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Manu Delago: Willkommen in seinem Environment

„Environ Me“ heißt die neue Platte des Tiroler Multiinstrumentalisten Manu Delago, mit der er gerade durch Europa tourt. Am Nationalfeiertag war er auch im Linzer Posthof zu Gast – und hielt, was die Platte versprach. Ein audiovisuelles Gesamtkunstwerk, das die 75 MInuten Setdauer wie im Nu vergehen ließ.

Erstmals solo, erstmals mit neuer Platte – und der Redakteur dieses Artikels hat Manu Delago auch das erste Mal live gesehen. Schade – denn das hätte man eigentlich früher erleben dürfen. Komplett alleine begibt sich Delago auf der Bühne auf eine Reise durch seine Umgebungen – von Orgelpfeifen, die auf Paragleitern montiert waren, um dort die Sounds der Umwelt aufzunehmen bis zu Schrottplätzen, Stromleitungen, 20 Kontrabassist:innen in abgeholzten Wäldern und einsamen Parks war hier alles dabei. Der Künstler wandert auf der Bühne zwischen Handpans, Drumset und Percussions und erschafft so seine ganz eigene Atmosphäre. Eine Atmosphäre, wo man schnell versteht, wo Delago das Publikum hin entführen will. Eine Reise in die Umwelt, wo er auch schon mal die Kontrolle abgibt – an Tiere, oder auch, ja, an Popcorn. Daneben musikalisch bekannt ausgefeilt ist die „Environ Me“-Tour ein Gesamterlebnis, wo man nicht nur einmal zu träumen beginnt. Konzerthighlight – und wer noch mehr zur neuen Platte erfahren möchte, hat bei uns im dazugehörigen Interview noch Gelegenheit dazu:

subtext.at: „Environ Me“ heißt deine neue Platte – kannst du eingangs in einem Satz kurz zusammenfasse, was dein Grundgedanke hinter dieser Platte war?
Manu Delago:
In einem Satz? Ich habe versucht, den Sound und auch die Bilder unserer Umgebung möglichst kreativ in ein Album einfließen zu lassen (lacht).

subtext.at: Stichwort „Umgebung“: die Umgebung, in der du dich aufhältst, ist natürlich ebenso gepaart von urbanen Umgebungen und ländlicheren. Wie schwierig war es für dich, diese unterschiedlichen Settings musikalisch im Rahmen des Albums unter einen Hut zu bekommen?
Manu Delago:
Gute Beobachtung – es war nämlich in der Tat so, dass ich versucht habe, möglichst viele Aspekte in das Album aufzunehmen und nicht nur das „Romantische“ in der Natur. Deswegen haben wir auch Strom, Elektrizität, Metall, Maschinen und Autos drinnen. Im Konzept war das relativ leicht – ich habe relativ viele Aspekte in meiner Umgebung gesammelt, und da war schnell klar, dass etwa Industrie rein muss. In der musikalischen Umsetzung selbst habe ich mir schwerer getan, diese urbane und industrielle Seite kreativ einzubauen. Die Natur-Dinge sind mir leichter gefallen, die Tracks sind auch zu erst entstanden, und auch die Ideen zu den Videos sind mir leichter von der Hand gegangen. Aber es war dennoch wichtig im Konzept, das andere auch zu machen. Das ist letztendlich auch passiert. „Autoshred“ war etwa einer der letzten Tracks, wo wir den Prozess, wie ein Auto auf einem Schrottplatz vom ganzen Fahrzeug zu Kleinteilen wird, verarbeitet haben. Das musialisch so umzusetzen, um es sich auch anhören zu wollen, war schwierig und ist natürlich etwas „Industrial“ geworden. Es ist aber auch wichtig, das nicht zu romantisieren und das ganze Bild unserer Umgebung realistisch darzustellen.

