© Rupert Steiner

ALBERTINA MODERN: Gegenwartskunst von 1945-1980 im Wiener Künstlerhaus

Mit Corona-bedingter Verzögerung hat die Albertina Modern, Wiens neue Anlaufstelle für Postmodernes und Zeitgenössisches, ihre Kunstpforten geöffnet. Knapp hundert Künstlerinnen und Künstler über drei Jahrzehnte werden einer thematischen Gliederung folgend in den renovierten Räumen des Künstlerhauses am Wiener Karlsplatz vorgestellt. Die Albertina Modern zeigt damit neben Gemälden auch Objekte, Kurzfilme und Fotografien und setzt somit von Anfang an auf Diversität und ein umfangreiches österreichisches Oeuvre.

ALBERTINA, Wien – The ESSL Collection © 2020 NAMIDA AG, Glarus/Schweiz

Am Karlsplatz präsentiert die Albertina Modern von nun an neben dem Künstlerhaus selbst nationale zeitgenössische Kunst, darunter auch einige kontrovers aufgenommene Arbeiten von Hochkarätern wie Hermann Nitsch, Arnulf Rainer, Christian Ludwig Attersee oder Gottfried Helnwein. Darüber hinaus gibt es auch Werke zu entdecken, die von weniger im Rampenlicht stehenden Künstlern angefertigt wurden. Die düstere, fesselnde Bildsprache von Reimo Wukounig oder die pastellfarbene Melancholie in den Malerein von Eduard Angeli etwa haben es dem Verfasser dieser Zeilen besonders angetan.

„The Beginning“, so der Titel der Ausstellung, zeichnet ein mannigfaltiges Bild. Als Besucher stößt man auf Arnulf Rainer, der seine Wunden im dunklen Selbstbildnis offenlegt. Auf Hermann Nitsch natürlich, dessen Bilder ewige Verdammnis oder Erlösung propagieren. Die schwebende, greifbare Leichtigkeit in Maria Lassnigs Bildern lässt einen die Welt um sich herum vergessen. Die erdrückenden, aufwühlenden Gemälden von Gottfried Helnwein beleuchten hingegen die Schattenseiten unserer Gesellschaft. Günter Brus, der mit seinen Arbeiten ästhetische und physische Grenzen ausweitet, bleibt einem im Gedächtnis. Die farbenfrohe Geometrie im Konstruktivismus von Roland Goeschl, in der man sich spielend leicht verlieren kann, sorgt für Faszination. Die Spiralen, Farben und Formentiefe von Friedensreich Hundertwasser sind immer wieder aufs Neue reizvoll. Die gezeichneten Gesichter von Florentina Pakosta, denen all ihre Emotionen so unmittelbar ins Gesicht geschrieben stehen, brennen sich ins Gedächtnis ein. Die Performancekunst von Valie Export, die noch heute für sich steht, fehlt nicht. Ob u.a. Alfons Schillings riesige Action Painting-Malerein, die Provokationen in den Pop Art-Bildern von Christian Ludwig Attersee, die überbordende, politisch gefärbte Farbenpracht in den Ausstellungsstücken von Kiki Kogelnik oder Robert Klemmers modisches Selbstbildnis als rennender Dandy, „The Beginning“ bleibt konstant vielseitig und damit, wie das Sujet bestens vermittelt, in Bewegung.

Kunst ist vage. Kunst ist spezifisch. Folgend diesen Aussagen trifft in dieser gelungenen Eröffnungsausstellung Wirklichkeit auf Utopie, Realismus auf Phantastik, Abstraktion auf Aktionismus, Pop Art auf Objektkunst. Dadurch lässt „The Beginning“ ein wichtiges Zwischenspiel entstehen, wo Subtext gedeiht und gedeihen kann.

© Rupert Steiner

THE BEGINNING (Kunst in Österreich 1945-1980)
Albertina Modern
Bis 8. November 2020
10 bis 18 Uhr
Alle Termine & Tickets unter albertina.at/albertina-modern

Titelfoto: © Rupert Steiner

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