Molchat Doma: weißrussische Klanghäuser

Eine Band, die man wohl in einer Location dieser Größenordnung so schnell nicht mehr finden wird, war am Mittwochabend in der KAPU zu Gast: Молчат дома, oder, eingedeutscht, Molchat Doma. Die Herren kommen aus Minsk, sind eigentlich längst kein Geheimtipp mehr, und sind gerade auf ausgedehnter Europatour. Eines der besten Wochenteilen-Konzerte, das wir in letzter Zeit gesehen haben!

Mittwochabend, gut 100 Leute in der KAPU – eine Zahl, die auch größere Konzerthäuser der Stadt nicht immer schaffen. Wer es in die heiligen Hallen des „legendary Venue“, wie es Molchat Doma selbst bezeichnet haben, schaffte, wurde dafür mit einem Konzert der Sonderklasse belohnt, bei dem sich auch das Vorprogramm hören lassen konnte. Ein Abend, der Synth- und New-Wave-Fans mehr als zufreiden stellte.

Den Anfang mit einem gut zwanzigminütigen Set machte Johnny Geiger. 25% von Postman, mit neuem Tape „Human“ im Gepäck das gestern offiziell live präsentiert wurde. Ganz leugnen kann sie ihre Wurzeln hier nicht, angenehm verträumt, ausgefeilt und damit ein gelungener Auftakt. Gepaart mit der Tatsache, dass Artists, die heutzutage noch Tapes veröffentlichen, sowieso unterstützenswert sind, ein gelungener Start. Weiter gings mit „Mala Herba“ – was übersetzt so viel heißt wie „böses Gewürz“. Nunja, böse klingt das live nicht. Durchaus tanzbar wird hier mit Syntie-Sounds gespielt, die immer wieder mal abtauchen, um dann erneut zu explodieren. Als „Evil Witchcraft“ bezeichnet die Künstlerinmit Sitz in Wien ihr Schaffen – sollte dem so sein, dann sind wir spätestens seit gestern neue Anhänger von Hexereien geworden.

Gekommen war der Großteil der Besucher aber natürlich wegen Molchat Doma. Die weißrussische Synthi-Post-Punk-Combo existiert nun seit 2017, und hat sich seither einem immer größer werdenden Publikum in die Gehörgänge gespielt. Halt nicht in der oft mit Zensur kämpfenden Heimat, sondern weiter im Westen – von Weißrussland aus gesehen. „Schweigende Häuser“ heißt der Bandname übersetzt, haben wir uns sagen lassen – leise sind Molchat Doma aber nicht. Vor allem die Stimme von Front-Schnauzbart Yegor Shutko ist uns auch am Tag danach noch nachhaltigst in Erinnerung geblieben – Tom Smith lässt grüßen und würde wohl ebenfalls genauer hinhören. Einflüsse von Goth lassen sich hier ebenso finden wie ausgeklügelte Synthie- und Post-Elemente, und nicht nur einmal hadert man während dem Konzert mit sich selbst, dass man nicht russisch kann. Aber auch so ist das Werk von Molchat Doma tanzbar, nachdenklich und dabei immer bleibt danach wie eine Dauerschleife in den Gehörgängen kleben. Nicht zuletzt deswegen steht seit gestern eine Platte von „Etazhi“ mehr in einem westeuropäischen Plattenregal. Bislang das Highlight des Konzertjahres 2020!

Fotos: Christoph Thorwartl

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.