BEATSTEAKS: „Wir schlagen uns durch wie alle anderen auch“

Groß vorstellen oder ankündigen muss man sie inzwischen nicht mehr. Die Beatsteaks (aus Berlin) haben sich über die Jahre einen hervorragenden Ruf gemacht. Mit Platten wie „Smack Smash“ oder „Living Targets“ haben sie sich eine treue Fangemeinde aufgebaut, und auch als energiegeladene Liveband macht ihnen so schnell niemand etwas vor.

Immer gut aufgelegt, sympathisch und nett – das kann doch nicht immer so sein, oder? Im Interview mit Thomas (Schlagzeug) und Bernd (Gitarre) wird klar, dass auch bei Beatsteaks, die stets vom Erfolg geküsst sind, manchmal der Schuh drückt.

subtext.at: Aus welcher Motivation heraus habt ihr angefangen Musik zu machen?
Thomas Götz: Wegen dem Reichtum natürlich, der damit verbunden ist. Und man braucht nie wieder selber Auto zu fahren. Hat alles geklappt (lacht). Ich habe heute einen Roller, muss also nicht Auto fahren.
Bernd Kurtzke: Und seit Jahren eine Olle an der Backe.
Thomas: Ja, so sagt man es in Berlin. Drogen habe ich natürlich auch konsumiert. Und Alkohol. Wann immer ich einen trinken will… Und Bernd, bei dir?
Bernd: (spricht sehr leise) Wegen dem Spaß an der Sache. Bei mir hätte es auch etwas anderes sein können. Zeichnen oder Angeln oder…
Thomas: Knetfiguren wären bei dir auch bestimmt gegangen.
Bernd: Ja, Knetfiguren anfertigen.

subtext.at: Okay. Könnt ihr das Hauptgefühl eurer Musik benennen?
Thomas: Ich glaube, wir sind in erster Linie selber Fans. Wir hören total gerne und total viel Musik. Wir spielen gerne live, so war es schon immer und auch am Anfang. Das hat sich jetzt nicht verändert. Man kann jetzt nicht plötzlich sein Instrument nicht mehr leiden (lächelt).

subtext.at: Da fällt mir Brian Molko von Placebo ein, der irgendwann mal gemeint hat, dass er seine Gitarre nicht mehr leiden kann.
Thomas: Dann haben sie eine Platte umsonst gemacht.
Bernd: Er soll dann Landschaftsgärtner werden, was weiß ich (grinst).

subtext.at: Begutachtet ihr gerne euren Backkatalog, und wenn ja, in welcher Form macht ihr das?
Thomas: Du meinst unsere älteren Platten, ob wir die gerne begutachten?
Bernd: Ich höre mir unsere CDs nur dann an, wenn ich wissen will, wie ein Song geht. Ansonsten hole ich sie nicht raus, um sie anzuschauen und zu sagen „Boah, wie geil“ oder auch „Wie scheiße“.
Letztendlich sind es nur Momentaufnahmen von diesem Zeitpunkt. (überlegt kurz) Ich mache immer einen Haken hinter einer Platte, wenn sie fertig ist.
Thomas: Dann spielt man die Songs live und da sind sie dann wieder anders. Manchmal ist das krass: Du spielst einen Song live und später, wenn du dir die Platte anhört, denkst du „Das ist ja ganz anders“ (lacht). Es sind vielleicht dieselben Noten, aber irgendwie klingt es nicht gleich. Mal besser, mal schlechter (lächelt).
Bernd: Meistens spielen wir die Stücke zu schnell.
Thomas: Meistens, ja, aber auch nicht immer. Bei „Launched“ denke ich manchmal „Boah, ist die schnell“. So richtig behudelt (lacht).

subtext.at: Kommt es auf eure Tagesverfassung an, wie die Songs auf der Bühne klingen? Hängt es von etwas anderem ab?
Bernd: Es passiert jedenfalls nicht mehr so krass wie früher. Wir sind auch sehr überkritisch irgendwie.
Thomas: Ich kenne das, wenn man auf Konzerte geht, und die Band total geil findet. Dann kommt die Band und sagt „Ah, wir waren nicht so gut. Das war scheiße, und das war scheiße und das auch“. Das sind Sachen, die mögen alle stimmen, für die Band wie auch für uns, wenn wir das nach dem Konzert sagen, aber so im Publikum… Ich merke das jetzt auch nicht so, bei der Band, die ich mir live ansehe, die Fehler. Sie fanden es scheiße, mir war es egal. Ich fand es super. (überlegt) Oder ich fand es scheiße und die fanden es super. Kann auch sein.

