Fiva: „Nina“ ist das, was mich ausmacht

„Nina“ – so heißt das aktuelle Album von Nina Sonnenberg alias Fiva. Die wohl persönlichste Platte, die die Münchner Künstlerin je veröffentlicht hat. Eine Platte, mit der sich Fiva mehr als nur zurückgemeldet hat. Eine Platte, die auch live sehr gut ankommt, wovon wir uns im Linzer Posthof überzeugen konnten. 

Nina Sonnenberg ist nicht nur on stage die Herzlichkeit in Person. Im Interview vor ihrem Gig im Linzer Posthof (Review) sprechen wir mit Fiva über Realness, Kommunikation zwischen Artists und Fans und Veränderungen.

subtext.at: In der Konzertankündigung zum Konzert heute Abend steht zu lesen, dass du die „relevanteste Female MC Deutschlands“ bist. Wie definierst du für dich den Begriff „Relevanz“? 
Fiva: Naja, ich hab das ja nicht geschrieben (lacht). Ich kann dir auch nicht genau sagen, was Relevanz in diesem Zusammenhang bedeutet – ich hoffe, dass ich dahingehend relavant bin, dass ich kontinuierlich weitermache und für die Menschen, die meine Musik hören, auch relevant bleibe. Das war schon immer mein Wunsch, dass mich Leute, die mich schon 20 Jahre lang hören, mich noch immer gerne hören. Und dass natürlich viele neue Leute dazukommen – wonach es derzeit aussieht.

subtext.at: Stichwort „neue Leute“ – du feierst heuer dein 20-jähriges Bühnenjubiläum. Mein erstes Fiva-Konzert ist ziemlich genau zehn Jahre her, also quasi zur „Halbzeit“, mit „Rotwild“ in der KAPU. Damals noch im Vergleich zu den letzten Jahren ein „reduziertes“ Set mit DJ und MC – was hat dich als Musiker im letzten Jahrzehnt am meisten verändert? 
Fiva: Ich glaube, dass ich Musikerin erst geworden bin. Vorher war ich Rapperin und Texterin, musikalisch aber nicht so gut. Ich hatte zwar bestimmte Grundzüge am Klavier, aber zum ersten Mal bei einer Zusammenarbeit mit einer ganzen Band gesehen, was passiert, wenn man nicht samplebasiert arbeitet. Wie spielt man selber ein, wie mischt man, und dergleichen. Rap an sich mit samplebasierten Beats ist ja ein sehr produziertes, musiklich reduziertes Gerne – was aber überhaupt nicht bedeuetet, dass man dazu nicht musikalisch sein muss. Man muss eine besondere Musikalität haben, um samplebasierte Beats produzieren zu können. Das ist aber eher eine Bastelei im Vergleich zu einer gesamten Band mit Musikern.

subtext.at: Du hast nicht primär als Musikerin, sondern als Autorin begonnen – würdest du dich auch primär als solche bezeichnen? 
Fiva: Ich spiele kein Instrument selber – ich habe selbst angefangen zu arrangieren, und bringe mich auch mehr in diese Arrangements ein. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass ich mit einer Big Band gearbeitet habe, und das hat natürlich sehr viele Möglichkeiten eröffnet, dazuzulernen. Einfach weil wirklich alles live war, keine Backing-Tracks, nichts. Aber ich bin auf jeden Fall primär Texterin. Ich kann ohne „Mithilfe“ einen Text verfassen oder ein Buch schreiben oder auch einen Song, aber die Musik dazu könnte ich nicht ohne Hilfe machen.

subtext.at: Würdest du sagen, dass deine Texte auch ohne Musik funktionieren würden? Schreibst du einen Text anders, wenn du weißt, dass er danach auch mit Musik untermalt wird? 
Fiva: Das kommt immer drauf an. Wir haben bestimmte Nummern auf „Nina“, die für mich nur mit und zusammen mit der Musik funktionieren. So haben wir das auch durchgedacht – wir haben alles zusammen geschrieben. Ich bin nicht mit dem fertigen Text ins Studio gekommen – wir saßen da zusammen und haben von Null weg angefangen. Text und Musik brauchen auf „Nina“ einander – aber viele Texte funktioneren natürlich auch ohne Musik, ja.

subtext.at: Schreibst du Texte auch bewusst so, dass sie auch ohne Musik funktionieren würden – auch im Hinblick auf das aktuelle Album „Nina“? 
Fiva: Nein, gar nicht. Gerade bei „Nina“ nicht – da war es wirklich eine Zusammenarbeit mit den Musikern.

