Dry The River: „Wir sind keine melancholischen Leute“

Dry The River gelten aktuell als eine der angesagtesten Folk-Rock-Bands. Mit ihrem Album „Shallow Bed“ laufen sie auf Heavy Rotation, auf vielen Festivals sind sie Stammgast, und touren seit Jahren mit imponierender Regelmäßigkeit. subtext.at hat Leadsänger Peter Little und Bassist Scott Miller zum Interview getroffen.

Dabei reden die zwei gut aufgelegten Briten über die Mängel im Vergleich zu Dream Theater, Notlandungen in Neufundland und das besondere Feeling auf Festivals.

subtext.at: Die erste Frage, die ihr gerne beantworten möchtet?
Peter Little: Hmm, erm, was ich zum Frühstück hatte?
Scott Miller: Stimmt, was hast du eigentlich gegessen?
Peter Little: Nichts, ich bin aufgewacht, und dann im Van gleich wieder eingeschlafen.

subtext.at: Also habt ihr den ganzen Tag hungern müssen?
Scott Miller: Naja, ich hab zum Frühstück Pommes und Milchshake gehabt. Nur das beste also (lacht).

subtext.at: Wenn ich an Dry the River denke, fallen mir als erstes epische Arrangements ein. Würdet ihr dem Begriff „episch“ zustimmen?
Scott Miller: Auf der Platte schon, ja. Wir versuchten da auch, das „groß“ anzulegen.
Peter Little: Peter Katis (der Producer, Anm.) hatte da eine Riesenauswahl an Instrumenten in seinem Studio. Was hast du da nochmal gespielt?
Scott Miller: Ein Vibrophon, glaub ich. Daneben gabs noch einen Haufen Keyboards und Synthesizers – und natürlich die ganzen Streicher, Violinen, Viola, Brass und so weiter.

subtext.at: Die Live-Shows sind also eine reduzierte Variante des Albums?
Peter Little: Ja, schon. Da haben wir aber mehr Gitarreneinsatz, die Drums sind lauter, und es rockt mehr (lacht).
Scott Miller: Das Album ist eher orchestral angelegt, die Liveshow ist eher in Richtung einer klassischen Rock-Show, wo wir auf der Bühne herumspringen und extra lauten Gitarren.

subtext.at:  Eine lustige Aussage, die ich mal in einer eurer Konzertreview gelesen habe: „Dry the River klingen wie Dream Theater, nur ohne die harten Elemente“. Könnt ihr euch dem anschließen?
(beide lachen) Peter Little: Oh, das ist cool, das mag ich. Dream Theater ist ja eine unserer Lieblingsbands. Scott wird da gleich ins Schwärmen kommen.
Scott Miller: Ich fange nicht an, sonst dauert das ewig! Aber ja, ganz weit hergeholt ist das nicht.

subtext.at: Also Dry The River als softe Version von Dream Theater?
Peter Little: Die Folk-Version vielleicht. Kling doch gut: Die Folk-Rock-Version von Dream Theater.
Scott Miller: Ich gebs ja zu – wir wollen wie Dream Theater sein, sind dafür aber zu schlechte Musiker. Wannabee-Dream-Theater sozusagen.

subtext.at: Die Melancholie ist ein Thema, das sich durch einen großen Teil der aktuellen Alben zieht. Warum zieht sich das in den letzten Jahren eurer Meinung nach verstärkt durch?
Peter Little: Es ist komisch – bei uns ist das ja definitiv, zumindest in einem Teil unserer Songs, genauso. Ich weiß es nicht genau, es kommt einfach raus, dass die Songs melancholisch werden. Wir sind ja sonst ganz lustige Leute und müssen gerade nicht unsere Probleme in den Songs verarbeiten.
Scott Miller: Es kommt dann immer so rüber, als ob wir alles sehr, sehr ernst nehmen würden. Das tun wir aber wirklich nicht – wir sind keine melancholischen Leute.

subtext.at: Auch die großen Alternative-Bands gehen verstärkt in diese Richtung. Sind das dann melancholische Leute?
Peter Little: Ich glaube, dass das einfach die Songs sind, mit denen sich die meisten Leute identifizieren können, weil der Großteil selbst schon mal sowas durchgemacht hat.
Scott Miller: Es klingt einfach besser, über etwas „Gehaltvolles“ zu singen, als etwa über Pflanzen.
Peter Little: Für mich war es einfach immer leichter, über emotionale Dinge zu schreiben.

