Foto: Bernhard Stadlbauer

Wenn die Hochzeit nicht „der schönste Tag im Leben“ ist

„Jeder Mensch hat nur das Anrecht auf genau einen richtig guten Tag. Und dazu muss er heiraten“, schreibt Marcus Rohwetter pointiert in seiner Kolumne in „Die Zeit“. Die bekannte Aussage, dass der Hochzeitstag der schönste im Leben sei, wird auch im Stück „The Bride Project“ aufgegriffen und hinterfragt. Die Braut ist dabei ein Archetyp, dessen einzige Aufgabe es ist, Ja zu sagen. Aber wozu und wie lange sagen Frauen noch Ja? Und wann trauen sie sich, endlich Nein zu sagen?

Düstere, bedrohlich wirkende Klänge, sich schnell abwechselnde Videoausschnitte (Projektionen: Anna Haslehner und Becky Hochreiter) und eine schwarze Bühne. Dazu Dunkelheit, die von den mechanisierten Bewegungen der Darstellerinnen unterbrochen wird. Rote Flecken auf den weißen Kleidern deuten das Geschehene an. Sie, die 50 Danaidenschwestern, sind in der Hölle. In einer Hölle, bei der es herauszufinden gilt, was sie bedeutet und ob aus ihr geflohen werden kann. Um dem Ganzen einen Schritt näher zu kommen, erzählen die Schwestern rückblickend ihre Geschichte in der Performance.

Die Danaiden werden ihren 50 Cousins zur Heirat versprochen und haben Zweifel, ob sie die Rolle der Bräute einnehmen sollen. Die Erwartung der Eltern zu erfüllen wird dabei immer weniger zur Entscheidungsgrundlage. Daran können auch das gemeinsame Handarbeiten mit Appell der Mutter oder ein Gespräch über den angeblich schönsten Tag im Leben mit Barbiepuppen in einem Wasserbecken nicht viel ändern. Wie hier ist „The Bride Project“ trotz der ernsten Thematik wie der Zwänge für Frauen, dem Folgen von oder dem Bruch mit Traditionen etc. immer wieder humoristisch. Sina Heiss, Gabrielle Sinclair und Lisa Coinus (Idee und Konzept) greifen zum Beispiel auf Elemente aus der Popkultur zurück. Der König, zu dem die Schwestern schließlich fliehen, ist ein überzeugend widerlich gespielter Typ, als er über sexuelle Freizügigkeit singt. Darin lobt der König (wie alle Männerrollen von einer Frau dargestellt) Frauen für diese und wirft ihnen Schimpfwörter zu. Die Danaiden lassen die Situation über sich ergehen, in der Hoffnung, sich auf dem Hof des Königs verstecken zu können. Getan ist es damit nur nicht. Kurze Zeit später kündigt eine Moderatorin eine Abstimmung über den Verbleib der Schwestern an.

Wie sehr bei dieser, bei einer tollpatschig gespielten Breakdance- Einlage oder bei Witzen der Cousins die Besucher_innen auch lachen- „The Bride Project“ hat sowohl ernste und beklemmende Szenen. Als eine Darstellerin die Vergewaltigung der Ururgroßmutter Io der Danaiden erzählt, wird eine Puppe auf die Bühne getragen. Ihre Kleider werden zerrissen, sie können wie die Puppe selbst nicht mehr vollständig hergerichtet werden. Nicht nur in dieser Szene, sondern auch anfangs sind Darstellerinnen auf dem Boden auf allen Vieren zu sehen.

Abgeschwächt wird der ernste Beigeschmack durch den Dialekt und durch zu viele Fragen, die die Darstellerinnen mit Mikrofon stellen. „Was macht einen Mann zum Mann?“ ist etwa weder eine komplett neue Fragestellung noch müsste sie überhaupt explizit angesprochen werden. Sie fließt bereits inhaltlich in die Performance ein. Die weiteren Erzählungen in Monologform könnten mehr Wirkung entfalten, wenn sie auf Hochdeutsch wären. Sich gegen Traditionen zu entscheiden und das Erfüllen und Nichterfüllen von Erwartungen anderer (z.B. ruhig sein, zurückstecken) sind eher universelle Schwierigkeiten und keine Aspekte, die Frauen in Oberösterreich mehr betreffen als andere.

Insgesamt schafft es das Kollektiv „Lonesome George“ mit den vielen, verschiedenen Elementen wie Tanz, Text, Puppen, Masken und Musik (Manuel Mitterhuber), die nach der Unterhaltungswelle noch klassisch wird, aber ein breites Publikum anzusprechen. Im ausverkauften Saal klatschen und jubeln Männer, Frauen, jüngere und ältere Menschen. Bis der Schlussapplaus einsetzt, dauert es allerdings etwas. Nachdem die Szene mit Lichtern schon ein deutliches Ende gewesen wäre, erkennen die Besucher_innen das tatsächliche Ende nicht sofort als dieses an.

„The Bride Project“ ist Unterhaltung, die zum Nachdenken anregt, obwohl manche Szenen letzteres wieder abschwächen. Das Theaterprojekt ist vor zwei Jahren entstanden und ist jetzt im Theater Phönix uraufgeführt worden. Zunächst wird „The Bride Project“ am vierten und fünften November im Freien Theater Innsbruck und am 15. und 16. November im Kosmos Theater Wien zu sehen sein.

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Katharina ist Sozialwissenschaftlerin und Redakteurin. Sie beschäftigt sich vor allem mit gesellschaftlichen (z.B. frauenpolitischen) und kulturellen (z.B. Film, Theater, Literatur) Themen. Zum Ausgleich schreibt sie in ihrer Freizeit gerne literarische Texte: https://wortfetzereien.wordpress.com/