© Dirk Rose

A-cappella Schattenspiel: MONUMENT 0.6 HETEROCHRONIE bei den Wiener Festwochen

Welchen Platz nimmt der Tod in unserem Leben ein? Verdrängen wir diesen Aspekt unseres Daseins, bis wir unmittelbar damit konfrontiert sind? Die von Eszter Salamon erdachte Performance „Monument 0.6: Heterochronie“ bei den diesjährigen Wiener Festwochen stellt sich genau diesen Fragen und beschließt das Kultur-Festival, bevor ab dem 24. August 2021 das Programm weitergeführt wird. 

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Woher kommt der Mensch und vor allem: Wohin geht er? Im Zeitlupentempo werden in der Halle G im MuseumsQuartier mittelalterliche Trauergesänge aus Sizilien angestimmt. Können die Kirchen- und Wiegenlieder aus dem 12. bis 19. Jahrhundert für Aufklärung sorgen? Das Ensemble schleppt die spürbare Schwere und Trauer, die der Tod für die Hinterbliebenen eben mit sich bringt, gleichwohl wie eine Art mythenumranktes Damoklesschwert mit sich. Die Bühne ist diffus beleuchtet, man sieht Schatten, Umrandungen der Frauen und Männer, die sich in den nächsten Stunden drehen, winden und verrenken werden als ginge es darum, den letzten Funken Hoffnung auf Frieden und Erlösung am Leben zu erhalten.

Von Beginn an taucht man hier ein, in die Dunkelheit, die von Schatten beheimatet ist, die nach einem lechzen. In dieser Schleife aus Erinnerungen in Sizilien, die einem dargeboten wird und heraufdräut wie eine pechschwarze Wolke, fühlt man sich als Zuschauer erst halt- und orientierungslos, durch die Akte driftend, in die uns Salamon hineinverpflanzt. Mit der Zeit gewöhnt man sich an die Struktur, die in all ihrer Abstraktion von Gefühlen wie Trauer und Leere, Sehnsucht und Liebe bestimmt ist. Eine Stimme aus dem Off, die offenbart, was sich in ihrem Inneren der Akteure abspielt, dient als Anker. Es ist zweifelsohne eine Gefühlswelt der Einsamkeit und der Stille, die sich offenbart. Einer eindeutigen Interpretation verweigert sich Salamon trotzdem, wodurch das Stück umso mehr fasziniert, wenn es beinahe schwerelos von allem dramaturgischen und narrativen Ballast in den Bann zieht.

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In „Monument 0.6: Heterochronie“ repräsentiert der Tod nicht das Ende von allem, sondern eine Fortführung, einen Übergang, der zugleich einen Neuanfang in sich trägt. So handelt die Performance von Choreografin Eszter Salamon zwar vom Tod, von den Mumien in Palermo, doch geht vor allem auch um das Leben.

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