30 Jahre Szene Open Air: Sind wir jetzt zu alt für Festivals?

Ein Festival neben dem Alten Rhein, ein buntes Lineup, eine unglaublich engagierte Veranstaltercrew, ausgelassene Stimmung und das wohl beste Festival Westösterreichs: das Szene Open Air feierte heuer sein dreißigjähriges Jubiläum. Acts wie Capital Bra, AnnenMayKantereit, Foals, Welshly Arms und viele andere haben uns einmal mehr begeistert! 

Es ist ja schon zur Tradition geworden, dass wir Anfang August die Reise nach Vorarlberg wagen und knapp 6 Stunden Fahrtzeit mit rund 500 Kilometer auf uns nehmen, um beim Szene Open Air dabei zu sein. Auch heuer haben wir uns ans andere Ende von Österreich gewagt. Ganz ohne Zelt, dafür mit Schlafsack im Auto fühlten wir uns gewappnet für drei Tage Festival.

Donnerstag:

Leider verpassten wir die erste Band Too Mad. Schön ist es daher umso mehr, nach so einer langen Anreise gleich bekannte Gesichter auf der Bühne zu sehen: Granada. Die Jungs haben ja schon 2016 bei uns auf einem Qlash gespielt und dabei die Bar unsicher gemacht. Zur Zeit touren sie mit ihrem aktuellen Album „Ge Bitte“ – wo das Video zu „Sauna“ vor Kurzem für Aufregung sorgte. Auch wenn die Slot etwas undankbar ist von der Zeit her gesehen, war der Platz vor der Bühne gut gefüllt und das Publikum textsicher bis in die hinteren Reihen.

Weg von Indie, hin zu Metalcore. Das Szene Open Air-Festival steht seit jeher für einen Mix an Stilen, wie man ihn hierzulande nur selten sehen wird. Ob man mit Metalcore etwas anfangen kann oder nicht, sei an dieser Stelle mal dahingestellt, aber diejenigen, die schon zu dieser frühen Zeit den Weg vor die Bühne gefunden haben, wurden nicht enttäuscht. Für Fans des Genres sicherlich einen Abstecher wert.

Erster Headliner der Herzen am Szene Open Air waren wohl Von wegen Lisbeth. Gegründet hat sich die Band 2006 während einer ausgefallenen Turnstunde. Ihren großen Durchbruch schaffte die Band, als sie 2014 zum ersten Mal mit AnnenMayKantereit tourten. Ein weiterer Meilenstein der Band war das Debütalbum „Grande“, welches 2016 veröffentlicht wurde. Im Moment touren sie mit den neuen Album „sweetlilly93@hotmail.com“. Live ließen die Jungs jedes Indiepop-Herz höher schlagen – und bei Songs wie „Wenn du tanzt“ oder „Meine Kneipe“ konnte niemand stillstehen.

Ihr Outfit und ihre Tanzmoves erinnerten stark an die norwegische Band Kakkmaddafakka, und auch den Sound könnte man ohne Bedenken einer nordischen Band zuordnen: Some Sprouts kommen jedoch aus Regensburg – ob skandinavische Wurzeln vorhanden sind, ist uns leider nicht bekannt. 2018 veröffentlichten die Jungs ihre zweite EP „IMMT“ und heuer im April ihre aktuelle Single „Someone you love“. Dass die Jungs mit ihren Efeugirlanden perfekt auf eine Festivalbühne passen, haben sie mit ihrem Gig am Szene Open Air bewiesen.

Show Zweitausendachthundertirgendwas – wenn es einen Artist gibt, der „live“ und „Tour“ beherrscht, dann Frank Turner. Dieses Mal am Szene Open Air mit Ersatzbassist seiner Sleeping Souls unterwegs, weil der echte Bassist für Nachwuchsmusiker gesorgt hatte, bewies der stimmlich wie immer herausragende Turner, wie man ein anständiges Liveset präsentiert. Im Publikum unterwegs, auf Tuchfühlung, und immer der Anschein, dass Touring noch immer Spaß zu machen scheint. Ein Act auf einem Festival, der nie in der Kategorie „Enttäuschung“ landen wird.