subtext.at: Stichwort „Romantisieren“ – Touring und Live-Spielen ist sicher nicht das, was man mit „Environment“ und Umweltschutz assoziiert. Ihr seid mit dem Fahrrad getourt, samt Crew und Equipment – wie schwierig war es auch für euch, das ganze auch hier auf Nachhaltigkeit umzumünzen, auch im Hinblick auf die Planung?
Manu Delago:
Die „Recycling-Tour“ war nicht nur im Rahmen der fünfwöchigen Tour ein Riesenprojekt – insgesamt sind da sicher zweieinhalb Jahre dahintergestanden. Wie du schon sagst – wir haben versucht, möglichst viele gewohnte Dinge aufzubrechen, von Mobilität bis zur Produktion. Auch Ernährung, Abfallproduktion und dergleichen war dabei – eben möglichst viele Aspekte von „Green Touring“. Wir haben da sogar mit Solarpaneelen selbst Strom erzeugt, auch das Publikum motiviert, mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen und dergleichen. Für die jetzige „Environ Me“-Tour haben wir natürlich versucht, möglichst viel daraus zu lernen und mitzunehmen. Wir können jetzt leider nicht alles mit dem Fahrrad machen – 30 Konzerte quer durch Europa in zwei Monaten wäre dann doch nicht möglich – aber wir haben im Rider zumindest vegetarische Kost stehen, und führen auch das „Jausen“-Konzept weiter, das wir bei der letzten Tour hatte, wo uns das Publikum mit Essen versorgen kann und dafür Tickets oder dergleichen bekommen. Dieses Konzept finden wir immer noch sehr nett. Wir versuchen auch Plastik zu reduzieren – man glaubt zwar, dass sich diese Idee bereits durchzusetzen beginnt, wird aber auch immer wieder auch hierzulande negativ überrascht, wenn man etwa in Clubs und Konzerthäusern immer noch in Einwegplastikflaschen Wasser bekommt. Das hat sich in der eigenen Blase dann schon stärker durchgesetzt, als man gemeinhin vielleicht glaubt. Da muss man schon dahinter bleiben, gerade auch in der Musikbranche.

subtext.at: In „klassischeren“ Locations hat es sich dieser Umweltgedanke also noch nicht immer hundertprozentig durchgesetzt – wo siehst du hier die Verantwortung der Artists, hier auch an diesem Umdenken mitzuwirken?
Manu Delago: Ja, eigentlich schon. Oft glaube ich durch mein eigenes Umfeld und durch die Dinge, die ich mitbekomme, dass dieser Gedanke wie oben erwähnt schon stärker vorhanden ist, als er es eigentlich ist. Gerade Betriebe wie Konzerthäuser, die extrem viele Leute erreichen – gerade auch das Publikum – sind hier auch Multiplikatoren. Österreich und Europa sollten hier ja eine Vorreiterrolle haben – gerade auch im Hinblick auf andere Länder, die sich ja am „Westen“ orientieren. Da sollten auch wir Artists mit gutem Beispiel vorangehen.

subtext.at: Zurück zu deiner neuen Platte, „Environ Me“. Die wirkt fast schon wie ein – bildlich gesprochen – „Manifest“. Es scheint auch, als ob du im Vergleich zu Vorgängern dir hier bewusst mehr Zeit gelassen hast. Stimmt das?
Manu Delago:
Zeit ist auf jeden Fall korrekt. Für meine Berufsgruppe war durch den Wegfall des Live-Sektors in den letzten eineinhalb Jahren einfach sehr viel Zeit vorhanden. Was vor allem neu war an dieser Platte, war, dass bei jedem Stück von Anfang an bereits ein Video mitkonzipiert war. Das wurde wirklich gleichzeitig gestaltet – das wäre in Zeiten regelmäßigen Tourings sicher nicht möglich gewesen. Da hätte man „klassisch“ geschaut, wann man die Zeitressourcen findet, um ein paar Wochen ins Studio zu gehen, um ein Album zu machen. Hier war von November bis April Zeit, es war sogar besser, draußen tätig zu sein – weil drinnen treffen schwer möglich war. Das hat sich mit dem Konzept super ergeben – habe also die negativen Nachrichten für mich so genützt, das möglichst Beste daraus zu machen.

subtext.at: Stichwort „das Beste daraus machen“ – dein bislang komplettestes Album?
Manu Delago:
(überlegt) Kann sein, ja. Es war sicher die Platte, wo das Konzept das Klarste war. Meistens kristallisiert sich das Konzept erst während des Schaffens aus vielen parrallelen Strängen heraus – von dem her ist „Environ Me“ sicher das kompletteste. Auch vom Titel her, der sehr einfach ist – und mich sofort „geflasht“ hat. „Environ“ als „umgebe mich“ und „Me“ im Sinne von viel Alleinesein hat da gut gepasst. Ich war etwa in London im Park unterwegs, jeder hielt Abstand zum Nächsten – da war man schon sehr auf sich gestellt. Die Bilder und Sounds sind immer präsenter geworden – das war von Anfang an klar, und deswegen ist hier der „rote Faden“ sicher am Stärksten vorhanden.

