Vortrag Afghanistan: Was bleibt von internationaler Intervention?
Mit dem Staat Afghanistan werden- speziell durch die Medien- vor allem negativ behaftete Begriffe wie die Taliban, eine brisante Sicherheitslage, Selbstmordattentate oder Verletzungen der Frauen- und Menschenrechte verbunden. Dr. Oskar Lehner, der selbst bei einer Wahlbehörde im Land arbeitet, hielt am 3.5.2013 auf der Linzer Johannes- Kepler- Universität einen Vortrag über geschichtliche Hintergründe, den Einfluss internationaler Truppen wie der NATO, die aktuelle Situation und mögliche Zukunft des Staates.
Vorherrschend war bis zum 8./10. Jahrhundert der Buddhismus, welcher schließlich vom Islam abgelöst wurde. Im 18. Jahrhundert war Afghanistan ein Königreich, bis es 1973 zum Sturz der Monarchie kam. Dazwischen fanden Anglo- Afghanische Kriege statt. Im Dezember 1978 kam es zur Sowjetischen Invasion, welche bis zum Abzug der Truppen 1989 und zum Sturz des Regimes 1992 andauerte. Bis 1996 tobte ein Bürgerkrieg, nach dem die Taliban an die Macht kamen, welche sie bis 2001 inne hatten. Seit diesem Zeitpunkt ist nun die sogenannte Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe, kurz ISAF, unter der Führung der NATO in Afghanistan. 2003 wurde eine neue, eher westlich orientiere Verfassung eingeführt, 2004/2005 wurden Präsidentschafts-und Parlamentswahlen durchgeführt. Für Ende 2014 ist der Abzug der NATO Truppen geplant.
Rechtliches & Politisches
Soweit die Fakten, leider ist die Umsetzung der demokratischen Verfassung laut Lehner ein ganz anderer Aspekt und steht vielmals den Stammesrechten, wie dem Verkauf von Kindern zur Tilgung von Schulden, oder der Sharia, dem religiösen Gesetz des Islam, gegenüber. In der Verfassung seien zwar die Gewaltenteilung oder Menschenrechte (einschließlich Frauenrechte, dem Wahlrecht, etc.) eingeschlossen, allerdings sind diese wiederum konträr zur Sharia, welche vor Gericht beispielsweise genauso herangezogen wird. Schließlich spricht Lehner auch von einer Zentralisierung der Macht bei Präsident Karzai: Um Straßen zu bauen oder hohe Berufspositionen zu erhalten, sei es notwendig, diesen irgendwie zu unterstützen. Afghanistan ist weltweit einer der drei Staaten mit der höchsten Korruption. Ein Sprichwort besagt, dass man einen Afghanen/eine Afghanin nur mieten, aber nicht kaufen könne. Das sei aussagekräftig für das Nichtvorhandensein einer langfristigen Loyalität. Des Weiteren nennt Lehner den nicht zu unterschätzenden Einfluss von Warlords, Personen mit militärischer und ziviler Kontrolle über Territorien, gestützt auf bewaffnete Einheiten, oder die Wichtigkeit von Religious leaders für die Meinungsbildung der etwa 31 Millionen AfghanInnen.
2009/2010 wurde die Wahl massiv gefälscht, Probleme sind, dass auf Ausweisen von Frauen keine Fotos wären, diese gerade in ländlichen Gegenden die Zustimmung vom Ehemann brauchen, um das Haus zu verlassen. In weiterer Folge wählen diese Männer teils mehrmals mit dem Ausweis ihrer Frauen. Außerdem fanden und werden auch 2014 (Präsidentschaft) und 2015 (Parlament) in einigen Gebieten aufgrund fehlender Sicherheit gar keine Wahlen statt beziehungsweise stattfinden. Lehner erklärt, dass 3-4 schwere Anschläge täglich landesweit verübt werden, in Zeiten von Wahlen noch mehr. Auch internationale Lager seien davor nicht geschützt, weshalb sie Sicherheitsvorkehrungen getroffen hätten.
Nach dem Abzug der Gruppen 2014 habe die USA eine Aufstockung der Afghanischen Armee auf 300.000 SoldatInnen (vs.30.000 Taliban- KämpferInnen) geplant und diesen bis 2020 die Finanzierung zugesagt.
Friedensverhandlungen in Kuwait zwischen den USA und den Taliban sind bisher gescheitert. Der amtierende Präsident Karzai kann für 2014 nicht mehr kandidieren, die Nominierung der KandidatInnen findet im kommenden September statt. Von dem Ausgang dieser Wahl, ob man damit die ethnischen Gruppen Paschtunen, Tajiken, Hazara, Uzbeken, Aimak, Turkmenen und andere halbwegs zufrieden stellen kann, hänge sehr viel bezüglich der zukünftigen Situation ab. Mögliche Szenarien sind eine Fortführung der bestehenden Konflikte oder gar ein erneuter Bürgerkrieg. Momentan werde viel erwirtschaftetes Geld in diesen gesteckt oder im Ausland angelegt. Man fürchtet mit 2014 einen Einbruch des Bruttonationalproduktes um 40 Prozent.
Situation für Frauen
Als Lehner auf die Situation von Frauen in Afghanistan zu sprechen kommt, macht er einerseits darauf aufmerksam, dass sich diese seit 2001 zumindest mit der rechtlichen Gleichstellung und einem Gesetz gegen Gewalt eine Spur verbessert habe. Andererseits werde dieses kaum umgesetzt. Beim Wahlrecht hat häufig der Ehemann mitzureden, beim Verlassen des Hauses werden männliche Verwandte mitgeschickt. Westliche Frauen, die ohne männliche Begleitung einen Vortrag halten, werden teilweise gar nicht ernst genommen.
Es gebe kein Gesetz zum verpflichtenden Tragen der Burka mehr, dennoch würden sich die meisten Frauen unter dieser sicherer fühlen. Vergewaltigungen sind keine Seltenheit. Frauen, die von zu Hause flüchten, wird Ehebruch unterstellt, weshalb sie in den meisten Fällen ins Gefängnis wandern. Organisationen, die Frauen zum Ausbruch und zum Kampf für ihre Rechte unterstützen wollen, wird die Förderung von Prostitution nachgesagt.
Etwas positiver könne man die Steigerung des Schulbesuches auf 80 Prozent der Mädchen derzeit ansehen, dabei handle es sich jedoch oft nur um 1-2 Jahre. Die Alphabetisierungsrate liegt bei 18 Prozent, bei den Männern bei 25 Prozent.
Mädchenschulen seien bereits Opfer von Angriffen (etwa der Taliban) geworden, man hat zum Beispiel Wasser vergiftet. Während die Gesundheitsversorgung langsam besser wird, kann man dennoch von einem leichten Anstieg berufstätiger Frauen und Frauen in der Politik sprechen. Durch die internationalen Truppen vor Ort wurden Quoten aufgestellt.
Lehner sieht das Problem der Situation vor allem darin, dass die Taliban zumindest einen Teil der Macht zurückerobern wollen, in der politisch und wirtschaftlich (schlechte Infrastruktur, Korruption,…) prekären Situation, weniger beziehungsweise nicht in der Religion an sich. Er differenziert klar zwischen Traditionen, welche stärker als im Westen vorherrschend seien, und Religionen. Gemeinsam sei den ethnischen Gruppen, dass sie im Wesentlichen alle samt stark gläubig seien, weshalb internationale Konfessionslose oftmals lieber Bekenntnisse vortäuschen würden.