Der Musiker Gus Dapperton ist wohl am weitesten von seinem Zuhause entfernt. Gemeinsam mit seiner Schwester tourt Brendan Rice im Moment durch Europa, mit im Gepäck seine neue EP „You think You´re a Comic“. Bekannt ist der 21-jährige vor allem dafür, dass er seine Musik zu 100% DIY produziert. Er ist einer der Vorreiter der „neuen Generation“, die zumindest bis zu einer gewissen Größe ohne Plattenfirma und Co auskommen. Passend zu dem DIY-Image war auch sein Kleidungsstil, ein netter Mix aus Moderne und 90er. Live konnte uns der New Yorker aber leider nicht zu 100 Prozent überzeugen.

Auf der großen Bühne ging es mit Foals weiter. Mit ihrem Song „My Number“ haben die Jungs aus Oxford schon 2013 bewiesen, dass durch ihre Venen 100 Prozent Indieblut fließt. Mit den neuen Album „Everything Not Saved Will Be Lost“ im Gepäck haben sie auch am Szene Open Air vorbei geschaut. Live haben uns die Musiker leider nicht so überzeugt. Die Songs klangen alle doch sehr ähnlich, und auch wenn in den ersten Reihen die Leute durchaus abfeierten, kam diese Energie leider nicht in den letzten Reihen an. Ein Pluspunkt der Band ist jedoch die Nähe zum Publikum – Sänger Yannis Philippakis machte nicht nur einmal einen Ausflug runter von der Bühne in die Menge.

Thorsteinn Einarsson ist hierzulande ein Artist, der sich immer größerer Beliebtheit erfreut. Der Wiener mit den isländischen Wurzeln ist nicht erst seit seinem Amadeus-Award einer der aufstrebensten Pop-Artists des Landes. Wenn vielleicht auch nicht die Hauptzielgruppe des Szene Open Airs, bewies der Isländer samt großartiger Liveband, das Pop auch zu späterer Stunde funktioniert.

All jene, die noch nicht genug hatten, durften danach bei einsetzendem Regen Frogleap lauschen. Der gute Herr ist eher von Youtube bekannt, und gab, naja, eher härtere Cover bekannter Songs zum Besten. Ideal bei einem gewissen Spiegel, ideal, um letzte Energien loszuwerden, und ideal, um den ersten Tag zu beschließen. Nicht jedermanns Sache – um diese Uhrzeit aber auch kein Muss mehr.

Fotos Christoph Thorwartl:

Fotos Lisa Leeb:

Freitag:

Man weiß, dass man auf einem Festival ist, wenn man schon am frühen Morgen die Stromaggregate und verschiedene Klassiker der letzen Jahrzehnten hört, und einem ein frischer Duft aus Deo, Fäkalien und Alkohol um die Nase weht. Genau so und nicht anders muss in Festivaltag starten – auf den dezenten Kater könnten wir zwar verzichten, aber man ist ja nur einmal jung, oder so.

Band #1 des Tages kam aus der Schweiz: Lutz! Eine Mischung aus Blasmusik und Rock, die müde und restfette Knochen auftaute. Angenehm erfrischender Sound, musikalisch auf der Höhe, dazu grundsympathisch einer der besseren Opener, die wir auf diesem Festival bisher gesehen haben!

Frischen Sound aus Vorarlberg brachte die Band StageFright auf die Bühnen des Szene Open Airs. Dass großes Potential in der Band steckt, haben sie mit beim „Conrad Sohm Talent Open Stage 2019“-Contest bewiesen, wo sie den Publikumspreis gewannen. Die Band rund um Kevin Malcher und Marius Berchtold konnte selbst bei Regen treue Freunde und Fans vor die Stage locken.

