Das war das Szene Open Air 2015!
Schönes Wetter, eine idyllische Location direkt an der Schweizer Grenze am alten Rhein, ein buntes musikalsisches Potpourri: das Szene Open Air ging in seine bereits 26. Auflage. Casper, Kraftklub, K.I.Z. und viele mehr sorgten für drei ausgelassene Festivaltage.
Donnerstag
Die Band „Sortout“ hat es da nicht leicht, als Opener gegen das kühle Nass anzukämpfen. Jedoch schafften es einige sich vom Reihn zu lösen und bei der lokalen Metal-Band abzurocken. „Itchy Poopzkid“ holten mit ihrer Musik dann die restlichen Menschen von Wasser vor die Bühne. Mit ihrem rockigen, punkigen Sound begeisterten sie nicht nur das Publikum, sondern auch die Redaktion (wie eigentlich immer, Anm.). Was nach den deutschen Punkrockern kam, war für einige, die auf laute, unverständliche Texte stehen, das Paradies auf Erden. „Suicide Silence“ betrat die Bühne. All jene, die – nett gesagt – dem Genre Death Metal nicht verfallen sind, hatten kaum Chancen dem animalischen, betäubenden Gegröle auszuweichen. Wer an dieser Stelle eine gute (!) Erklärung für diese akustische Vergewaltigung hat, bitte her damit!
Erst als im Zelt die Jungs von „Catastrophe & Cure“ starteten, gab es eine kurze Erholungszeit. Und spätestens bei „Like crazy doves“ hatten sich die Ohren wieder erholt und der Körper reagierte wieder normal auf die schöne Musik. Und so konnten bei „Shipwreck“ und „Bones“ die aufgestauten Aggressionen abgebaut werden – beim Tanzen natürlich. Wobei hier noch erwähnt sein sollte: Suicide Silence und Catastrophe&Cure an einem Abend zu booken, darf man ruhig als mutiges Unterfangen werten.
Auf der Hauptbühne ging es derweilen mit „Enter Shikari“ weiter. Leider kamen die Briten mit ihrem Drum&Bass-Rockmix schlechter an als gemeinhin erwartet. Die Menge vor der Bühne für diesen Act mehr als überschaubar, und Ekstase schaut leider auch anders aus. Die Mehrheit nutzte wohl die Zeit, um sich Geld auf das komplizierte Chipsystem raufzuladen undGrundbedürfnisse wie Hunger und Durst zu stillen.
Als Abschluss eroberten die deutsche Hip-Hop Formation K.I.Z. die Bühne. Mit Uniform und Gewehren ausgerüstet schaffte es das satirische Rap-Quartett, so einige patriotischen Vorarlberger zu täuschen. Aber nach dem einsetzen der ersten Parolen wurden den NS-Fanatikern wohl doch bewusst, dass der Hitlergruß etwas unangebracht war. Und für all jene, die glauben, das „stimme nicht“: doch, wir sind genau daneben gestanden, und rechte Hand im 45-Grad-Winkel gepaart mit einem obligatorischen „Heil“ ist dann doch eindeutig. K.I.Z. touren zur Zeit mit ihrer neuen Platte „Hurra die Welt geht unter“ und bringen so ein bisschen Satire und Ironie fast in jede größere Stadt. So auch in Lustenau – mit den riesigen Selbstportrait-Statuen im Hintergrund und den epischen Texten lassen sie im kleinen Ländle die Welt untergehen – zumindest für den ersten Festivaltag.
Freitag
Begonnen hat der Tag im schönen Reihn – einmal Abkühlung bitte nach einer kurzen Nacht im Zelt. Nach der willkommenen Erfrischung ist auf der Hauptbühne schon sehr viel los. Leider viel die Band „Dirty Widows“ dem Planscherlebnis zum Opfer – dafür konnte die Band „Symbiotika“ schwer begeistern, die sich live wahrlich keine Blöße geben.
Ein weiters Highlight waren „Please Madame“ aus Salzburg, vielleicht einigen schon von ihrem Auftritt beim „Circus HalliGalli“ ein Begriff. Die sympathischen Jungs ließen kleine Teenie-Herzen höher schlagen und wurden gleich nach dem Auftritt von einer Traube Mädls umschwärmt.
Etwas Verwunderung löste danach der Auftritt von Wolfsrachen aus. Kennt ihr nicht? Ok, ihr habt jetzt nicht wirklich was versäumt. Selbst bezeichnen sie sich als „Industrial Pop-Rock mit Biss“ – nunja, eh, aber der imaginäre Wolf dürfte hier schon eher in Richtung Kukident-Abhängigkeit gehen. Abstecher ist es also keinen wert. Ganz im Gegensatz zu Kensington. Die Niederländer sind ja alles andere als unbekannt – MTV-gepusht, straigter Pop-Rock, ein bisschen Bühnenshow. Klingt ganz angenehm, ist auch tanzbar – die ganz große Abwechslung in ihren Songs haben sie aber auch 2015 noch nicht eingebaut.
