A PERFECT CIRCLE: „Weitermachen? Ja, nur wann?“

Wenn A Perfect Circle (wahlweise auch Tool) ein Album veröffentlichen, ist ein bisschen so, als bespreche man eine Buchkritik über, sagen wir, die Bibel. Beides läuft außer Konkurrenz. Wie man allgemein weiß, passiert beides nicht allzu oft. 14 Jahre sind vergangen, jetzt legt die Formation um Billy Howerdel und Maynard James Keenan wieder los.

„Eat The Elephant“, so die neue Platte, verströmt eine Atmosphäre der Bedeutsamkeit – im Interview war Billy Howerdel bei uns zu Gast. Ein Gespräch darüber, wie man eine Band nach mehr als einem Jahrzehnt wieder neues Leben einhaucht, wie die Zusammenarbeit mit Maynard nach der langen Funkstille funktioniert und welche Erwartungen A Perfect Circle 2018 an sich selbst und an die Zuhörer stellen.

subtext.at: Billy, es ist lange, lange her, seit dem A Perfect Circle ein Album veröffentlicht haben. Nach 14 Jahren gibt es mit „Eat The Elephant“ nun endlich ein neues Lebenszeichen. In welchem Gemütszustand befindest du dich gerade?
Billy Howerdel: Wir sind gerade in Europa, um die Pressearbeit für die Platte ins Rollen zu bringen. Es ist interessant, weil wir gerade dabei sind, sie zu reflektieren, zu betrachten und sich mit ihr auseinanderzusetzen, währenddessen wir uns über sie unterhalten. Das erlaubt es uns, andere Blickwinkel einzunehmen. Insgesamt sind wir auch dabei, uns als Band wieder zu entdecken, uns an vergangene Songs heranzutasten als auch uns mit dem neuen Material vertraut zu machen.

subtext.at: Dort weiterzumachen, wo ihr damals aufgehört habt, kam für euch nicht in Frage, oder?
Billy Howerdel: Nicht ganz. (überlegt) Wir sind alle an verschiedenen Punkten im Leben angekommen. Wir mussten uns wieder an alle Prozesse gewöhnen, die das Bandleben mit sich bringt und zudem einüben.

subtext.at: Musstest du persönlich Mittel und Wege finden, um deine kreativen Gewohnheiten neu starten, um aus den Vollen schöpfen zu können?
Billy Howerdel: Ja, zum Teil schon. Anfangs habe ich viel auf Keyboards und dem Piano geschrieben, was für mich einem Tritt in den Hintern gleichkam. Diese Herangehensweise war Neuland für mich, weil ich darin nicht wirklich bewandert bin. Solch eine Anstrengung hat auch Vorteile, wenn man nur herumlungert und Zeit vertrödelt. Es muss etwas sein, was dich fesselt, was dich weitermachen lässt. Es ist dann aber auch schwieriger, diese Eindrücke zu wiederholen. Oft habe ich die Songs spontan entstehen lassen, einfach aufgenommen und mich später mit ihnen komplett auseinandergesetzt. Beim Titeltrack war es so. Ich musste lernen und mir genauer ansehen, was ich da eigentlich verbrochen und zu spielen habe (lacht). Diese Mühen sind aber definitiv lohnenswert.

Foto: © Tim Cadiente

subtext.at: Gab es eine Zeit, wo du dir über die Zukunft von A Perfect Circle nicht im Klaren warst, ob und wie es weitergehen würde?
Billy Howerdel: (überlegt) Eigentlich nicht, denn ich war mir sicher, dass wir irgendwann weitermachen würden. Über den Zeitpunkt war ich mir nicht im Klaren. Weitermachen? Ja, nur wann? Niemand konnte sagen, wann es konkret so weit sein wird. (überlegt) Es hängt natürlich auch damit zusammen, dass Maynard nicht immer verfügbar ist. Nun sind wir hier.

subtext.at: Und Bedenken, dass die neue Platte an die Qualität eurer Frühwerke nicht anschließen wird können?
Billy Howerdel: Nicht wirklich. (überlegt) Ich versuche, mir darüber nicht allzu viele Gedanken zu machen. Ich kenne Leute, die damit zu kämpfen haben und sich innerlich quälen. Das sind alles unnütze Gedanken, die man am besten beiseite schiebt. Innerlich zu wachsen, sich persönlich erlauben zu können, sich verändern zu dürfen, ist eine Herangehensweise, die einem dabei hilfreich sein kann. Was uns geholfen hat, war die Tour im letzten Jahr in den Vereinigten Staaten. Es hat uns vor Augen geführt, dass die Leute weiterhin an uns interessiert sind. Mich hat es bestätigt, dass es noch Menschen gibt, die mit uns das nächste Kapitel aufschlagen möchten – ganz egal, wie dieses nun aussehen wird.