Danach: Autotune. Jugo Ürdens war aus Wien angereist, und gab modernen Rap zum besten. Autotune sind wir da ja schon gewohnt, stellenweise sehr starkes Übersteuern nam aber der Artist dann auch schon mit Humor. Mehr als bei vielen anderen Genres gilt hier: muss man mögen, aber auch nicht. Mag man es, bekam man hier am frühen Nachmittag bereits eine Show zu sehen, die mehr als „tight“ war.

Bei Mine schaffen wir es kaum, objektiv zu bleiben. So begeistert uns die Sängerin schon über Jahren. Seit der Zusammenarbeit bei „Alle Liebe nachträglich“ im Jahr 2017 mit Fatoni zählt die Musikerin wohl zu unseren besonderen Lieblingen. Die Show kannten wir zwar bereits schon aus dem Konzert im Porgy & Bess – aber seinen Lieblingsfilm kann man ja auch öfters sehen, oder? Immer wieder ist es für uns herzerwärmend, die Einspieler der jungen Jasmin Stocker zu hören. Mine bringt mit ihren Songs so viel „Realness“ auf die Bühne und schafft es immer wieder, uns mit Songs wie „Klebstoff“ beinah zum Weinen zu bringen – aber auch zum Shaken mit Songs wie „90 Grad“. Kurz gesagt: Konzert war Mega und wir freuen uns auf ein weiteres!

Auf der anderen Bühne ging es mit geballter Girlpower weiter. Hinter dem Projekt bzw. der Fuchsmaske Antifuchs verbirgt sich Rapperin Emilia Reichert, geboren in Kasachstan. Sie ist bereits als Kind mit ihren Eltern nach Deutschland emigriert und rappt über Themen, die sie im Alltag beschäftigen. Ihre Einstellung zum Leben, „Anti“, lebt sie auch auf der Bühne – anti Klischee, anti Geschlechtertrennung und anti Wertesystem. Was die junge Musikerin neben ihrer Maske noch so einzigartig macht, ist die Tatsache, dass sie gleich von zwei Deutschrap-Labels gesigned wurde. Live unterstützte sie ihre Cousine alias $HAKAL, mit der sie auch den Song „Family Business“ produzierte. Auf der Bühne feierten die beiden Girls ihre musikalischen Kunstwerke und auch die Crowd sprang auf die Anti-Attitüde auf und zelebrierte diese.

Ein Arist, der eine Wandlung machte wie wenige andere zuvor, sorgte dann für die erste Ekstase auf der Hauptbühne: Trettmann. Früher noch im Dancehall unterwegs, hat sich der Deutsche zu einem der Hip-Hop-Aushängeschilder des Landes gemausert. Seine Wurzeln kann Tretmann aber dennoch nicht verstecken  – denn das Album DIY beschreibt den Werdegang des Künstlers sehr gut. Bald mit neuem Album am Start, hingen die Fans am Szene Open Air an seinen Lippen. Auch wenn man mit Hip-Hop dieser Machart nicht viel anfangen kann: bistdudeppert, ist die Show gut!

Danach: Stilwechsel. Die Berliner Rockband Milliarden war nämlich danach am Start. Beim Award für die besten Outfits am Festival hätten die Jungs schon mal gute Karten gehabt, aber die Show dahinter überzeugte uns noch viel mehr. Was für ein Abriss! Nach „Betrüger“ 2016, das wir damals schon in kleinem Rahmen im Wiender B72 feierten, ist mit „Berlin“ der Nachfolger am Start. Milliarden nehmen sich kein Blatt vor den Mund – und das ist gut so! Was würden wir uns wieder eine Clubshow mit der Band wünschen!