subtext.at: Neil Hannon von „The Devine Comedy“ ist da zum Beispiel ganz anderer Meinung. Der schreibt lieber über Architektur, Strukturen und solche Dinge. Es gibt also auch das genaue Gegenteil zu euch?
Peter Little: Der ist schon so lange dabei – mir wird wahrscheinlich auch mal langweilig, wenn ich ewig über Emotionen schreiben muss.
Scott Miller: Frag uns das dann bei unserem dritten Album nochmals! (lacht)
Peter Little: Da schreiben wir dann auch über Gebäude wahrscheinlich (lacht).
Scott Miller: Stimmt, das wird dann ein ganz stranges Konzeptalbum!

subtext.at: Bleiben wir aber mal bei euren Songs. Peter, du schreibst ja alle Lyrics bei Dry The River. Provokant gefragt: geht das den anderen nicht manchmal auf die Nerven?
(Scott lacht im Hintergrund) Peter Little: Nicht unbedingt, glaube ich. Das haben wir uns am Anfang ausgemacht, und das passt schon so. Dry The River ist ja nicht mein Soloprojekt mit einer Backing Band. Als wir die ersten Demos aufgenommen haben, hat das auch als Band von Anfang an funktioniert, obwohl ich die Tracks geschrieben habe. Ich schreibe die Melodien und die Lyrics, und den Rest schreiben dann die Anderen für ihre Instrumente.
Scott Miller: Ich glaub ja, dass der einzige Grund der ist, dass wir alle, außer Peter, einfach keine guten Songwriter sind. Es braucht jemanden, der einfach mal etwas macht und vorantreibt – sonst kriegst du nie etwas weiter.

subtext.at: Das erste Mal live habe ich euch am Frequency Festival 2012 gesehen, gleich nach den Maccabees. Musikalisch grundverschieden – und trotzdem hat es funktioniert. Warum funktionieren gerade langsamere Acoustic-Nummern auf Festivals genauso gut oder noch besser als in Clubs?
Scott Miller: Leute auf Festivals sind sowieso immer anders. Man kann ja nicht drei Tage lang nur Vollgas geben…
Peter Little: Kann man schon!
Scott Miller: Und dann kommen wir, und holen die Leute wieder runter.
Peter Little: Es kommt darauf an, wie gut du on stage bist. Wir hüpfen ja trotzdem herum und interagieren mit dem Publikum – wenn du das kannst, geht das auch mit Musik wie unserer.
Scott Miller: Wir versuchen natürlich, die Show so unterhaltsam als möglich zu gestalten und nicht nur rumzustehen.
Peter Little: Fleet Foxes haben genauso live funktioniert, auch bei ruhigeren Nummern. Es kommt meiner Meinung nach wirklich darauf an, ob du auf der Bühne selber gut bist oder nicht.

subtext.at: Kommen wir zu „Shallow Bed“, eurem Album. Habt ihr den Druck gespürt, endlich ein Album herausbringen zu müssen?
Peter Little: Wir haben glaube ich eineinhalb Jahre vor der Veröffentlichung gemerkt, wie lächerlich das eigentlich ist, eine Full-Time-Band auf Tour zu sein, 150 Shows zu spielen, und nicht mal eine Veröffentlichung zu haben. Wir haben aber einfach so viel gespielt, dass wir einfach nicht dazu gekommen sind.

subtext.at: Das ist also auch der Grund, warum es zum Beispiel keine EP gab?
Peter Little: Einige Singles hats gegeben vorher, ja.
Scott Miller: Wir haben am Anfang selbstgemachte – handverpackte – EPs auf unseren Shows verkauft. Und ein kleines Vinyl-Release. Aber seit das Album da ist, ist das natürlich was ganz anders. Die Leute kennen die Songs, können sie am Album hören und dann bei die Live-Konzerten mit singen. Das ist auch das, was ich selber von Anfang an gewollt habe. Wir haben also schon gewusst, das endlich machen zu müssen. Hat eine Zeit lang gedauert, aber immerhin!

subtext.at: Bitte einen Grund, das Album NICHT zu hören.
Peter Little: Wenn du depressive Musik nicht magst. Dann definitiv nicht.
Scott Miller: Wenn du zum Beispiel gerade mit deiner Freundin Schluss gemacht hast, ist das Album vielleicht keine gute Idee. Könnte nach hinten losgehen.