subtext.at: Wolltet ihr in unterschiedliche Richtung expandieren, was den Sound anbelangt, oder doch mehr ein kohärentes Album erschaffen?
Billy Howerdel: Ich weiß nicht, ob das unser Ziel war. Nichtsdestotrotz schwingt diese Idee immer mit, ein Album zu schaffen, welches von vorne bis hinten Sinn ergibt. Das Album spielt mit einer unterschiedlichen Farbpalette und wenn ich zurück denke, auch „Thirteenth Step“ spielte damit. Ich weiß nicht. (überlegt) Wenn ich die Platte einordnen müsste, würde ich sie zwischen „Mer De Noms“ und „Thirteenth Step“ geben, was den Style anbelangt.

subtext.at: Hat sich der kreative Prozess zwischen Maynard und dir über die Jahre verändert oder ist er gleich geblieben?
Billy Howerdel: Er hat sich schon verändert. Anfangs waren wir zusammen in einem Raum und haben an den Ideen und Entwürfen gearbeitet. Jetzt sieht es so aus, dass wir uns die Ideen hin- und herschieben. Als Maynard in Arizona zugegen war, habe ich mit unserem Produzenten Dave Sardy in L.A. an der Platte gearbeitet. Die Distanz zwischen uns war jetzt größer, trotzdem haben wir über Mitteilungen und Mails miteinander kommuniziert.

 

subtext.at: Was hast während der Entstehung von „Eat The Elephant“ über dich selbst gelernt?
Billy Howerdel: (überlegt) Je älter ich werde, desto weniger nimmt die Aufregung ab, wenn es um die Entstehung eines Albums geht. Ich bin da immer noch aufgeregt und erschöpft zu gleichen Teilen wie am Anfang (lacht). Du lernst damit umzugehen, doch zu meinem Glück mache ich diese Arbeit immer noch gern.

subtext.at: Hast du etwas über Maynard während der Entstehung von „Eat The Elephant“ gelernt?
Billy Howerdel: (überlegt lange) Eigentlich habe ich es schon immer gewusst, aber jetzt war ich mir dann sicher: Maynards Angewohnheit, dich zu überraschen. Du kennst jemanden lange und gewöhnst dich an diese Person. Dann gibt es Momente, die dich dennoch zum Staunen bringen. Er verbringt viel Zeit damit, sich Gedanken zu machen, sich nicht zu wiederholen. Er will stets aus einer Komfortzone hinaus. Das rechne ich ihm hoch an.

subtext.at: Was war die größte Herausforderung für euch?
Billy Howerdel: (überlegt lange) Das war der Anfang. Bei A Perfect Circle gibt es keine Zielgerade, die ständig zunimmt. Es sind eher Schlangenlinien. Das ist der Prozess. Am Anfang ist wirklich alles möglich und das macht es so schwierig, loszulegen. Welchen Weg schlagen wir ein? Welche Songs nehmen wir? Diesen Funken zu entfachen, ist am schwierigsten.

subtext.at: Musik in Zeiten politisch brisanter Zeiten. Nützt das noch wem?
Billy Howerdel: Ich denke schon, dass es einen Nutzen hat. Am Ende sind wir nur Musiker mit einer Platte, aber die Themen, die wir ansprechen, sei es direkt oder durch Metaphern, bewirken bei Leuten vielleicht etwas, um sich mit Dingen auseinanderzusetzen, die in der Welt momentan passieren. Auch wir können und wollen uns davor nicht verschließen.

subtext.at: Erst die Schnecke auf „Thirteenth Step“, die ihre schleimige Spur auf der Haut eines Menschen hinterlässt. Nun eine Art Oktopus, der auf dem für euch doch merkwürdigen Cover zu sehen ist. Was soll uns das sagen?
Billy Howerdel: Das war Maynard. Er ist für das Visuelle verantwortlich. Für mich symbolisiert dieses Mischwesen eine Art Dunkelheit, in die wir alle hineintappen. Oder Maynard nützt ein Tierwesen, um uns Menschen zu beschreiben. Es bleibt einem selbst, wie man es deutet, da möchte ich nicht zu viel sagen.

subtext.at: Was sind deine Erwartungen, die du mit dieser Platte hast?
Billy Howerdel: Darüber habe ich mir eigentlich keine Gedanken gemacht (lacht). Ich hoffe, wir haben ein Album erschaffen, welches die Leute nachhaltig mitnehmen wird. Das ist uns früher geglückt und ich hoffe, wir schaffen es jetzt auch damit.

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Foto: Tim Cadiente

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