waren beinahe der ganzen Meute bekannt, sodass Michael Starr nur das Mikrofon in die Mengen halten musste. Außerdem schafft es fast keine andere Band so viele Frauen auf einmal dazu zu bringen, sich in der Öffentlichkeit freiwillig zu entblößen. Davon können die meisten Männer nur träumen.

Schwer viel der Abschied von einer absolut legendären Band, die seit 4 Jahrzehnten in verschiedenen Bereichen einen bedeutenden Einfluss hinterlassen haben. „Forty and Fuck It“ – mit diesen Worten gingen Twisted Sister auf Tour, um sich bei den treuen Fans zum letzten Mal zu bedanken. Aufgrund des Todes von Schlagzeuger A. J. Pero, der bei dieser Tour von niemand anderen als Mike Portnoy, ehemals von Dream Theater, ersetzt wurde, entschieden sich Twisted Sister das Metal-Handtuch zu werfen. Frontman Dee „Fuckin’“ Snider betonte gleich zu Beginn, dass dies ein endgültiger Rückzug sei und wies dabei auf Bands wie Black Sabbath hin, deren Abschiedstour immer wieder verlängert wurde. Die Glam-Metaller boten eine Show der Sonderklasse mit amüsanten Anekdoten zwischen den Songs. Bei „I wanna Rock“ änderte er für die Fans in der Mitte des Songs den Text um in „I wanna Fuck“, mit der Begründung „People would rather fuck than rock […] and if someone had said ’Hey, you wanna fuck?’ before we came out here [on stage], you wouldn’t have a show, cause we’ll be fucking!“. Dies hat auch wunderbar geklappt und wurde von den Leuten sofort übernommen. Während seiner anderen Ansagen zwischen den Songs war er besonders vom Jägermeister-Hirsch am Rande des Infields des öfteren abgelenkt – „There is a fucking deer!“. In der Pause vor der Zugabe hörte die Menge nicht auf „We’re Not Gonna Take It“ zu gröhlen bis endlich die Band wieder auf die Bühne kam. Zum Abschluss (wenn auch leider vor dem normalen Zeitplan) gaben sie noch „S.M.F.“ zum Besten, bis sie sich vor der jubelnden Menge verneigten. Ein wahrlich geschichtsträchtiger Auftritt, den die Anwesenden sicher nicht so schnell vergessen werden.

Für die absoluten Hardcore-Wackener gab es kurz vor 1 Uhr Nachts noch ein besonderes Schmankerl. Arch Enemy hatte für ihre kommende Live-DVD zu ihrem erfolgreichen Album „War Eternal“ die größte Bühnenproduktion ihrer Karriere geplant. Aufwändige Requisiten, Pyroshow, perfekt abgestimmte Lichteffekte und jede Menge Energie waren das Resultat. Neben alten Songs zu Angela Gossow-Zeiten wie „Nemesis“ und „My Apocalypse“, waren natürlich auch Songs des letzten Albums zu hören. In ihrer Pressekonferenz gaben Sie obendrein bekannt, dass sie bereits neue Musikstücke in petto haben. Wir sind gespannt!

Das Wacken Open Air ging glorreich zu Ende und bereits die ersten Festivalgäste traten ihre Heimreise an. Man hat alte Freunde getroffen, neue Freunde gewonnen, miteinander getanzt bzw. gemoshed, gesungen, mit dem einen oder anderen ein Fass Bier geleert und die Zeit auf dem größten Metalfestival der Welt schweren Herzens ausklingen lassen. And as always: See you in Wacken – Rain or Shine!