subtext.at: Bei „Nina“, deiner aktuellen Platte, heißt es, dass es die autobiographischste Platte wäre, die du bislang veröffentlicht hast. Wenn man auf die Texte hört, auch verständlich – worin besteht aber für dich das Mehr an „Autobiographie“ im Vergleich zu den Vorgängern? 
Fiva: (überlegt) Ich glaube, dass das, was ich aus den ersten Jahren meines Schaffens immer mitgenommen habe, diese „Realness“ war. Heute würde man wohl „Authentizität“ sagen – es muss schon über reale Dinge gehen. Mittlerweile rede ich auch etwa über meine Mutter oder über meinen Sohn, oder bei Tracks wie „Abends Ungern Nüchtern“ – das sind alles Dinge, wo man überlegt hätte, ob das „die Fiva ist“ oder „die Fiva so aussehen sollte“. Darum heißt das Album auch „Nina“ – weil alles, was da steht, mich im Moment ausmacht. Als Nina, als Fiva, als Mama, als jemand, der seine Mutter auch verloren hat.

subtext.at: Würdest du also sagen, dass die Person Nina Sonnenberg mehr in den Vordergrund gerückt ist? 
Fiva: Genau, ja. Deswegen auch vielleicht das Mehr an „autobiographisch“ – weil es näher als sonst an mir als Person dran ist. Ich glaube schon, dass es von „Fiva“ hin zu „Nina“ gegangen ist – und das ist für mich ein sehr angenehmer Prozess.

subtext.at: Etwas provokant gefragt: kommt dieser Prozess auch mit dem Alter und der Erfahrung? 
Fiva: (überlegt) Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn ich meine Mutter nicht verloren hätte. Ich rede da ganz offen drüber, weil es etwas ist, was uns alle einmal betreffen wird. Das hat natürlich Einfluss gehabt – ich hatte halt das Glück, dass es relativ spät in meinem Leben passiert ist. Wenn man einmal gemerkt hat, was das Leben wirklich für einen bereithält und wie wenig man selbst beeinflussen kann – das hat mich mit Sicherheit reifer gemacht und mich reifer, entwickelter zurückgelassen. Und natürlich spielt Erfahrung eine Rolle. Das ist auch das Schönste am Älterwerden.

subtext.at: Kämpfst du auf dieser Platte vielleicht noch mehr gegen Tabus an, im Vergleich zu den Vorgängern, gerade im Hinblick auf Abschied und Hindernisse im Leben? 
Fiva: Man fragt sich natürlich bei jeder Platte, worüber man reden möchte und wen das interessieren könnte. Ich hatte schon auf „Kopfhörer“ ein Lied über Krebs – aber mir ist das Wichtigste, dass wir alle miteinander genau über diese Dinge offen reden. Auch darum treffe ich mich in jeder Stadt vor jeder Show mit 20 Menschen aus dieser Stadt – weil ich mit den Menschen ins Gespräch kommen will. Und aufzeigen möchte, dass zwar jeder super individuell ist, aber wir alle genau dasselbe erleben.

subtext.at: „Mit den Leuten ins Gespräch“ kommen – Dendemann hat im Interview Anfang des Jahres gemeint, dass die Kommunikation zwischen Künstler und Artist um einiges direkter geworden ist, vor allem im Hinblick auf direkte Kommunikation auf Social Media, oder im Rahmen von Meet and Greets. Siehst du das auch so? 
Fiva: Das kann man sowieso, ja. Ich finde es mittlerweile schlimm, dass manche für Meet and Greets extra Geld verlangen, dafür, dass man dann die Hände schütteln kann, einen Happen essen darf, und das wars. Mich dürfen die Leute natürlich alles fragen – aber ich möchte auch selbst die Leute fragen, was sie bewegt, wie sie gerade leben, und was sie bewegt. Um einfach auch „die Anderen“ kennenzulernen, und mitzukriegen, wer denn eigentlich die Leute sind, die meine Musik hören. Das möchte ich wissen – und ich wünsche mir, dass wir als Gesellschaft wieder mehr miteinander sprechen.

subtext.at: Siehst du dich also als Künstlerin, die noch stärker versucht, zu einigen? 
Fiva: Das habe ich schon immer. Das muss man ja auch stärker als früher – aber das ist das Schönste im Leben, dass du merkst, dass es allen irgendwo gleich geht. Das verbindet. Und wir haben viele dieselben Ängste: Krankheit, Verlust, Sorgen, Bedenken – aber auch Freuden. Und wenn wir darüber reden, dann schaffen wir es im besten Falle auch, dass wir viele Menschen verbinden und nicht auseinandertreiben. Das ist vielleicht naiv – aber mein großer Wunsch. Aber wenn ich diesem Wunsch nicht folge, dann werde ich wahnsinnig.