subtext.at: Ich habe ein Zitat vom Kameramann Michael Ballhaus gefunden, den ihr vielleicht kennt: „Welcher Beruf ist schon einfach, wenn man den Anspruch hat, ihn sehr gut zu machen.“ Habt ihr laut dieser Definition einen einfachen Job?
Bernd: Laut der Definition haben wir einen ziemlich schweren Job.
Thomas: (überlegt lange) Ich hoffe doch, dass wir einen schweren Job haben, weil wir wollen es ja gut machen (lacht).

subtext.at: „Boombox“ zeigt gut, wo eure Stärken liegen. Das Album ist komprimiert und vielseitig, vereint vieles unter einem Hut, doch wo seht ihr eure Schwächen? Viele Künstler mögen es ja nicht, wenn man über ihre Schwächen redet.
Bernd: Wir auch nicht (lacht). Wir haben beim letzten Album gelernt, einen Song konsequent bis zum Ende zu verfolgen. Nicht zu versuchen, drei oder fünf Songs in einem unterzubringen. Das ist uns schon mal gut gelungen, aber auch da sind wir noch nicht am Ende.
Thomas: Schwächen? Also ich kann nicht von mir behaupten, dass ich ein besonders brillanter Schlagzeuger bin. Das ist nicht goldenes, sondern einfaches Handwerk. Ich kann einem nicht viel beibringen, glaube ich.

subtext.at: Arnim hat gesagt, dass „Boombox“ eure Proberaumplatte sei. Was ist damit genau gemeint?
Bernd: Wir wissen ganz genau, was damit gemeint ist. Die Platte wird den Demos, die wir davor hatten, am ehesten gerecht. Das hört man ihr an.

subtext.at: Vom Sound her?
Bernd: Auch, klar, spielt auch eine Rolle. Aber eher von dem, wie wir die Lieder spielen. Da war keine rote Lampe, die anging, und jetzt wird aufgenommen und alle sind total aufgedreht und machen dann doch alles falsch. War bei uns nicht so und das hört man. Es ist ungezwungener. „Limbo“ war ein schon eher ein Kopfding, so ein Klotz. Bei „Boombox“ ging es recht einfach voran.
Thomas: Es ist auch kein großer Raum zu hören. Es gibt ein Stück, das nicht im Proberaum aufgenommen wurde, man hört gleich einen richtigen Hall, einen großen Raum. Bei allen anderen Stücken hört man, wo sie entstanden sind.

subtext.at: Um welchen Song handelt es sich?
Thomas: „Access Adrenalin“.

subtext.at: Einer meiner Lieblingssongs.
Thomas: War der erste Song, den wir überhaupt aufgenommen haben.

subtext.at: Zusammen mit „Allright“ und „House On Fire“ mein persönliches Trio. Die Songs sind aber auch recht am Ende platziert…
Bernd: Da hat sich das durchhören für dich doch gelohnt.
Thomas: Dankeschön.

subtext.at: Gehört Besessenheit zu einem Musiker dazu?
Bernd: Ja, natürlich. Obsession, oder wie auch immer man es nennen mag.
Thomas: Hoffentlich in jedem Beruf. Wenn man etwas richtig gut machen will, dann gehört das dazu (lacht). Es sei denn, man hat einen scheiß Boss. Wieso sollte ich mich für einen Vollidioten anstrengen, der mit mir Geld verdient?
Bernd: Man muss irgendwie getrieben sein.

subtext.at: Nach außen hin vermittelt ihr ein sehr ausgeglichenes Bild, aber es gibt bestimmt viele, die es sich im Alltag schwerer tun als ihr vielleicht. Habt ihr Tipps parat?
Bernd: Wenn der Druck zu groß wird, sollte man Pause machen. Man sollte auch herauskriegen, warum man dem Druck nicht gewachsen ist. Ein Sachzwang, der einen dazu zwingt? Warum verspürt man einen Druck? Dann sollte man sie beseitigen, die Ursache.

