Foto: Christoph Leeb / subtext.at

SBÄM Fest 4: Punkrock-Mekka Tschickbude

Back with a Bang! Nach zwei Jahren (you know why) SBÄM-Fest-Pause – die letztjährige Halloweenparty ausgenommen – meldete sich das österreichische Punk Rock Event der Extraklasse heuer wieder lautstark zurück. An zwei Festivaltagen wurde die Linzer Tabakfabrik von tausenden Genreanhänger:innen und internationalen Aushängeschildern der Drei-Akkord-Mukke bevölkert. Trotz einiger Wachstumsschmerzen wurde es wahrlich ein Fest, über das man in der Stahlstadt wahrscheinlich noch lange reden wird.

GEI Timelkam, Alter Schlachthof Wels, Tabakfabrik Linz – Ähnlich rasant wie Stefan Behams Ruf als international gefragter Illustrator von Plattencovern, Postern und Shirts ist auch sein Label SBÄM Records und das zugehörige Festival seit der ersten Ausgabe 2017 gewachsen. Wahrscheinlich mindestens 10 mal so viele Besucher:innen pilgerten zum SBÄM Fest 4 um Bands um Heroen wie den Dropkick Murphys, Wizo, Millencolin, Descendents oder Donots zu lauschen. Dazu tummelten sich auf dem Gelände zwischen Open Air Bühne und Lösehalle unzählige kulinarische Sehenswürdigkeiten, ein herausragendes Skate-Ensemble (inklusive Legende Steve Caballero) in der Halfpipe, Tattoo Artists, ein Barber Shop, unzählige Merchstände und natürlich gab es auch eine Art Show mit lokalen und internationalen Grafikkünstler:innen zu bestaunen. Volles Rahmenprogramm: Check! Aber immer schön der Reihe nach…

Tag 1

Eröffnet wurde das Festival am Samstag zur Mittagszeit von bekannten Qlash-Gesichtern: Die Partie brachten ihren tanzbaren, schrulligen Indie Rock auf die „Factory Stage“ in der Lösehalle. Weiter ging es mit einem abwechslungsreichen Reigen an heimischen und internationalen Acts aus dem SBÄM Roster wie The Dead Krazukies (FRA), The Rumperts (Meidling) und Roughneck Riot (UK). We Blame The Empire fielen dann mit gänzlich anderen Tönen auf. Von Fremdkörpern auf dem Punkrock-Fest konnte dabei aber keine Rede sein. Die Vöcklabrucker Metalcore Band vermochte es, den Moshpit erstmalig in Wallung zu versetzen. Spannend dann auch das während der Pandemie gegründete Projekt Urethane mit Skatelegende Steve Caballero an der Gitarre, die sich ordentlich ins Zeug legten, aber eher mit der durch die Nachmittagshitze induzierten Trägheit zu kämpfen hatten. Einen kurzen Regenguss und ein Bloodsucking Zombies From Outer Space Konzert später war diese Trägheit aber schon wieder wie weggeblasen. Die Zombies lieferten ein erstes Feuerwerk mit viel Stimmung, Rauchschwaden und Cover-Medleys. Chaser brauchten für eine bummvolle Indoor Stage nur ihren Orange County Skate Punk und dürften ob der Menge an Shirts und Caps mit ihrem Bandnamen drauf ordentlich Eindruck bei der Festivalcrowd hinterlassen haben. Bei The Von Tramps standen dann Rockabilly meets Punk, Singalongs und riesige Wasserbälle im Fokus – Allesamt Wunderwaffen in Sachen Publikumsinteraktion.