subtext.at: Ist dieser Wunsch für dich auch die angesprochene „Realness“?
Fiva: Naja, wenn ich dir nicht erzähle, was bei mir so los ist, und ich nur sage, wie toll nicht mein neues Album ist – dann haben wir uns nichts gesagt. Du gehst weg, kannst deinen Artikel schreiben, und das wars dann. Scheiße – das ist es nicht. Wenn ich von dir nichts und du nichts von mir hörst, dann reden wir aneinander vorbei.

subtext.at: Bist du dann die Antithese zu vielen anderen Artists, vor allem im Hip-Hop-Genre? 
Fiva: Ich weiß es nicht, wie es viele Kollegen und Kolleginnen machen. Manchmal gehts aber halt auch nur um die Musik – man konnte auch lange nur entweder Die Ärzte oder Die Toten Hosen hören. Das darf man im Hinblick auf die Musik dann schon auch machen.

subtext.at: Jetzt bist du nicht nur Musikerin, sondern bist auch auf der „anderen Seite“ unter anderem auch als Radiomoderatorin tätig. Wenn du in die andere Rolle schlüpfst – hast du dann einen anderen Zugang zur Musik im Vergleich zu dir als Künstlerin? 
Fiva: Nein – ich kann sicher viel Musik verstehen. Ich verstehe sicher viele Tracks, auch wenn sie mir vielleicht nicht gefallen – aber ich kann verstehen, wie diese Tracks gemeint sind. Ich kann mittlerweile sicher sagen, ob ein Song „Gut“ ist, egal wie ich ihn selber finde. Ich höre so viel Musik – ich muss ja auch jede Woche zumindest 20 Tracks für die Sendungen finden. Da muss ich schon ein Gespür haben. Das greift ineinander – hoffe ich zumindest.

subtext.at: Nochmals kurz zurück zu „Nina“ – diese Platte ist nicht nur inhaltlich ein starker Kontrast, sondern auch musikalisch. Weg von der Big Band, hin zu reduzierterem Set. Passt das besser zu „Nina“ als ein Arrangement mit einer Big Band? 
Fiva: Dann hätte die Platte einfach anders geklungen. Von der JRBB spielen ein paar Member mit – aber diese Platte sollte so klingen, wie sie klingt. Es ist eine produzierte Platte – und das wollte ich auch. Ich habe einmal absolut alles live gespielt – was willst du denn danach noch machen? Dann wurde mir klar, dass es ein kleines Setup werden soll. Wir brauchen auch live gar nicht so tun, als ob wir wirklich alles live dabei haben – das hatte ich schon mal.

subtext.at: Also bewusst wieder etwas minimalistischer? 
Fiva: Genau, ja. Die Big Band war das Größte, was ich musikalisch machen konnte – und jetzt wieder etwas reduzierter.

subtext.at: Gibt es etwas auf „Nina“, wo du vielleicht heute nicht mehr glücklich bist? 
Fiva: Nein, überhaupt nicht. Dieses Gefühl hatte ich aber auch noch nie, das wäre auch furchtbar. Das, was ich auf „Nina“ gemacht habe, war zu der Zeit das Richtige. Es gibt sicher auch etwa auf „Rotwild“ Dinge, die ich heute vielleicht etwas anders sehe. Damals hat das aber für mich gepasst. Sicher würde die Platte, wenn ich sie heute aufnehmen würde, anders klingen. Nicht unbedingt besser, aber anders. Alben sind Momentaufnahmen.

subtext.at: Hast du eigentlich noch musikalische Berührungspunkte mit Linz? 
Fiva: Die kommen heute alle, ich hab schon Angst (lacht). Leider hab ich derzeit keine Projekte – aber ich schließe es keinesfalls aus. Österreich ist immer noch mein Lieblings-Musikland, und es ist schön, dass das derzeit bestätigt wird, vielleicht gerade nicht mit Rap, sondern mit Wanda, Bilderbuch, Granada und dergleichen. Die füllen Hallen, zurecht.


Die nächste Möglichkeit, Fiva live zu sehen, besteht im Januar. Beim 25. FM4-Gebursttagsfest am 18.1.2020 in der Ottakringer Brauerei ist sie als eine der Headliner zu sehen! 

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Titelfoto: Daniel Dückminor

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.