Der Indie-Headliner am Freitag kommt aus der benachbarten Schweiz: ja, klar, niemand anders als FABER! Seit 2015 ist Julian Pollina alias Faber kein Unbekannter mehr in der deutschsprachigen Musiklandschaft. Gemeinsam mit seiner Band, der Goran Kočy Vocalist Orkestar Band, bestehend aus den Musikern Tillmann Ostendarp, Goran Koč, Janos Mijnssen und Max Kämmerling ,hat er uns bereits im Posthof in Linz, aber auch am Acoustic Lakeside große Freude bereitet – und natürlich auch am Szene Open Air. Wir zählen uns selbst zu denen, die in den letzten Reihen mit voller Begeisterung zu Lieder wie „Wem du´s heute kannst besorgen“ oder „Alles Gute“ mitsangen. Neu im Set ist die vor kurzen erschienene Single „Das Boot ist voll“ – ein sehr kraftvoller Text zur Flüchtlingsthematik. Dass Faber auf der Bühne eine Ausdauer hat, bewies er uns auch mit zwei Zugaben.

Danach: elektronische Klänge mit Elderbrook. Alexander Kotz alias Elderbrook vermochte es danach, die ruhigen Klänge von Faber am Schluss zu tanzbarer Electro-Stimmung umzuwandeln. Eine nicht einfache Aufgabe, die bravourös gemeistert wurde. Mulitinstrumental, tanzbar, ausgelassen – ein Act, den man schnell in seine Heavy Rotation-Playlist aufnimmt!

Beim Headliner schieden sich die Geister. Capital Bra stand auf der Bühne – in seinem Genre bereits jetzt lebende Legende, Stammgast in den Charts und so erfolgreich wie wenige Andere. Eine Stunde lang durfte seinem Straßenrap mit russischen Wurzeln gelauscht werden – von der Straße hat die Transformation auf die Festivalbühnen gut geklappt, auch wenn das Konzert für Capital Bra anscheinend in der Schweiz stattfand. Wobei, zur Ehrenrettung: weit war es ja nicht bis ins Nachbarland. Nach einer schnellen Zugabe wurde die volle Stunde Set auch erreicht, und das Spektakel, das für nicht wenige verkaufte Tickets gesorgt haben dürfte, auch schon wieder vorbei.

Bevor der Latenight-Headliner nochmal ordentlich Stoff gab, hat die Girlrockband Gurr auf der Szene-Bühne gezeigt, was in Berlin grad so en vouge ist. Zu Beginn bedankten sie sich noch kurz für den Support von Capital Bra, und anders wie dieser haben die Mädls ihrer Hausaufgaben gemacht und wussten auch, in welchen Land sie sich im Moment befanden. Ja, in Österreich, und Nein, immer noch nicht in der Schweiz. 2016 haben die beiden Bandleaderinnen Laura Lee und Andreya Casablanca das erste Album „In my Head“ released, mit dem sie auch internationale Begeisterung ernteten. Auf weitere Releases musste man bis heuer warten: im Frühjahr kam die neue EP „She says“ heraus, und ähnlich wie das erste Werk wurde auch dies von Kritiker*Innen hochgelobt. Live halten Gurr, was sie auf Platte versprechen. Mit Charme und ein paar Coveranspielungen brachte sie auch nach Capital Bra das Publikum noch zum Tanzen.

Größte musikalische Überraschung (bis jetzt) waren Welshly Arms. Die amerikanische Band aus Cleveland/Ohio zeigte, dass man auch den letzten Slot am Festivaltag noch gebührend feiern kann. Kennen könnte man die beiden Singles „Sanctuary“ und „Legendary“ – diese wurden natürlich vom Publikum lautstark mitgesungen. Für mich (Lisa) war die Band jedoch ein komplett unbeschriebenes Blatt Papier. Songs der Band tauchten schon in verschiedene Film- und Serienproduktionen auf – einen findet man zum Beispiel in „The Hateful Eight“ von Quentin Tarantino. Fazit: Highlight des Abends!

Während in den Partyzelten noch der Abend gebührend gefeiert wurde – laut Erzählungen bis teilweise sechs Uhr in der Früh – versuchten wir ein paar Stunden Schlaf zu bekommen, um fit für den letzten Festivaltag zu sein.

