Faber: „Ich habe viel Vertrauen in die Leute“

„I Fucking Love My Life“ – das neue Album von Faber, einem der zur Zeit wohl angesagtesten Songwriter der deutschsprachigen Musik. Ein Album, das bereits vor Veröffentlichung diskutiert wurde, teilweise auch kontrovers. Ein Album, bei dem man aber viele Facetten entdecken kann. Die dazugehörige Release-Tour führte den Schweizer auch in für ihn unübliche Locations – wie etwa in die Linzer KAPU. 

Konzerte, von denen man noch in einigen Jahren sprechen wird – das Faber-Konzert in der KAPU Anfang November (Review) ist eines davon. Julian Pollina alias Faber hat mit „Das Boot ist Voll“ bereits vor Veröffentlichung seines Albums „I Fucking Love My Life“ Kontroversen verursacht – und auch den Text geändert. Das gesamte Album kann sich allerdings durchaus hören lassen, und sollte unserer Meinung nach in keiner Best-Of-Liste des Jahres 2019 fehlen. Vor dem Gig in der KAPU haben wir Faber noch zum Interview gebeten.

subtext.at: Ich möchte das Interview mit einem Zitat beginnen: „Musik ist der Schlüssel zu jeder Kultur.“ Würdest du dem zustimmen?
Faber: (überlegt) Das finde ich auf jeden Fall sehr schön, ja.

subtext.at: Dieses Zitat stammt von Pippo Pollina, deinem Vater…
Faber: Echt? (lacht). Das passt zu dem, stimmt.

subtext.at: Umgelegt auf Faber: könnte man dann auch sagen, dass Musik der Schlüssel zu jeder Unkultur ist, wenn ich an Songs wie „Generation Youporn“ denke?
Faber: (schmunzelt) Kultur und Unkultur ist vielleicht dasselbe, oder?

subtext.at: Es kommt also auf die Perspektive an?
Faber: Also ich weiß gerade nicht, was Kultur an sich ist – es ist wohl das, was die Gesellschaft in einem Moment ausmacht, was man als „Kultur“ bezeichnet.

subtext.at: Ein Zitat aus einem deiner Songs: „Das Leben ist kein Backstage, sondern eine Stage“ – etwas, was du im letzten dreiviertel Jahr mehr denn je zu spüren bekommen hast?
Faber: Ja, auf alle Fälle. Leider schon, ja.

subtext.at: Wie gehst du damit um, vielleicht noch exponierter zu sein, als du es vorher schon warst?
Faber: Das macht jeder wohl ein bisschen anders. Ich scheiße mich eher an – das ist eher nichts für mich.

subtext.at: „Scheißt“ du dich vielleicht mehr an, als du es ein Album zuvor getan hast?
Faber: (lacht) Jetzt wirds schwierig (lacht). Es gibt sicher Momente, wo ich sehr gerne im Mittelpunkt stehe – aber ich ziehe mich auch manchmal sehr, sehr gerne zurück. Und das ist manchmal nicht so einfach.

subtext.at: Als Künstler ist man auch öffentlich immer präsent – wie schaffst du es, auch diesen Rückzug hinzubekommen?
Faber: Es ist Gott sei Dank nicht so, dass mich auf der Straße jeder erkennt – so berühmt bin ich auch wieder nicht. Außerdem ist es in Zürich sowieso verpönt, jemanden anzusprechen – das macht man dort einfach nicht. Man macht auch keine Fotos und Selfies – darum kenne ich das etwas weniger. Aber natürlich steht man unter Beobachtung, und natürlich muss man aufpassen, was man sagt – weil alles, was man sagt, auf die berühmte Goldwaage gelegt wird. Das ist mitunter unangenehm.

subtext.at: Ich möchte bewusst nicht auf den Disput zu „Das Boot ist Voll“ eingehen, sondern auf das gesamte Album. Neben Gesellschaftskritik spielt hier auch eine große Portion Melancholie mit – würdest du sagen, dass du jemand bist, der primär über Gefühle singt?
Faber: Ja, auf jeden Fall.

subtext.at: Wie schaffst du es dann, diese Gefühle von „politischeren“ Inhalten abzugrenzen im Songwriting?
Faber: Ich weiß gar nicht, ob das immer getrennt sein muss – das kann manchmal auch zusammengehen. Aber grundsätzlich bin ich sicher viel mehr Gefühlsmensch als politischer Mensch.

subtext.at: Stichwort „Gefühlsmensch“ – ich habe gelesen, dass es viele Songs, etwa „Sei Ein Faber Im Wind“ für lange Zeit nicht auf die Live-Setlist geschafft haben. Was war da der Hintergrund?
Faber: Bei „Sei Ein Faber Im Wind“ etwa hat es den Grund, dass es sich so entwickelt – wenn viele Leute im Saal sind und vielleicht nicht immer hundertprozentig zuhören, kommt es dann nicht gut, wenn alle im Refrain „Du Nutte“ mit singen – das geht dann auch nicht. Das zeichnet dann schon auch ein falsches Bild.

subtext.at: Ich habe deine Live-Show im heurigen Sommer zwei Mal gesehen – einmal in Mannheim am Maifeld Derby, einmal in Lustenau am Szene Open Air. Vom Publikum her sehr konträr – wie geht es dir, wenn du auf einem Festival spätabends einen der Headliner-Slots spielst, und Leute vielleicht nicht immer hundertprozentig zuhören?
Faber: Tja, was soll ich sagen – das kann halt vorkommen (schmunzelt). Gerade auf Festivals ist das oft so, dass die Leute halt zum Feiern und nicht unbedingt zum Zuhören da sind. Da kann man auch nix dagegen sagen – und es sind ja auch nicht alle so. Aber das kommt gerade auf Festivals oft vor, ja – und ich bin auch selber kein großer Festival-Fan. Für mich ist dort viel zu viel los, alle rennen zwischen Stages, dem Jägermeister-Zelt und dem Bacardi-Dome hin und her, und hören fast kein ganzes Set eines Artists – das finde ich schade.