Im Zelt dann eine der positiven Überraschungen: Mimo. Klingt komisch? Ist aber überaus tanzbarer Indie-Pop, der nicht in die musikalische Melancholie-Falle tappt. Wenn Newcomer doch nur immer so klingen würden…. hach, man fängt ja fast zu Träumen an. Weniger vorstellen muss man danach Sophie Hunger. Die Schweizerin tourt mittlerweile höchst erfolgreich durch Europa – und am Szene Open Air durfte man erfahren, warum. Eine Stimme zum Niederknien, gute Instumentenbeherrschung, eine hervorragende Begleitband, und höchst sympathisch auf der Bühne. Fast wie das Kochrezept zu musikalischem Erfolg – danke, es hat sehr gut geschmeckt!
Danach ging es weiter mit Dame. Dem Salzburger Rapper gegenüber war ich lange Zeit skeptisch gegenüber eingestellt – wie sich allerdings herausstellte, zu Unrecht. Klar, vielleicht mag es bessere MCs im Lande geben, klar, vielleicht ist das Publikum anders, als man es bei vielen Hip-Hop-Shows gewöhnt ist, und klar ist nicht alles Gold, was glänzt. Dame aber beweist, dass er schon lange nicht mehr der „Typ mit dem Warcraft-Lied“ ist. „Damestream“-Mucke nennt er das. Das ist vor allem live überraschend geil. Weiter so!
Headliner des Abends waren „Kraftklub“, die routiniert ihre Show durchzogen. Auch der vermeintliche Stromausfall ließ diese Routine nicht unterbrechen – ein Lichtermeer erzeugt von hunderten von Smartphones unterlegt mit dem (trotz Stromausfall verstärkten) Sound der deutschen Indierockband war die Folge. Das Aussage eines Bookers „Schau dir nie eine Show einer Band zweimal an“ trifft hier den Nagel auf dem Kopf – musikalisch top, aber wenn man die Setliste schon kennt fast schon langweilig.
Danach ging es für die Hip-Hop begeisterten im Zelt weiter, hier gaben die Rapper von „Antilopen Gang“ ihr Bestes. Auch wenn die Texte akustisch nicht verstanden wurden (herrje, die Vocals wärn bei einem Hip-Hop-Gig ja doch entscheidend!) ging es heiß her, und beim Song „Verliebt“ bewies das Publikum Textsicherheit.
Der wahre Headliner bzw. „Late Night Headliner“ waren dann wohl doch die Jungs aus Kremsmünster von „Bilderbuch“. Hier wurden nicht nur (ausschließlich, leider) komplett neue Songs der aktuellen Platte „Schick Schock“ performt. sondern die Präsenz auf der Bühne bis ins Kleinste ausgekostet. So wurden die gelben Lederhandschuhe vor „Maschin“ unter lautem Gekreische übergestreift, gleich zu Beginn ihrer Belastungsprobe unterzogen, und das aktuelle Album Song für Song bis in die späte Nacht zelebriert.
Samstag
Wetterbedingt musste die erste Band zwar diesmal nicht mit dem alten Rhein konkurrieren, aber der triste Regen machte es auch nicht einfacher für die heimische Hardcore Band „Thoughts of Rejection“. Die erste richtige Stimmung kam bei der Wiener Truppe „Turbobier“ auf. Kein Wunder, denn laut der aktuellen Umfrage der Bierpartei Österreichs hatte das Publikum vor der Bühne durchschnittlich schon mehr als 2,0 Promille bzw. schon mehr als ein zwei Bier. Die aktuell wohl dichteste Band des Landes zelebriert ihr aktuelles Album „Irokesentango“ wie es keine andere Band tun würde. Pyrotechnik. Geldkanonen, Stagedives, und eine ordentliche Portion Ironie zeichnen die Musiker aus. Und auch ein Festival ohne Bier ist wohl wia a Heisl ohne Tia, und arbeitslos werden die Jungs wohl noch lange nicht durch die Nächte touren!
Kontrust standen danach auf der Mainstage. Ja, die gibt es noch! Lange war es still um die Band rund um Agata und Stefan geworden. Ruhiger sind sie auf der Bühne allerdings nicht geworden – auch wenn der Slot mitten am Nachmittag ein undankbarer war, geben die Leute auf der Bühne noch immer Gas, als gebe es kein Morgen!
