Medienkompetenzsymposion: Schattenseiten des Internets

Von 19-20. April 2013 fand auf der Linzer Johannes Kepler Universität ein Symposion unter dem Titel „Social Media und neue soziale Bewegungen- Chancen, Potenziale, Risiken“ statt. Im Workshop „Schattenseiten“ wurden auf die trivialisierte Intimität in sozialen Medien und die Internetkriminalität eingegangen. Daniela Fürst, Mediensoziologin und freie Journalistin in Wien, ist die erste von zwei Vortragenden dieser Reihe. Sie präsentiert einige Zitate und untermauert Ansätze mit Studienergebnissen.

Laut Jaron Lanier sei die menschliche Identität etwas, das sich nicht so einfach digital repräsentieren lasse. Dennoch würden Leute auch professionell versuchen, ihre Identität und ihr Leben im Internet darzustellen. Die Selbstbeschreibung basiere auf Vordefinitionen.

Als Beispiel hält Facebook her. Es eigne sich für Narzissmus und Gefühle von Eifersucht (Überprüfung anhand von Einträgen, …) oder Neid, der vor allem bei Reisen oder Freizeitaktivitäten anderer zum Tragen käme. Das wiederum wirke sich auch im realen Leben aus: Eine Studie unter annähernd 600 NutzerInnen zeige, dass diese negative Gefühle, die bei der Nutzung von Facebook entstünden, nach außen getragen werden und die Lebenszufriedenheit beeinträchtigen würden. Man käme aufgrund von gesammelten Likes oder aufmunternden Kommentaren etc. zu einem größeren Selbstbewusstsein, hätte online aber weniger Selbstkontrolle sowie ein geringeres Schamgefühl. Zwischenmenschliche Beziehungen, Kommunikationsinhalte, Individualität und Freiheit würden trivialisiert. Fürst spricht von einer gewissen Abstumpfung, das „Es“ spiele in Bezug auf Facebook stärker mit als in der Welt offline. Im Falle einer Selbstmordankündigung habe es nur Kommentare und Diskussionen, ob das ernst zu nehmen sei, aber keinerlei weitere Aktivitäten wie einen Anruf oder die Verständigung nahestehender Personen/der Polizei usw. gegeben.

Im Bezug auf zwischenmenschliche Beziehungen ist auch die Dunbar-Zahl interessant, welche die theoretische kognitive Grenze der Anzahl an Menschen, mit denen Einzelpersonen soziale Beziehungen unterhalten können, beschreibt. Die liege beim Affen bei 55, beim modernen Menschen bei 150 Personen. Im Vergleich dazu habe man als Facebook-UserIn durchschnittlich 190 FreundInnen.

Fürst meint, dass ein Onlinetestament mittlerweile eine Sache sei, die man ernsthaft überdenken solle und nennt im Zusammenhang mit Facebook noch die Seite suicidemachine zur Löschung des Accounts. In der anschließenden Diskussion lässt sie auch weniger kulturpessimistische Ansichten erkennen und nennt als Vorteil von Facebook etwa die Aufrechterhaltung von Kontakten über große Entfernungen.

Der Vortrag von Carsten Müller, der in Leipzig für die Polizei arbeitet und lehrt, gestaltet sich ebenfalls als kritisch. Internetkriminalität sei meist eine abgewandelte Form bekannter Kriminalitätsarten, es gebe aber auch internetspezifische Formen. Eine einheitliche Definition gebe es hingegen nicht. Das Internet sei Tatobjekt, Tatwerkzeug oder Tatziel.

Eine Statistik spreche von 60 000 Fällen im Jahr 2011 in Deutschland und von 150 Euro Kosten pro Fall. Man könne allerdings nur schätzen, da zum Einen die Dunkelziffer sehr hoch sei und zum Anderen immer wieder ein absolutes Dunkelfeld bestehe. Das heißt, dass das Opfer selbst nicht davon weiß, dass es einer Straftat ausgesetzt war/ist.

Als Beispiele für Internetkriminalität nennt Müller die digitale Erpressung (Opfer werden illegaler Aktivitäten beschuldigt, für die sie zahlen sollen), sogenannte Zombie- Rechner, die kontrolliert und ferngesteuert werden, das Pharming, in dem Schadprogramme wie Viren die Anfrage des Rechners an das Domain Name System verändern (Tatziel Identitätsdiebstahl), die Denial-of-service-Attacken, die den Rechner mit vielen gleichzeitigen Anfragen auslasten, um so das System zu verlangsamen, zum Absturz zu bringen und die Erreichbarkeit ausschalten zu können (großer Nachteil für Onlinefirmen) und einige andere.

Auch Extremismus käme im Internet immer wieder vor. Die Präsenz spiegle allerdings selten die Realität, weil sich viele Personen mehrere Accounts zulegen würden, um stärker präsent zu wirken.
Nicht außer Acht zu lassen sei auch, dass man sich meist nur auf das öffentlich zugängliche, kaum auf das „Underground Internet“ beziehe, in dem man anonymisiert surfen könne und auch Zugang zu anderen Seiten, die den „NormalnutzerInnen“ vorenthalten seien, bekäme.
Als Probleme nennt Müller den gesellschaftlichen Schaden, das Fehlen von ExpertInnen und dass die Bekämpfung von Internetkriminalität oftmals mehr Schein als Sein sei. Es sei ein Bereich, der im Vergleich zu anderen, weniger Priorität genieße. In Diskussionen wird andererseits genauso von Erfolgen berichtet, etwa einem Fall in Skandinavien, in dem die komplette Abschaltung des Internets durch HackerInnen von staatlichen Kontrollorganen, die InformatikerInnen-Truppen anheuerten, verhindert werden konnte.
Aufgezeichnet wurde die Veranstaltung von Radio FRO, auf der Seite des Kulturinstitutes der Johannes Kepler Universität befinden sich Abstracts zum Nachlesen: http://www.kulturinstitut.jku.at/symposion2013.html

 

Katharina ist Sozialwissenschaftlerin und Redakteurin. Sie beschäftigt sich vor allem mit gesellschaftlichen (z.B. frauenpolitischen) und kulturellen (z.B. Film, Theater, Literatur) Themen. Zum Ausgleich schreibt sie in ihrer Freizeit gerne literarische Texte: https://wortfetzereien.wordpress.com/