BRIAN FALLON: „Wenn du auf die Bühne gehst, stellst du einen inneren Schalter um“

Wie heißt es so schön: Ohne Fleiß kein Preis. Die Arbeit kann einen großen Anteil an unserer Zufriedenheit haben. Wenn die Erfüllung jedoch zu stark von der Arbeit abhängt, besteht die Gefahr, zu einem Workaholic zu verkommen. Brian Fallon geht scheinbar voll in seinem Beruf als erfolgreicher Musiker auf.

Im Interview mit subtext.at erzählt der Gaslight Anthem-Sänger von all den Dingen, die ihn glücklich machen. Auch Selbstzweifel spielt dabei eine Rolle. Als Arbeitstier würde er sich auch bezeichnen.

subtext.at: Brian, blicken wir zurück: The Gaslight Anthem, The Horrible Crowes und The Revival Tour – hast du zu viel Zeit oder wie kommt es, dass du an so vielen Stellen aktiv bist?
Brian Fallon: Es haben sich einfach viele gute Möglichkeiten ergeben. Vielleicht wird es eines Tages all diese Chancen nicht mehr geben. Ich tue es lieber jetzt, weil ich es kann. Und ich genieße die Zeit, die ich habe. Speziell die Revival Tour bestreite ich zusammen mit Freunden. Etwas Besseres kann dir eigentlich nicht passieren. Es hat auch etwas mit Wachsen zu tun, weil mir neue Dinge widerfahren und ich neue Sachen lernen kann. Je mehr du als Songwriter übst, umso besser wirst du. Diese Einstellung teile ich. Vielleicht bin ich auch ein bisschen ein Arbeitstier (lacht).

subtext.at: Warum liegt dein Hauptaugenmerk auf der Musik? Kannst du das benennen?
Brian Fallon: Wenn du jemanden fragst, warum er sein Leben der Musik widmet, wird er dir bestimmt sagen, dass er es tun muss, nicht, dass er es tun möchte. Verstehst du? Es ist, als würde dich etwas von innen auffressen. Es muss hinaus. So ticken Musiker. Ich möchte wirklich tolle Songs schreiben. Sie sollen die Leute berühren. Das passiert nicht einfach so, sondern du musst daran arbeiten.

subtext.at: Geht es darum, etwas nachvollziehen zu können?
Brian Fallon: Ja, schon. All das Künstlerische ist ein Ausdruck des Individuums. Jede Interpretationen kann richtig sein. Am besten denkst du nicht darüber nach, wie andere Leute reagieren oder welche Meinung sie dazu haben werden. Hoffentlich ist es ein reiner Ausdruck, der dann andere Personen berührt. Es ist schwierig, weil du Kunst schwer definieren kannst. Auch das Reden darüber ist eine schwierige Angelegenheit. Es ist, was es ist. Wenn mich Leute fragen, ob ich meine Musik beschreiben und erläutern könnte, dann sage ich ihnen, dass ich das nicht mehr mache. Es liegt nicht an mir, die Dinge zu benennen, ihnen einen Namen zu geben. Es fällt mir auch wahnsinnig schwer, darüber zu sprechen.

subtext.at: Ist es schwer, sich Songs zu erarbeiten?
Brian Fallon: Manchmal. Es ist so, dass du die Songs nahezu greifen kannst, sie kreisen über deinem Kopf. Sie sind immer und überall, sie warten nur darauf, bis jemand kommt und sie niederschreibt. Du musst ihnen nicht nachjagen, du musst sie nur fangen.

subtext.at: Im richtigen Moment zuschnappen.
Brian Fallon: Hoffentlich.

subtext.at: Wie sieht mit Selbstzweifeln aus? Hast du die?
Brian Fallon: Jederzeit. Jeden Tag. Es ist schwierig, weil die Messlatte, die ich mir selbst auferlegt habe, höher ist als die von den Magazinen, dem Label, dem Produzenten oder dem Fan. Ich weiß nicht, ob ich dazu in der Lage bin, das meine Ziele erreichen. Ich gebe mein Bestes (lächelt).

subtext.at: Gibt dir der Erfolg nicht recht? Erleichtert es nicht deine Situation?
Brian Fallon: Eigentlich wird es dadurch noch schwerer. Mir ist es nie in den Sinn gekommen, dass wir mal Erfolg mit unserer Musik haben werden. Jetzt, wo ich weiß, dass Leute wie Eddie Vedder oder Bruce Springsteen meine Platten kaufen…

subtext.at: Fühlt es sich surreal an?
Brian Fallon: Genau. Es gibt tausende von Kids, denen wir etwas bedeuten. Ich will sie nicht im Stich lassen. (überlegt) Bei den Horrible Crowes gibt es diesen Druck nicht, weil es eben eine neue Band ist. Keiner wusste, was zu erwarten war. Bei Gaslight erwarten die Leute immer etwas ganz Bestimmtes. Was das sein soll, tja, da habe ich keine Ahnung (lacht).

subtext.at: Du hast es also bemerkt und wahrgenommen, dass sich die Dinge um dich herum verändert haben.
Brian Fallon: Klar. Mit jeder neuen Platte gehst du ein Stück weiter. Gleichzeitig nimmt der Druck zu (lacht).

subtext.at: Wenn mich in letzter Zeit jemand nach einem Frontmann mit Selbstvertrauen und Charisma gefragt hätte – du wärst mir als erstes eingefallen.
Brian Fallon: Vielen Dank.

