Foto: Dominic Riedlecker

Billy Talent: Abriss am Sonntag

„Crisis Of Faith“ – das aktuelle Album von Billy Talent ist Anlass für eine ausgiebige Tour, die die kanadischen Rocker am Sonntag auch nach Linz führte. Was für ein Abriss!

Zugegeben: Wir haben uns gefreut auf diesen Konzertabend. Bis dann in der Redaktion auch die Krankheitswelle losging, und einer nach dem Anderen leider für das Billy-Talent-Konzert absagen musste. An dieser Stelle gute Besserung an die verehrten Kolleg*innen, und danke dafür, dass ich hier „einspringen“ durfte, um Helden meiner Jugend auf der Bühne stehen zu sehen.

Allerdings hätte es auch der Supportact des Abends ohne Weiteres auf den Headliner-Posten geschafft. Konzert #2718 des englischen Spitzbuben Frank Turner samt seinen Sleeping Souls war nämlich der „Support“-Slot des Abends. Ja, ihr habt richtig gelesen, der gute Herr Turner spielte am SUPPORT-Slot. Und hatte eine Wette verloren, dass er das ganze Konzert auf Deutsch moderieren musste. Nunja, sagen wir mal so: wir wissen jetzt, dass es Linz „sehr gut geht“ und dass Frank Turner eines gelernt hat, was in Österreich gut ankommt: Deutsche zu diskreditieren. Musikalisch wurde das Programm auf eine Dreiviertelstunde runtergekürzt, bot aber alles, was Frank Turner auszeichnet: von „Recovery“ am Anfang über „Polaroid Picture“ über „I Still Believe“ und „Four Simple Words“ – Respekt, das alles in der kurzen Zeit so runterzuknüppeln. Circle Pit und Hardcore-Ausflug bei „Non Serviam“ inklusive, und nächstes Jahr samt Sleeping Souls wieder in Linz. Wir sehen uns am SBÄM-Fest!

Danach: Ausflug in die Vergangenheit. Immerhin ist es auch schon fast zwei Jahrzehnte her, als Ben Kowalewicz und Co mit „Billy Talent I“ 2003 ein Album veröffentlichten, das die Karriere einer Band begründen sollte, die auch 2022 nichts an Relevanz eingebüßt hat. Spätestens als „Devil In A Midnight Mass“ das Konzert einleitet, ist das 18 Jahre alte Ich dieses Redakteurs in eine Zeitkapsel gesprungen und fühlt: Glückseligkeit. Da verzeiht man, dass anfangs der Sound im Konzertsaal auch noch nicht das Gelbste vom Ei war – das wurde aber im Laufe des Gigs besser. Die Stimmung im Saal? Bombe, spätestens bei „This Suffering“ und „Afraid of Heights“ am Höhepunkt. Songs des neuen Albums „Crisis of Faith“ werden natürlich ebenfalls eingestreut und reihen sich zwischen „naja“ („End Of Me“) bis „ehganzgut“ („Reckless Paradise“) ein. Dass Herr Kowalewicz den Humor nicht verloren hat, wird ebenfalls deutlich, als er die Sitzplatzbesucher aufs Korn nimmt, wobei er aufgrund seines Alters eh auch gern sitzen würde, oder einen „brand new song“ namens „Fallen Leaves“ ankündigt. Auf Zugaben wird dankenswerterweise verzichtet und „Viking Death March“ und das unermüdliche „Red Flag“ gleich in Einem zum Schluss runtergeknüppelt. „The kids of tomorrow don’t need today, when they live in the sins of yesterday“ – könnte der Slogan einer Klimabewegung sein, war aber ein würdiger Abschluss eines Konzertes einer Band, für die die Posthof-Stage eigentlich zu klein ist. Was für ein Konzertabend!

Foto: Dominic Riedlecker

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.