subtext.at: Wenn ich an die Live-Shows zurückdenke, ist der Song, der am besten ankam, „Tausendfrankenlang“. Ein Song, dessen Inhalt nicht unbedingt partytauglich ist. Wie schaffst du es, dann den Inhalt dennoch so zu transportieren, dass er ankommen kann?
Faber: Ich weiß es nicht, ob ich das schaffen kann.

subtext.at: Ist es dein Ziel als Artist?
Faber: Da bin ich fast überfragt. Aber man darf die Leute sicher auch nicht unterschätzen, das wäre auch falsch. Auch wenn die am Konzert feiern, heißt das nicht, dass sie sich zu den Inhalten nicht auch was überlegt haben. Ich habe da schon viel Vertrauen in die Leute, viele davon können sicher Party machen und reflektieren gleichzeitig. Aber wie viel Verantwortung man da als Künstler selbst trägt – das muss ich selbst noch ein bisschen herausfinden. Eine sehr unangenehme Frage aber, weil es einschränkt, wenn man über Verantwortung nachdenkt.

subtext.at: Verantwortlich ist man wohl als Artist primär mal sich selbst gegenüber – deine Platte heißt „I Fucking Love My Life“. Darf man das als pure Ironie verstehen?
Faber: Ja, auf alle Fälle.

subtext.at: Ich frage Artists sehr gerne, was sie auf einem Album anders machen würden – diese Frage erübrigt sich bei dir wohl…
Faber: Ja, ich habe sehr viel anders gemacht (lacht).

subtext.at: Wenn du zurückdenkst an die Zeit, wo du angefangen hast, an dieser Platte zu arbeiten – gibt es etwas, was du heute von Vornherein anders gemacht hättest, oder wärst du generell anders an die Platte herangegangen?
Faber: Nein, genenerell würde ich das nicht sagen. Bei dieser Platte sind Sachen passiert, die ich im Nachhinein geändert habe, was auch gut war. Das war ein langer, sehr schwieriger Prozess, vieles ist auch blöd zusammengekommen, aber so wie das Album jetzt ist, ist das für mich ein schöner Bogen. Es ist ein schwieriges Album, das man mit Vorsicht hören muss, aber eigentlich ist das auch ok so. Es ist die Fortsetzung von dem, was vorher war, und es hat sich musikalisch weiter entwickelt. Es gibt super viele Gedanken, und wichtige Ansätze – aber man muss das Ganze aufmerksam hören, damit es funktioniert.

subtext.at: „Ein Album, das man aufmerksam hören muss“ – für mich gibt es hier, nicht nur inhaltlich, viele Zugänge, wie man an das Album heran gehen kann. Denkst du, wenn du einen Song schreibst, an die Arrangements dahinter, auch im Hinblick auf das Gesamtkonstrukt?
Faber: Nein. Es ist gut, wenn es sich wie aus „einem Guss“ anhört – aber, ich muss zugeben, das war es leider überhaupt nicht. Wir waren ungefähr Mitte April mit dem Album fertig – und Anfang Mai habe ich beschlossen, das ganze Album nochmals zu überarbeiten.  Weil wir noch nicht im Ziel waren, und das erst durch viel Überarbeiten so geworden ist, wie es heute ist.

subtext.at: Die Releasetour zu deinem Album führt dich in Locations, wo man sicher kein Faber-Konzert erwarten möchte, weder von der Größe noch vom Umfeld her gesehen. Hier in der KAPU etwa spielen eher Hip-Hop, Punk und Metal-Bands – und du. Bewusst so gewählt, dass ihr Locations gesucht habt, die, positiv besetzt, „abgefuckt“ sind?
Faber: Nein, die Idee betraf primär eher der Größenordnung. In Wien etwa im „Werk“ ist es eher Techno-orientiert, das Milla in München, soweit ich das einschätzen kann, eher in Richtung Jazz. Das kann alles sein, soll alles sein, und soll natürlich auch abwechslungsreich sein, klar.

subtext.at: Mit Platte ein exklusives Releasekonzert in kleinem Rahmen – ein Zugang, die Releasekonzerte auch zu etwas ganz Besonderem zu machen?
Faber: Da war klarerweise auch Marketing-Stratagie dahinter, und auch ein bisschen ein Promo-Move – so wird man auch die Platten los (lacht). Aber es ist auch für uns geil, weil es auch für uns mal was Anderes ist, in kleinem Setting zu touren. Uns machts Spaß, den Leuten, soweit ich das bislang beurteilen kann, auch. Die Show ist auch speziell, weil wir nur zu zweit sein.

subtext.at: Also auch etwas mehr „Back To The Roots“ und das eingangs erwähnte Zurückziehen?
Faber: (überlegt) Natürlich hat man den Trubel auch – es ist kleiner, dafür bist du näher. Es ist für uns cool – wir können jeden Abend machen, was wir wollen. Das macht mega Spaß, und die Konzerte selber sind auch sehr, sehr verschieden. Von Punk-Atmosphäre bis zu aufmerksamen Zuhören.

subtext.at: In die Zukunft gedacht: schon mal an ein neues Album gedacht?
Faber: (lacht) Derzeit nicht – ich muss mir das noch genau überlegen, bevor ich wieder ein Album mache.

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Titelfoto: Andreas Wörister

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.