Fotos Christoph Thorwartl:

Fotos Lisa Leeb:

Samstag:

Dass es gestern etwas länger geworden ist, merkt man an dem erst zu Mittag beginnenden Mischmasch aus verschieden Musikrichtungen. Musikalisch begann der Tag auf der Alten Rhein Bühne mit Stereo IDA. Die Band gründete sich letztes Jahr im Sommer und bringt frischen Wind in die österreichische/vorarlbergerische Musiklandschaft. Eine Mischung aus akustischem Folk/Pop/ Soul für die verschlafenen Festivalbesucher. Wir freuen uns von der Band in Zukunft noch mehr zu hören.

Rap aus der Heimat – Arkan 45 stand danach als großer Kontrast am Programm. Nach ewig langem Intro wurde dann auch für Fans mehr als Annehmbares zum Besten gegeben. „Melancholie mit Maske“ – der nach Berlin ausgewanderete Local Artist bietet hier durchaus hochwertiges Songwriting an, das live sehr, sehr gut funktioniert. Kann man hören!

Apropos Songwriting: dem Jazzseminar Lustenau wird am Szene Open Air seit jeher Platz gegeben. Local Artists, denen die Bühne von morgen gehört. Big-Bands, die bekannte Klassiker und so manch Eigenkompositionen performen, und die tief mit der Gegend verwurzelt sind: gut, dass solche Acts auf einem Festival Platz finden!

Was für eine Energie und Ausdauer hat denn die Band Querbeat? Diese rissen mal so im Vorbeigehen um 15.30 die große Stage nieder. Querbeat ist eine Brass-Band bestehend aus 13 MusikerInnen aus Köln. Die Band gibt es nun bereits schon über 18 Jahren und sie beschreiben sich selbst als sexy, dynamisch und jung. Wir würden noch „eine Liebe für das Publikum“ hinzufügen. Eine Kapelle, die buchstäblich weiß, wie man alle Register spielt. Großes Lob an diese Performance!

Danach: ruhige Klänge, zum Runterkommen quasi. Duolia. auf der kleinen Bühne waren danach um einiges Intimer. Ebenfalls Local Artist, dabei aber sehr, sehr minimalistisch mit Ukulele, Violine, Gitarre und Co verzaubert das Duo mit Klassikern von The Black Keys und einer Stimme, die zum Dahinschmelzen ist. Ideal, um zwischendurch mal abzuschalten und sich der Musik hinzugeben.

Man könnte sie ja schon fast als Held*innen unserer Jugend bezeichnen. Grossstadtgeflüster haben, wie es den Anschein machte, nicht nur uns durch das Erwachsenenwerden mit Songs wie „Ich muss gar nichts“ oder „Weil das morgen noch so ist“ geholfen. Der Platz vor der Alten Rhein Bühne war gesteckt voll und es wurde bis zum letzten Eck zu Songs wie „Fickt-Euch-Allee“ oder „Neue Freunde“ fleißig mitgesungen. Wer hätte gedacht, dass die Menschen nach Querbeat noch irgendeine Energie haben, um so abzugehen? Auch wenn die Sängerin Jen Bender im Moment etwas gehandicapt ist, hält sie dies nicht davon ab Party zu machen. Speziell gilt es zu erwähnen: die sexy Melodien zwischen dem Bademantel /Warnwesten-Umzugspausen von Jen. Das eine oder andere mal erwähnte die Band auch das  neue Album „Trips & Tricks“, welches heuer am 16. August erscheinen wird. Wir hoffen stark auf eine Indoor-Tour im Herbst – auch wenn diesmal die Stadtwerkstatt wahrscheinlich zu klein wird.

Eine gehörige Portion Selbstironie lieferte danach BRKN. Der Berliner Hip-Hop-Artist spielt mit Klischees, von Einzimmervillen bis Spritztouren. Live? Hervorragend: an Klavier, Saxophon und einer Stimme, die sich angenehm in den Gehörgängen festsetzt.