subtext.at: Ein Kollege von mir hat zu einem Vorgänger, „Metromonk“, ein Interview geführt, wo du gemeint hast von dir, „dass du immer noch als Hang-Spieler und weniger als Multiinstrumentalist“ gesehen wirst. Wie oft passiert dir das Jahre später noch?
Manu Delago: Auf der letzen Björk-Tour hatte ich beispielsweise keine Hangs mehr dabei, habe aber doch fünf oder sechs Instrumente gespielt. Für mich ist es eigentlich cool, zu sehen, den Job nicht nur zu machen, weil ich das Instrument an sich spielen kann. Und vielleicht auch ungewöhnliche Percussion-Instrumente spiele und einen nicht alltäglich-klassischen Ansatz habe. Es ist schön zu sehen, nicht nur auf ein Instrument reduziert zu sein. Auf „Environ Me“ gibt es ja auch einige Stücke ohne Hang – die sind bei den Favourite Tracks sicher dabei. Es ist cool zu sehen, dass das Schaffen nicht nur an dieser einen Säule hängt und aufgebaut ist.

subtext.at: Ihr tourt jetzt wieder live in klassischerem Setting – was möchtest du im Rahmen dieser Konzerte als „Message“ mitgeben?
Manu Delago:
Die Show ist sicher sehr auf „Gesamtkunstwerk“ ausgelegt – das war schon spannend, auch weil ich zum ersten Mal solo toure und die Show mit Visuals und Co sehr auf Technologie ausgelegt ist. Das Feedback war bisalng umwerfend – fast schon wie das Motto „Prüfung bestanden“ nach eineinhalb Jahren Schaffens. Ich glaube, dass die Show etwas Awareness schaffen soll, um die Welt ein bisschen bewusster wahrzunehmen oder Dinge, die alltäglich sind, auch etwas kreativer zu sehen.

subtext.at: Gibt es etwas auf „Environ Me“, das du im Nachhinein gerne anders gemacht hättest?
Manu Delago:
(überlegt) Es gibt einen Track, „Footsteps“, der ist mit einer Sängerin aufgenommen, Isobel Cope. Den wollten wir auf einem Berggipfel in den Dolomiten namens „Torre Delago“ – übersetzt „Delago-Turm“, benannt nach einem Bergsteiger im 19. Jahrhundert. Wir wollten dort aufnehmen – aufgrund einer Schwangerschaft der Sängerin haben wir das aber um ein Jahr verschoben. Dann haben wir keine Drehgenehmigung bekommen vom dortigen Naturschutz-Referat – den Song haben wir dann letztendlich im Studio aufgenommen. Er fällt vielleicht ein bisschen aus dem Konzept heraus, weil wir es eben nicht so machen konnten wie geplant. Indirekt passt es aber wieder rein – eine Schwangerschaft ist etwas Schönes, und im Text geht es auch um das, was wir mitgeben. Da ist ein Kind genauso Teil davon – und dass wir keine Drehgenehmigung bekommen haben, hat indirekt auch dazu gepasst. Aber um auf die Frage zurückzukommen: wir hätten es wohl nicht anders gemacht, aber es ist halt anders gekommen als gedacht.

subtext.at: Dein Highlight auf der Platte?
Manu Delago:
Sicherlich „Pattern Pulse Popcorn“. Normalerweise ist es so, dass ich meine Musik, sobald ich die Live-Variante erstellt habe, selten höre und die Platte zu einem gewissen Grad bereits „erledigt“ ist, gerade im Hinblick auf die Studioversionen: „Pattern Pulse Popcorn“ höre ich allerdings sehr gerne – gerade, weil ich viel an Kontrolle an die „Popcorn“ als Rhtythmusgeber abgegeben habe. Das sind immerhin 309 „Pops“ – und das amüsiert mich.

Fotos: Christoph Leeb

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.