Crossing Europe 2021: Anyáim Története/Her Mothers

Der Film beginnt mit einem Gespräch: wir sehen einen schwarzen Screen und dann zwei Frauen, die Protagonistinnen. Sie haben sich drei Jahre vor dem Beginn des Films auf einer Demo kennengelernt, die eine war damals Filmemacherin, die andere Protestantin. Jetzt sitzen sie an ihrem gemeinsamen Tisch und planen ihr Familienalbum, sie wollen ein Kind adoptieren.

Es ist die Geschichte zweier Eltern und die Geschichte ihres Kindes. Der Film wurde auch ursprünglich mit der Intention gemacht, um ihre Tochter wissen zu lassen woher sie kommt, wie ihre Eltern und sie zusammengefunden haben, es ist eine Familiengeschichte. Da in Ungarn und generell auf der Welt homophobe Zustände herrschen, ist diese Geschichte eher weniger idyllisch, eine Adoption per se ist schon schwierig und nervenaufreibend, ein lesbisches Paar, das adoptieren möchte, muss sich jedoch mit noch mit sozialpolitischen Hürden umher schlagen.

Beide Frauen haben sich einzeln bei der Adoptionsstelle angemeldet, es stellte eine Lücke im System dar, dass man zwar gemeinsam nicht, aber einzeln adoptieren darf. Orban versprach diese Lücke zu schließen, und mittlerweile ist es auch soweit: das, was die Beiden damals schafften, ging heute nicht mehr.

Die Wartezeit ist lang, die Schwierigkeiten groß. Die Protagonistin beschreibt es ganz gut, sie meinte, es ist schwer zu sagen, ob sie kein Kind bekommen auf Grund des Chaos im System – oder weil sie queer sind. Nach einiger Wartezeit jedoch ist es soweit: sie bekommen eine Tochter namens Melissa.

Melissa feiert mit den Beiden ihr erstes Weihnachtsfest, diese Szene ist die einzige im Film, die die Protagonistinnen selbst gefilmt haben, da es sich um einen sehr intimen Familienmoment handelt, der jedoch zu schön und bedeutend ist, um ihn nicht zu zeigen.

Probleme und Schönheiten des Elterndaseins zeigen sich, ein Elternteil, der bevorzugt wird, gemeinsame Schlittenfahrten, gemeinsames Musizieren, hautnahe Einblicke in deren Leben werden gezeigt. Da sich die Lage in Ungarn nicht bessert und eine Mutter einen Job angeboten bekommt, geht die Familie nach Wien. Am Ende des Films sehen wir die Hochzeit der Beiden und hören Melissa, wie sie im Abspann ein Lied singt. Die ganze restliche Musik des Films ist von der Band der einen Mutter – selbst die Musik bleibt persönlich.

Her Mothers ist ein wunderschönes Familienportrait über die Hochs und Tiefs einer Familie, die Schwierigkeiten einer Adoption und die Steine die einer Regenbogenfamilie in den Weg gelegt werden. Selbst wenn ein politisches Statement nie die Intention des Films war, ist er dennoch politisch relevant. Der Film wird bei Queeren Familienplanungstreffen in Ungarn gezeigt und die Mitwirkenden des Films haben unzählige Dankbriefe erhalten – und das absolut verdient. Man geht mit einem Dankeschön im Herzen aus dem Kino.

CROSSING EUROPE AWARDS

2021: CROSSING EUROPE Social Awareness Award – Best Documentary
Anyáim Története/Her Mothers
Asia Dér, Sári Haragonics
Ungarn 2020
color
75 Minuten
Ungarisch
OmeU

in wien und anderswo zwischen kunst & kultur, film & theater