subtext.at: Gehen wir mal weg aus dieser traurigen Schiene. Peter, du hast früher ja unter anderem auch in Hardrock- und Punkbands gespielt. Wie schwer war da der Übergang zu Dry The River?
Peter Little: Ich war in melancholischen Hardcore-Bands (lacht). Wir spielen ja noch immer als Rockband. Live ist nicht der ganz große Unterschied.
Scott Miller: Am Anfang habe ich mir immer eingebildet, etwas ganz anders auf der Bühne machen zu müssen, einfach weil die Songs eher folky und ruhiger daherkommen. In einer Punkband springst du einfach nur herum, und ich hab geglaubt, einfach nur still dastehen zu müssen. Das ist dann aber doch ganz schnell sehr langweilig geworden. Seither springe ich wieder herum, und seither geht’s auch wieder besser.

subtext.at: Ihr habt auch das Studium hingeschmissen, um Musik zu machen. War die Musik also quasi ein „Unfall“, der zu eurem Hauptberuf geworden ist?
Scott Miller: Vielleicht. Ein Hobby war es natürlich schon immer, seit ich mit 10 angefangen zu haben. Ich hab auch nie geglaubt, das hauptberuflich zu machen. Dann hab ich ganz normal gearbeitet, und auf einmal bin ich dann bei der Musik hängen geblieben und mache das seither.
Peter Little: Gerechnet hat glaube ich keiner von uns damit, das hauptberuflich zu betreiben. Das war zu optimistisch. Gewusst haben wir aber immer, dass wir es machen werden, wenn sich die Gelegenheit bietet. Ich habe ein halbes Medizinstudium hingeschmissen. Diese Möglichkeiten kommen einfach nicht oft – und ich würde es wahrscheinlich ewig bereuen, wenn ich sie nicht ergriffen hätte.

subtext.at: Euer Auftritt in Linz lief unter dem Motto „The next big thing“. Habt ihr also den Zahn der Zeit genau getroffen?
Peter Little: Weiß ich nicht. Das sagen die Leute schon seit drei Jahren, und wir sind da noch immer nicht. Ich glaube aber nicht, dass wir DAS große Ding sind.
Scott Miller: Ich hoffe ja doch.
Peter Little: Die Leute sagen ja immer: „Je länger es dauert, hochzukommen, desto länger dauert dann auch der Fall wieder“. Das sind dann wir. Es gibt einen Haufen Bands, die in die Höhe schießen und dann wieder in der Versenkung verschwinden. Ich glaube, dass es unser Vorteil ist, durch kleine Clubs in England getourt zu sein, noch bevor je ein Label gehabt zu haben. Das haben wir monatelang gemacht – andere hätten vielleicht vorher ein Album veröffentlicht. Mittlerweile haben wir mehr als 400 Shows absolviert – das prägt.
Scott Miller: Wenn du dann Venues ausverkaufst, denkst du vielleicht, das „Next Big Thing“ zu sein. Am nächsten Tag aber vielleicht wärst du dann pleite. Wir leben aber genauso wie vorher, haben auch keinen Nightliner und fahren selber im Van herum. Genauso wie du auf einmal ein Video von dir im Fernsehen siehst – und am nächsten Tag kommen dann 30 Leute zu deiner Show. Es ist wie eine Achterbahnfahrt.
Peter Little: Wir sind in der Mitte, glaube ich. Von 100 Leuten zu 10000 Leuten ist alles dabei. Wir kennen also beide Seiten.

subtext.at: Kein Interview ohne Anekdote. Das verrückteste, was euch auf Tour passiert ist?
Peter Little: Das Verrückteste? Wir sind nach von New York nach Dublin geflogen, gemeinsam mit 50 Cent im selben Flugzeug, als uns der Captain mitten in der Nacht mitgeteilt hat, dass wir eine Notlandung machen müssten, weil jemand einen Herzinfarkt hatte. Also sind wir in Neufundland gelandet – abgelegener glaube ich geht es nicht mehr, als auf dieser Militärbasis. Wir sind also im Flugzeug geblieben. 50 Cent ist also zuerst, umringt von privaten Securities und in einem privaten Bereich, ausgestiegen.
Scott Miller: Da waren wir sogar mal richtig neidisch.

subtext.at: Ein Album, das ihr totgehört habt?
Peter Little: Einen ganzen Haufen. Arcade Fires „Funeral“ – ganz schlimm.
Scott Miller: Biffy Clyros „Vertical Bliss“. Halte ich zur Zeit gar nicht aus.

Links und Webtipps:

Foto: Christoph Thorwartl

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.