Post-Oasis: Doppelte Dosis großartiger Britpop

28. August 2009. Die britische Band Oasis ist am Ende angelangt, die Wege der Gebrüder Gallagher trennen sich und eine der größten Bands unserer Zeit ist Geschichte. Doch mit den Nachfolgeprojekten von Liam (Beady Eye) und Noel (Noel Gallagher’s High Flying Birds) bestätigt sich wieder einmal die Regel: Totgesagte leben länger.

Cos‘ all of the stars / are fading away

Oasis schrieb keine Lieder – Oasis schrieb Hymnen. Wonderwall ist der ewige Klassiker unserer Generation, und Lieder wie Stop Crying Your Heart Out, Don’t Look Back in Anger, Champagne Supernova oder Where Did It All Go Wrong rotieren selbst heute noch regelmäßig in meiner Playlist. Die vielleicht wichtigste britische Band seit den Beatles hat mit ihrer Auflösung ein tiefes Loch hinterlassen … und das, obwohl ihre letzten Werke leider schon nicht mehr an frühere Erfolge anschließen konnten.

Am 28. Februar 2011 veröffentlichte Liam Gallagher mit seiner Band „Beady Eye“ (Was in Wahrheit das einfache Ergebnis der Formel „Oasis minus Noel“ ist.) als Erste eine Post-Oasis-Album und brachte mich schon damals in Verzückung. Und mit dem heutigen Tag, dem 14. Oktober 2011, steht nun auch das selbstbetitelte Album von „Noel Gallagher’s High Flying Birds“ im Regal. Und (zumindest für mich) sind somit in diesem Jahr zwei der eindeutig besten Oasis-Alben erschienen.

 Beady Eye – Different Gear, Still Speeding

Vergesst es: Sucht kein Wonderwall 2.0 auf der Platte. Dieser eine große Hit, dieses Ding, dass auch sie zu Legenden hätte werden lassen, ist ihnen mit diesem Album noch nicht gelungen. Doch das bedeutet nicht, dass Different Gear, Still Speeding ein veritabler Bauchfleck wurde: Lieder wie The Roller oder Millionaire lassen einen in wundervoller Britpop-Träumerei versinken. Und auch wenn andere ihnen Innovationsarmut unterstellen, sehe ich das als großen Vorteil: Beady Eye klingt wie Oasis, selbst ohne Noels einzigartiger Stimme. Und Liams Stimme, so im Vordergrund, hat auch etwas ganz Besonders.

Mich erinnert sie nämlich, vor allem in The Beat Goes On an Sean Lennons Gesang. Es hört sich beinahe so an, als würde John Lennons Sohn plötzlich bei Oasis singen. Oder Beady Eye, oder wie sie nun auch immer heißen. Und neben diesem einen großen Highlight warten noch unzählige andere Britpopsongs darauf, erforscht zu werden: Kill For a Dream z.B. oder Bring The Lights.

Noel Gallagher’s High Flying Birds

 

Und dann hätten wir da eben auch noch Noel. Der Mastermind hinter Oasis, verantwortlich für Gesang und die meist grandiosen Songtexte, brauchte etwas länger, doch nun ist es endlich da. Auf Solopfaden, jedoch anscheinend mit hochfliegenden Vögeln unterwegs, beweist er eines: er kann – im Gegensatz zur bisherigen Performance von Beady Eye – den Sound von Oasis weiterentwickeln.

Wie schon gesagt: Beady Eye gefällt mir, weil es Oasis so wunderbar imitiert. Noels Album hingegen zeigt, wie Britpop im zweiten Jahrzehnt des einundzwanzigsten Jahrhunderts aussieht: Everbody’s On The Run eröffnet ein prächtiges Album, gipfelt in (I Wanna Live In A Dream In My) Record Machine bevor es mit Stop The Clocks nach 10 Liedern leider auch schon wieder zu Ende ist. Hervorheben muss man zudem auch noch The Death Of You And Me, ein etwas ruhigerer Song, mit Posaunen und hohen Tönen aus Noels Mund.

Oasis ist tot, lang lebe Oasis?

Man kann es sehen wie man will: dank dem Ende von Oasis haben in diesem Jahr gleich zwei großartige Britpopalben den Weg in unsere Gehörgänge gefunden. Wer von den beiden nun besser ist? Darüber lasse ich Sie selbst weiter streiten. Aber ein Gedanke, der mir gekommen ist, wurde auch schon vom Musikexpress geschrieben: „Ein Best-of des Beady-Eye-Albums und von diesem hier hätte zusammen eine großartige Oasis-Platte ergeben.“ Wie wahr. Wahrscheinlich eine, die sich in eine Reihe mit „Definitely Maybe“ und „(What’s The Story) Morning Glory“ stellen kann.

Noel, der begnadete Songwriter, kann sich hoffentlich schon bei seinem, im nächsten Jahr erscheinenden Konzeptalbum textlich etwas mehr ausleben. Und auch Beady Eye könnte sich darauf stürzen, back to the roots … und somit back to the hymns zu kommen. Weil: eine neue Britpop-Hymne, einen neuen Klassiker wie Wonderwall – genau das wünsche ich mir jetzt. Träumen wird man ja wohl noch dürfen. Oasis ist (vorerst) Geschichte, und das ist vielleicht auch gut so. Der Zwist der beiden Brüder hat zuletzt oftmals die Musik überschattet. Dem sollte jetzt ein Riegel vorgeschoben sein und so können sich die beiden Brüder voll und ganz auf ihre Projekte konzentrieren. Und vielleicht, möglicherweise zum 20jährigen Bandjubliäum im Jahr 2014, wieder gemeinsam auf der Bühne stehen. 

29 Jahre alt - Literarischer Blogger (Neon|Wilderness), Autor ("Volle Distanz. Näher zu dir"), Medienblogger (dominikleitner.com), Printschreiber (MFG Magazin), freier Journalist (u.a. BZ), CD-Kritiker (subtext.at) und Detektiv (365guteDinge)