subtext.at: Ist die Fähigkeit angeboren, die Leute unterhalten zu können oder hat es mit Erfahrung zu tun?
Brian Fallon: Wenn du auf die Bühne gehst, stellst du einen inneren Schalter um. Du wirst nicht zu einer anderen Person, aber es kommt dieser junge Typ aus dir heraus, der vor dem Spiegel in Unterwäsche steht und Angus Young nachahmt (lacht). Es ist wie bei Superman, der eine Telefonzelle aufsucht. Für den Rest des Tages ist er aber nur Clark Kent.

subtext.at: Und wie ist „Elsie“ konkret entstanden, das Debüt der Horrible Crowes?
Brian Fallon: Die Platte ist eigentlich ganz spontan entstanden. Ian Perkins und ich haben im Tourbus gejammt und dann sind auch schon diese Songs entstanden Wir fanden sie so gut, dass wir eine Platte machen mussten. Wir haben aber keine Demos gemacht oder ähnliches.

subtext.at: Die Platte ist offensiv romantisch. Warum?
Brian Fallon: Es die Perspektive eines 31-Jährigen, der aus der Sicht einen 17-Jährigen schreibt. Ich habe mich daran erinnert, wie es mit 17, 18 und 20 war. Es gibt viel Naivität und Idealismus in den Texten. Wissen und Weisheit kommen erst später, wenn du älter bist. Die Platte glaubt dementsprechend an all diese Sachen: An Romantik und an Liebe. Es ist alles so, wie es sein sollte. – eine schwarz-weiße Sichtweise. Natürlich bleibt es nicht dabei, es relativiert sich alles im Leben.

subtext.at: Verändert sich auch die Sicht auf die Musik?
Brian Fallon: Ich bin mir nicht sicher. Bedauerlicherweise stumpfst du ein bisschen ab, was das angeht. Wenige Dinge versetzten dich noch in Aufregung, weil du schon so viel kennst. Das ist schon hart.

subtext.at: Wie hast du es gelernt, deiner Kreativität freien Lauf zu lassen und sie abzurufen?
Brian Fallon: Ich habe früher gezeichnet und gemalt, aber damit war ich nicht zufrieden. Meine Eltern haben mich dann dazu überredet, es mit einem Instrument zu versuchen. Besonders meine Mutter, weil sie Gitarrenlehrerin und Sängerin war. Ich sollte es doch einmal versuchen, sechs Monate lang, egal was. Sie haben gedacht, dass es mein Leben bereichern würde. Ich könnte es nach den sechs Monaten wieder sein lassen, wenn es mir nicht gefällt. Zuerst wollte ich Schlagzeug spielen, doch wir lebten in einem Apartment, also fiel das weg. Danach kam die Gitarre. Ich nahm Unterricht bei zwei, drei Musiklehrern. Einer davon war Tim Fogerty. Er und ich waren auf der gleichen Wellenlänge, es war unglaublich. Er stand auf AC/DC und Guns’n’Roses und rauchte Zigaretten. Er fragte mich, was ich lernen wollte. Ich sagte ihm Songs von Pearl Jam und Guns’n’Roses. Alle anderen wollten mir stets irgendwelche Akkordfolgen beibringen. Ich war schon so angeödet. Er sagte „OK, mach mir ein Tape mit den Songs, die du lernen möchtest“. Ich blieb dann 15 Jahre mit ihm in Kontakt und er hat mir alles beigebracht, was ich heute weiß.

subtext.at: Eine Story wie bei „School Of Rock“.
Brian Fallon: Yeah, eigentlich schon. Er war mein Jack Black (lacht).

subtext.at: Hat das Album an sich noch eine Daseinsberechtigung oder ist eine antiquierte Angelegenheit?
Brian Fallon: Für manche Leute ist es inzwischen bestimmt so, aber nicht für mich. Ich schreibe Alben, keine Singles. Meine Projekte haben immer einen Anfang und ein Ende. Bei Gaslight fragen wir uns immer „Klingt das wie Track vier?“ Wir machen immer eine Liste und reihen dann die Lieder. Zum Glück haben wir Fans, die sich die Alben anhören und nicht nur die Singles. Ich kann nicht die Art von Songs schreiben, wie es Katy Perry, Lady GaGa oder Jessie J tun. Das was sie tun, machen sie sehr gut, aber ich kann es nicht. Beyonce finde ich toll, aber ich kann nicht mit ihr wetteifern. In der Welt, in der sie sich befindet, kann ich nicht leben. (überlegt kurz) Hoffentlich werden die Leute es respektieren, dass wir diesen Background haben und so ticken. Bruce Springsteen und Bob Dylan haben mich da auch sehr beeinflusst. Bei ihnen ging es nie um Hits.

subtext.at: Für dich kommt es also nicht in Frage Songs für andere Leute zu schreiben?
Brian Fallon: Doch, das mache ich manchmal. Wenn jemand auf mich zukommt und sagt, dass er einen Reggae-Song haben möchte, dann kann ich ihm etwas in der Art vorspielen. Das ist für mich leicht, weil es nicht mit mir in Verbindung steht oder mit dem, was ich selbst ausdrücken möchte.

Links & Webtips:
gaslightanthem.com
thehorriblecrowes.com
therevivaltour.com

Foto: Jayme Thornton

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