Bumm! …Und dann stehen da plötzlich die Descendents mitten in Linz auf der Bühne und du denkst dir einfach nur: „Das kann jetzt fast nicht wahr sein.“ Aber Milo, Bill & Co. waren tatsächlich da und hatten so richtig Bock auf die Veranstaltung, was sich in einer knackigen Ansammlung aus Hits (und Witzen) aus über 40 Jahren Bandgeschichte äußerte. Ohne die Descendents gäbe es höchstwahrscheinlich auch die Band nicht, die kurz danach auf der Monster Open Air Stage stand: Millencolin. Die Band aus dem schwedischen Örebro hat sich mittlerweile ihren ganz eigenen Kultstatus (allen voran in der Generation Tony Hawk’s Pro Skater 2) erarbeitet und kann auf einen zünftigen Hit-Katalog um „Fox“, „Penguins & Polarbears“ und natürlich „No Cigar“ zurückblicken. In dieser Ausgelassenheit und Spielfreude sorgten Band und Publikum mit Sicherheit für eines der Highlight-Konzerte des Wochenendes. Hoch war der „Bistdudeppad“-Faktor dann auch nochmal beim Wizo. Zum ersten Mal seit einem Gastspiel in der Stadtwerkstatt anno 1994, wie Sänger und Gitarrist Axel Kurth erzählte, gastierten die antifaschistischen Deutschpunk-Koryphäen in Linz. Ein kleines bisschen surreal und damit absolut passend für die gesamte Veranstaltung. Von „Ganz klar gegen Nazis“ bis „die letzte Sau“ wurde es ein nostalgisch bis politischer Ausflug in die 90er Jahre – inklusive Wahrwerbung für Dr. Marco Pogo als nächsten Bundespräsidenten.

Wer danach noch stehen konnte, der/die konnte im Anschluss noch bei den fantastischen Venomous Pinks und A Wilhelm Scream den einen oder anderen Stagedive einlegen und bis in die frühen Morgenstunden mit NOFX-Gitarrist Eric Melvin abstürzen.






Tag 2

Wie viele arme Seelen nach der After Party mit Eric Melvin tatsächlich um diese Zeit schon wieder auf der Matte standen, das ist wohl stoff für Legenden, aber auch an Festivaltag Nr. 2 ging es bereits ab Mittag wieder rund. Dieses Mal hatten die Linzer Cvntiside das Vergnügen den punkigen „Frühschoppen“ zu eröffnen. Danach gab es ein Wiedersehen mit MakeWar, die schon 2020 als Warm-Up für das Festival in der Stadtwerkstatt spielten – nun fanden sie sich ob der zweijährigen Verschiebung auch am SBÄM Fest selbst wieder. Weiter ging es mit Pop Punk im Stil der 90s von den talentierten Gmundnern Mudfight, gefolgt von einem bayrisch (Swallow’s Rose) kalifornischem (Victory Kid) Wechselspiel. Get Dead und ihre räudige Melange aus Skatepunk, Ska und der kontinuierlich am heisersten klingenden Stimme des Festivals lieferten dann noch mehr California-Feeling in der brütenden Nachmittagshitze – Passend dazu gabs gleich im Anschluss die Kollegen Love Equals Death auf der Indoor-Bühne zu sehen.

Die Donots feierten heuer ihr zweites Gastspiel am SBÄM Fest, nachdem sie bereits 2018 im Welser Schlachthof mit dabei waren. Auch Ingo, Guido & Co. merkte man keinen Rost auf den Knoch an, nachdem sie sich schon mit einer Stadiontour mit den Toten Hosen und den Ärzten aufgewärmt hatten. Die Münsterer Band gab sich als Anheizer par excellence mit einem deutsch-englischen Best Of und lockte die allerjüngsten im Publikum dicht vor und sogar auf die Bühne – Punk Rock is a Family.






Das Aufwärmprogramm für die Tanzbeine von Russkaja und der bandgewordene Moshpit-Beschleuniger Authority Zero trieben das Publikum anschließend weiter in Richtung Betriebstemperatur vor dem Finale.