„All I Want Is Everything! Is That Too Much To Ask?“ – die Donots bewiesen danach, dass deutscher Punkrock aus Ibbenbüren auch nach 25 Jahren noch nicht tot ist. Eingesprungen für die eigentlich geplant gewesenen Feine Sahne Fischfilet lieferten Ingo und Co eines ihrer bekannten Live-Bretter in Lustenau ab. Stagedives, Crowdsurfing, Circle Pits, aber auch zufriedene Kinder – eine Donots-Show ist mittlerweile ein generationenübergreifendes Spektakel geworden. Eine gelungene „Silberhochzeit“, der hoffentlich noch viele weitere Jubiläen folgen werden.

Classic Hardrock gab es am Szene Open Air beinahe zum Schluss zu hören. The Weight waren schon öfters Stammgast am Alten Rhein – hatten aber heuer das Problem, dass vor ihnen eben die Donots aufgegeigt hatten. So war die Energie nicht mehr so vorhanden, wie sie sein müsste. Schade, denn für Fans eine schöne Show, wo auch das Optische nicht zu kurz kommt. Gerne wieder – vielleicht auch auf der großen Stage?

AnnenMayKantereit zuletzt war sei am Maifeld Derby vor unserer Linse – bei einem ganz speziellen Konzert im Stadion vor ein paarhundert Leuten. Ein paar tausend Besucher*innen mehr dürften es dann heute schon gewesen sein, welche Henning May mit seiner rauchigen Stimme begeisterte. Da wird wild getanzt zu Songs wie „Barfuß am Klavier“ oder „Pocahontas“. Knapp 90 Minuten verwöhnte die Band das Publikum mit Songs über Liebe, Freundschaft, Verlust und dem Leben allgemein. Da darf natürlich ein Gastauftritt von Ferdinand Schwarz alias „der Trompeter“ nicht fehlen. Vor Kurzem erschien ihre neue Single „Bang Bang“, ein Cover gemeinsam mit Amilli vom Musiker Sonny Bono. Live können die Jungs mit doch sehr melancholischen Texte nauf jedenfall überzeugen. Als Draufgabe gab es dann noch eine Zugabe im Publikum in der Nähe der Bierbar – was so einige Fanherzen höher schlagen ließ, und einen schönen Abschluss zum Konzert bot.

Nach einem tanzbaren Spektakel mit Skid Simus stand dann, quasi zum krönenden Abschluss, eine lebende Legende auf der Bühne. Otto Waalkes samt seinen Friesenjungs. Davor wurde aber schon einer der Headliner für 2020 angekündigt: Conchita. Österreichs international wohl bekanntester Musikexport beehrt nächstes Jahr den Alten Rhein. Ein Statement, mutig, notwendig – aber verdammt empfehlenswert. Otto Waalkes bewies danach, dass er durchaus noch immer weiß, wie er sich auf der Bühne verkaufen kann. Zwischen Klamauk, Parodie und durchaus ernstzunehmender Musik pendelte die friesische Legende – von Ottifanten-Kanone bis zu Stones-Parodien und vorhandener Ortskenntnis (Hallo, Herr Capital Bra!) eine Show, die man in die Kategorie „Leider gut“ einordnen muss.

Das wars leider auch schon – etwas traurig sind wir schon, dass das Festival so schnell vorbei gegangen ist. Auch wenn wir uns schon sehr auf eine Dusche freuen und eine Umgebung, wo uns die Menschen wieder verstehen, so wir sie verstehen, und ein Seiterl wieder weithin bekannt ist. Dennoch haben wir das Festival im schönen Ländle schon seit Jahren ins Herz geschlossen und ja, es zahlt sich aus, jährlich 500 Kilometer von Linz nach Lustenau zu pendeln. Versuch es doch mal, das 31. Szene Open Air kommt bestimmt!

Fotos Christoph Thorwartl:

Fotos Lisa Leeb:

Text & Foto: Lisa Leeb, Christoph Thorwartl

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