subtext.at: Gab es bei euch solch einen Punkt, an dem der Druck zu groß war und ihr eine Pause machen musstet
Bernd: (sofort) Ja.
Thomas: Zwischen diesem und dem letzten Album haben wir eine größere Pause gemacht.
Bernd: Die ja auch nötig war. Wir waren bei dem Punkt „Was soll denn jetzt eigentlich noch kommen?“
Thomas: Es ist schön, wenn wir ausgeglichen wirken, aber ich weiß von jedem von uns im Stegreif Situationen, wo er nicht mehr klar kam. Vielleicht haben auch wir kein Rezept dafür. Wir schlagen uns durch wie alle anderen auch (lacht). Es gibt so viele Gründe, nicht klar zu kommen, die auch irgendwie verständlich sind.

subtext.at: Mit der Musik habt ihr dann eine Art Hilfe gefunden.
Thomas: Ist auf jeden Fall ein Anker.
Bernd: Es ist ein Ventil, wo du Sachen rauslassen kannst. Ich habe die Gitarre, ich muss nicht einmal Worte benutzen und mich verbal äußern.
Thomas: Ich kann Gewalt ausüben, ohne jemanden schlagen zu müssen (lächelt).

subtext.at: Ich gehört bestimmt nicht zu den Leuten, die sich gerne Honig ums Maul schmieren lassen.
Bernd: Nee, wäre das Schlimmste, was einem passieren kann. Die ehrliche Meinung ist mir lieber als wenn jemand sagt „Hey, wie geil“ und es dann aber nicht so meint. Da haben wir mittlerweile einen gesunden Zweifel entwickelt, wenn Leute auf uns zukommen und uns loben.

subtext.at: Mit dem Song „Cheap Comments“ habt ihr das mehr oder weniger zur Sprache gebracht.
Bernd: Da geht es im Allgemeinen um solche Leute, ja. Die erzählen dir vom Fleck weg, wie toll sie dich finden, obwohl du merkst, dass es nicht ernst gemeint ist. Dann schwafeln sie nur von sich selber. In dem Lied geht es aber nicht nur um uns oder um die Musik, sondern das lässt sich auf ganz viele andere Bereiche anwenden.

subtext.at: Wie oft habt ihr über eure erste Single „Milk & Honey“ gehört, dass sie ein Grower ist?
(beide lachen)
Bernd: Möglicherweise haben die Leute nicht solch einen Song von uns erwartet. Wir kommen mit solch einem Popstück um die Ecke, ist ja ekelhaft! Schnell wird da mal ein Begriff her gezerrt.
Thomas: Bei „Smash Smash“ ging das schon los, da meinten die Leute am Anfang „Na ja, wir haben eigentlich etwas anderes erwartet.“ Und je länger es draußen war, desto besser fanden sie es. Bei „Limbo Messiah“ war das auch so, glaube ich. Manche haben dann die aggressive Platte lieben gelernt und bei der neuen scheint es wieder so zu sein, dass die Leute ein bisschen Zeit brauchen, bis sie es gut finden. „Milk & Honey“ bleibt eigentlich ganz schön hängen, ist ein schöner Ohrwurm.
Bernd: Ich finde es gar nicht schlimm, wenn die Leute im Nachhinein feststellen, dass ihnen das Ding gefällt. Das ist bei ganz vielen Platten so.
Thomas: Pixies sind ein super Beispiel dafür.

subtext.at: Die Bereitschaft, sich eine schwierige Platte anzutun, ist wohl leider gesunken.
Thomas: Auf jeden Fall ist das so. Die Hörgewohnheiten haben sich ein bisschen geändert. Ein Song muss innerhalb von zwanzig Minuten funktionieren, ein Song muss sowieso funktionieren. So geht es schon mal los (lacht). Am besten schon innerhalb von zwanzig Sekunden, sonst ist der nächste dran. Früher hat man Schallplatten durchgehört, dann umgedreht, und noch die zweite Seite angehört.
Bernd: Heute gibt es ja YouTube, da wird auch nicht unbedingt Wert auf Qualität gelegt. Da gibt es Auftritte von Bands, wo der Sound grottenschlecht ist, aber die Leute feiern das ab.
Thomas: Andererseits ist das bei Punk beispielsweise scheiß egal, wie das jetzt klingt – ich mach das jetzt einfach. Mann kann sicher nicht sagen, dass alles scheiße ist. Es ist halt anders.
Bernd: Für die Leute scheint es in Ordnung zu sein. Sie konsumieren Musik, egal auf welchem Weg, da können sie keine schlechten Menschen sein.

Links & Webtips:
beatsteaks.com
facebook.com/beatsteaks
myspace.com/beatsteaks

Foto:
Warner Music

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