Pennywise hinterlassen ihre Fußabdrücke nunmehr auch seit über 30 Jahren auf den Bühnen der Welt und ist wahrscheinlich neben Bad Religion eine der kommerziell erfolgreichsten Bands denen nie „Sellout“-Rufe hinterherhallten und die eigentlich immer absolut solide abliefern. Hier wurden bei „Fuck Authority“, einer Coverversion von „Stand By Me“ und natürlich der abschließenden „Bro Hymn“ auch die Stimmbänder der SBÄM Crowd ordentlich in Anspruch genommen, damit auch alle auf ihre Kosten kamen. Dann wurde es Zeit für die Headliner des zweiten Tages: Dropkick Murphys. Es ist schon ein bisschen irre, die Murphys in diesem Setting zu sehen. Normalerweise füllen sie ein Gelände wie das in der Tabakfabrik schon alleine. Hier gab es einfach ein 30 Bands umfassendes Begleitprogramm oben drauf. Da konnte man wahrlich nicht meckern – klarerweise auch nicht bei dem was die Herren aus Boston auf die Bühne zauberten. Von „The Boys Are Back“ und „The State Of Massachusets“ über ein Cover von Woodie Guthrie (dem die Band im Herbst ein ganzes Album als Homage widmen wird) und natürlich „Shipping Up To Boston“ und „Rose Tattoo“ spielte das Programm wirklich alle Stückeln, sodass man fast nicht umhin kommt diese Show als absolutes Highlight des letzten Tages zu bezeichnen.

…But wait, there is more! Auch wenn viele ob des Wochentages dann schon die Heimreise antraten, gab es auch am Sonntag bis spät in die Nacht noch Grund zu feiern. Auf der Factory Stage ging es mit den Bridge City Sinner, No Fun At All, den Mad Caddies und einem weiteren Eric Melvin DJ-Set bis 2 Uhr morgens noch ans Eingemachte.



FAZIT

Klassentreffen-Feeling und ein wirklich arges Line-Up aus der halben Punk Rock Welt – bei dem dieses Mal auch vermehrt auf mehr Diversität geachtet wurde, was sich laut Ankündigung in den nächsten Jahren auch bei den auf SBÄM Records gesignten Bands noch stärker auswirken soll. Dazu machte die Tabakfabrik als Festivalareal eine hervorragende Figur. Das Gebotene Programm war an diesem Wochenende absolut großartig. Rundherum gab es aber natürlich einige angesprochene Kinderkrankheiten, was nach zwei Jahren Festivalpause, deutlich größeren Ambitionen und einem komplett neuen Gelände irgendwo auch absolut nicht verwunderlich ist. Hier muss man der Crew trotz Personalengpässen und einigen Last Minute Herausforderungen ein großes Lob aussprechen. Sie werden in der vergangenen Woche sehr viel Schlaf aufholen haben müssen. Ein bisschen ein Fragezeichen hinterlässt auch der Frage, wie es denn möglich sein kann, dass dieses Festival mit so einem Paket an internationalen Kapazunder-Bands doch deutlich von der „Sold Out“-Marke entfernt geblieben ist. Dennoch muss man sich hier in Erinnerung rufen, dass wir hier gerade live miterleben wie aus einem kleinen Club-Festival ein ausgewachsenes Open Air wird und es macht uns auch irgendwo ein bisschen stolz, diesen Prozess als Magazin von Beginn an miterlebt zu haben. Wir sagen „Danke SBÄM Fest!“ und hoffentlich bis 2023.

Fotos: Christoph Leeb, Andreas Wörister, Markus Wetzlmayr

Schreibt Albumrezensionen, Konzertberichte und führt gerne Interviews - transkribieren tut er diese aber weniger gern. Immer wieder auch für Blödsinnigkeiten abseits seines Kerngebiets "Musik" zu haben. Hosted einmal monatlich die Sendung "Subtext on Air" auf Radio FRO, ist bei mehreren Kulturinitiativen und in einer Band aktiv.