LOVECUT: There’s a crack in everything

Eine authentische Darstellung von jugendlicher Liebe und Rebellion bringen die beiden Filmemacherinnen Iliana Estañol und Johanna Lietha mit LOVECUT in die österreichischen Kinos. Ein Film, der sich mit der Exploration von Sexualität, Identität und Emanzipation beschäftigt.  

Der Film LOVECUT ist im Moment in aller Munde. Am 28.8 hatte der Film von Iliana Estañol und Johanna Lietha den Kinostart. Der Debütfilm der beiden jungen Filmemacherinnen spielt in Wien und wurde auch mit Hilfe von Förderungen und einer Crowdfundingaktion finanziert. Iliana Estañol wurde in Mexiko-Stadt geboren, besuchte unteranderem die internationale Filmschule in Kuba und die Universität der Künste in Berlin. Sie konnte bereits viele Erfahrungen bei anderen internationalen Filmprojekten sammeln und hat auch bereits selbst Langspielfilme produziert. Johanna Lietha ist in Zürich geboren und hat an der University of Arts in London studiert. Zuvor arbeitet Johanna Lietha vor allem an verschiedenen Kurzfilmen. Seit 2014 arbeiten die beiden Frauen an dem Film LOVECUT. Die Besonderheit an dieser Produktion ist nicht nur die Thematik, mit der sich der Film beschäftigt, sondern auch die Herangehensweise beim Casting. Die beiden Filmemacherinnen haben sich in Wien auf die Suche nach jungen Menschen gemacht und nachts sämtliche McDonalds und Clubs dieser Stadt unsicher gemacht – mit dem Ziel, Darsteller*innen für den Film zu finden. Über 300 junge Menschen wurden gecastet. Für die Regisseurinnen war es wichtig die Geschichten der Jugendlichen kennenzulernen und Teile davon in die Story des Filmes einzuarbeiten. Von den 300 Jugendlichen wurden sechs für den Episodenfilm ausgewählt.

Foto: Stadtkino Wien

Im Mittelpunkt der Handlung stehen die drei Liebesgeschichten der sechs Hauptdarsteller*innen. Luka lernt Ben über Tinder kennen und wünscht sich eine legere Affäre. Alex und Momo führen eine rein virtuelle Beziehung zueinander. Jakob und Anna sind auch im echten Leben ein Paar, versuchen mit DIY-Sexvideos Geld zu verdienen und sich somit von den Eltern zu emanzipieren. Luka strebt ebenso Unabhängigkeit von den Eltern an und exploriert Liebe auf ihre eigene Art und Weise. Ben ist ein Ausreißer auf Bewährung, der sich durchaus mehr Kontinuität in seinem Leben wünscht und anders als Luka doch gerne etwas Fixes hätte. Alex sitzt seit einem Autounfall im Rollstuhl und kämpft mit der Tatsache, dass er die gesellschaftlichen Erwartungen an einer sexuellen Beziehung durch seine Beeinträchtigung nicht erfüllen kann. Momo ist noch Jungfrau und würde gerne mit Alex den nächsten Schritt wagen, weiß jedoch nichts von seinem Handicap. Annas Eltern haben ein großes Problem mit dem Alter von Jakob: in ihren Augen ist er viel zu alt für sie. Deswegen möchte Anna so bald wie möglich finanziell unabhängig sein und von Zuhause ausziehen. Jakob liebt Anna sehr, möchte seine Zukunft mit ihr verbringen und ist manchen Bereichen doch vernünftiger als der Rest der Bande. Der Film ist eine Momentaufnahme der drei Paare und begleitet sie ein Stück weit des Weges.

There’s a crack in everything. That’s how light comes in. 

Das Zitat von Leonard Cohen hat die beiden Frauen während der gesamten Produktion begleitet und ist auch am Anfang des Filmes zu lesen. Wie auch das Zitat soll auch der Film zeigen, dass Fehler auch etwas Schönes sein können und dass auch Menschen, die Fehler machen, etwas Besonderes sein können. Gerade im jugendlichen Alter ist die Exploration ein wichtiger Teil der Identitätsbildung. Diese Entdeckungsreise versuchten die beiden Filmschaffenden im Film wiederzuspiegeln. Aus unserer Sicht ist dieser Film ein klassischer Coming-of-Age Film, der sich mit den Gefühlen der jungen Erwachsenen beschäftigt.  Was ihn jedoch etwas von anderen abhebt, ist die respektvolle Darstellung von Themen wie etwa Sex mit körperlicher Beeinträchtigung. Da die Darsteller*innen schon sehr früh auch ein Mitspracherecht in der Entstehungsgeschichte des Filmes haben, wirkt dieser besonders authentisch. Auch die Verwendung von modernen Medien und die Schnelllebigkeit des Internets wird auf eine kritische Art beleuchtet. Spannend für mich ist der Einsatz von erwachsenen Personen in der Geschichte – diese repräsentieren hauptsächlich die Spießigkeit und den Zwang der Gesellschaft. Hier finde ich es als etwas übertrieben, diese Ebene nur eindimensional darzustellen, da es durchaus erwachsene Personen für Jugendliche gibt, die sie nicht nur drängen endlich eine Lehre zu beginnen oder die Partnerwahl zu hinterfragen. Persönlich habe ich die drei Frauenrollen als sehr mutig und inspirierend wahrgenommen, Luka, Momo und Anna stehen für drei verschiedene Identitäten, die auf unterschiedliche Art und Weise ihre Rebellion gegen die Eltern und ausleben. Auch das Ende macht es nochmal klar: nichts ist definitiv und alles bleibt offen.

Foto: Stadtkino Wien

Ich kann den Film weiterempfehlen, vor allem vielleicht an junge Frauen, die durch den Film und den Geschichten der Protagonistinnen wieder Beispiele bekommen, dass Normalität, wie sie uns teilweise via Influencer und Co vorgestellt wird, nicht unbedingt der Realität entspricht. Der Film wird seit Freitag auch im Moviemento in Linz gezeigt. Den Spielplan findest du hier. 

LOVECUT
Ein Film von Iliana Estañol und Johanna Lietha
Darsteller*innen: Sara Toth, Kerem Abdelhamed, Max Kuess, Luca von Schrader, Melissa Irowa, Valentin Gruber
Österreich, Schweiz 2020 | 94 Minuten | OdF

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