Don’t let the world bring you down: 20 Jahre MAKE YOURSELF

Raus aus dem Underground, hinein ins Rampenlicht: Mit „Make Yourself“ erschaffen Incubus Ende der 90er ein Referenzwerk und eine erfrischende Abwechslung im Sumpf der boomenden Crossover und Nu Metal-Welle. Dieser Cocktail aus dynamisch-druckvoller Musik, reflektierenden Lyrics und kunstvollem Drumherum hat ihnen eine Ausnahmestellung im Genre eingebracht – langsam, aber kontinuierlich. Den eingängigen Appeal haben Fans der ersten Platten kritisiert, doch der Wille zur Weiterentwicklung, musikalisch wie textlich, sickert hier an jeder Stelle durch. Dafür wurden und werden Incubus heutzutage noch belohnt.

© Incubus

Das Gute an einem Jubiläum ist, dass man sich beim Verfassen eines Textes erneut bewusst mit einem Album auseinandersetzt. Wie konnte man nur Jungs, die sich „invisible floating torso man“ nennen und Lieder, die auf Namen wie „Battlestar Scralatchtica“ hören, ernst nehmen? Man konnte und man musste. Zwölf Songs (und ein Instrumental) über den Alltag zwischen Angst, Zweifel und den Druck, in gesellschaftliche Normen zu passen. Der Albumtitel ist Einladung und Versprechen zugleich. Du hast dein Leben selbst in der Hand, es ist anstrengend, ja, aber mach was draus und lass die Zügel nicht los – oder geh unter. Incubus zelebrieren eine Phase des Herauswachsens und demonstrieren früh, dass Rockmusik nicht eindimensional zu klingen hat und Emotionalität nichts Verwerfliches ist. Brandon Boyd hat als Sänger und Texter mit knapp Mitte 20 schon damals etwas zu sagen, mit pointierter Direktheit und Metaphernkünstelei. Wirkt der Vorgänger „S.C.I.E.N.C.E.“, ihr bei Hardcore-Fans innig geliebter Majoreinstand bei Epic Records nach dem Debüt „Fungus Amongus“, vom Funk regiert und zur Frickelei ermächtigt, zeigen die fünf Jungs aus Calabasas erst auf „Make Yourself“, wie viel Potenzial in Sachen Songwriting in ihnen steckt. Dem Verfasser dieser Zeilen war „S.C.I.E.N.C.E.“ auf Dauer zu verwirrend, hektisch und zerrissen, in Teilen aber sicher brillant. „Make Yourself“ ist indes eine homogene, organischere Angelegenheit, die vom nachfolgenden „Morning View“ noch getoppt werden sollte.

Aus einem Kinderspielplatz ist zur Jahrtausendwende eine geordnete Studenten-WG geworden. Weniger Funk, mehr Atmosphäre. Incubus schwimmen sich frei und werden mit dem darauffolgenden Album raus aus der Einengung zwischen Crossover und Nu Metal sein. Auch wenn der große Durchbruch vor allem der Single „Drive“ zu verdanken ist, stellt diese besondere Ballade alles andere als oberflächliche Heiterkeit zur Schau. Incubus machen sich damit verletzlich und angreifbar für all jene, die lieber Bewährtes mögen. Boyd meistert gekonnt Gefühlslandschaften zwischen Berg und Tal und trotz allem, trotz all der Wut und der Agitation, mit denen sie sich in wuchtigen Songs wie „Privilige“, „When It Comes“ oder „Clean“ herumschlagen, als auch in atmosphärischen Songs wie „The Warmth“, „Stellar“ oder der Verlustmeldung „I Miss You“, proklamiert „Make Yourself“ stets den Hoffnungsstreifen am Horizont.

Incubus waren Ende der 90er eine von vielen Crossover-Acts. Vergleiche mit Korn und Limp Bizkit ließen nicht lange auf sich warten. Wer genauer hinblickte, konnte damals schon festmachen, dass die Band anders tickte. Mit „Make Yourself“ folgte schon relativ früh der Befreiungsschlag aus dem üblich eng-gestrickten Genre-Korsett. Dieses Album begeisterte selbst Menschen, die mit dieser aufkommenden Szene nichts zu tun hatten. Moderne Rockmusick, die mit Banalitäten nicht viel am Hut hat. Incubus sind sich heute dessen bewusst, was sie einst vollbracht haben und gehen im Herbst auf große US-Tour, um das Album gebührend zu feiern. Zwanzig Jahre später bricht der Refrain von „Pardon Me“, live als auch auf Platte, weiterhin wie eine Flutwelle über einen los. Erfreulich, dass „Make Yourself“ eines konservieren konnte: Das gewisse Etwas.

Tracklist:
01. Privilege
02. Nowhere Fast
03. Consequence
04. The Warmth
05. When It Comes
06. Stellar
07. Make Yourself
08. Drive
09. Clean
10. Battlestar Scralatchtica
11. I Miss You
12. Pardon Me
13. Out From Under

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Fotos: Incubus

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