Antifaschistisch wurde es danach. Feine Sahne Fischfilet aus dem hohen deutschen Norden Rostock standen auf der Bühne. Hm, Rostock. Bislang kannte ich die Stadt nur durch den dortigen Fußballverein Hansa Rostock – und bedingt durch die dortigen Fans hat die Stadt ein bisschen Antifaschismus bitter nötig, also alleine deswegen ist die Band bereits unterstützenswert. Die Herren von Feine Sahne Fischfilet können aber auch live richtig Stimmung machen, was sie auch am Szene Open Air bewiesen. Ein idealer Nachmittagsact, der gerne auch später aufgeigen dürfte!
Das Szene Open Air ist ja für seine etwas schrägen Mixes der Musikgenres bekannt. Nett ausgedrückt ist halt für jeden etwas dabei. So folgten auf die rockigen Audiolithler der gefühlvolle Gregor Meyle. Bekannt wurde der Singer/Songwriter von der Castingshow „Sing meinem Song – das Tauschkonzert“. Auch wenn Anfangs die Publikumsdichte vor der Bühne eher überschaubar war, versammelten sich immer mehr Menschen um der schönen Musik zu lauschen. Gregor Meyle versteht es, sich selbst auf der Bühne zu verkaufen und schafft es selbst die schon wartenden Casper-Fan-Girls in seinen Bahn zu ziehen. Ein Beweis dafür, dass Castingshows Musiker, die vorher schon gut waren, nicht zerstören können.
Mit Streitwagen und beflügelten Engeln begleitet kam der allmächtige Rapper „Alligatoah“ auf die Bühne galoppiert und verlautet die Botschaft von Petrus (a.k.a Beraterboy Basti). Musikalisch kann man nichts aussetzten auch wenn sein Zielpublikum eher an das von Cro orientiert. Ein befreundeter Kollege auf dem Festival bezeichnete das als „Hip-Hop auf dem humoristischen Niveau eines Dreijährigen“ – ohne jetzt kleinen Kindern nahezutreten, aber das trifft es genau. „Mein Gott hat den größten Penis“ ist zwar inhaltlich unterschreibenswert – lyrische Höchstleistungen schauen aber auch anders aus. Live aber sehr tauglich.
Während auf der großen Bühne noch über Sünde und Fegefeuer diskutiert wird, begann im Zelt die Band „Ant Antic“. Das Trio bewies, dass Electro live mehr als funktioniert. Eines der musikalischen Highlights des heurigen Szene Open Airs. Bei so einer guten Musik wird den jungen Musikern auch nicht übel genommen, dass als Zugabe ein schon bereits gespieltes Lied zum zweiten mal zum Besten gegeben wurde.
Dann war es soweit. Das stundenlange warten von beminirockten Girlies in den ersten Reihen hatte sich ausgezahlt. Casper erstürmte die Bühne. „Im Ascheregen“ kommt als erstes. Ok, toll. Live ist der gute Benjamin bekannterweise gut – ob es allerdings sein muss, pro Forma über den Maschin-Beat zu rappen (der da überhaupt nicht passte), sei dahingestellt. Dass das Wetter bei Casper-Gigs am Szene Open Air scheiße ist, ist auch nichts Neues. Eine – wie bei Kraftklub – routinierte Liveshow, die wenige Wünsche offen ließ. „Die Letzte Gang der Stadt“, „So perfekt“, „XOXO“ und Co sind auch heuer live mit das Beste, was der Festivalsommer hergibt.
Auf das gewisse Extra mussten wir bis zum Schluss warten. „Rakede“ konnte trotz des undankbaren Slots (bei Regen, nach Casper) beim Publikum punkten. Die fünf Triebwerke mobilisierten mit ihren großartigen Songs die restlichen Energiereserven der Zuhörerschaft und schossen mit lautem Getose ins weite Weltall hinaus. Und spätestens bei ihrem momentan erfolgreichsten Lied „Jetzt gehst du weg“ brannten sämtliche Sicherungen durch und es wurde weit über die kosmische Sphären hinaus Party gemacht. Eine Band, die man auf den Radar behalten sollte, um beim großen Countdown zum Durchbruch live in der erste Reihe zu stehen.
Zum Schluss noch ein Fazit: musikalisch präsentierte sich das Szene Open Air abwechslungsreich wie eh und je. Seit Jahren würden weniger Stilbrüche während der Tage aber dem Festival sicher guttun. Und ob sie sich mit dem RFID-Bezahlsystem viele Freunde gemacht hatten (in etwa 50% der Fälle funktionierte die Buchung auf Anhieb nicht), darf bezweifelt werden. Die Headliner seien nicht übel genommen – man darf gerne auf „Sold Out-Nummer sicher“ gehen, auch wenn sie alle bei der gleichen Bookingagentur sind. Das Gelände ist aber immer noch eins der schönsten des Landes, genauso wie die Leute mit die freundlichsten sind. Gerne wieder!
Text: Lisa Leeb, Christoph Thorwartl
Fotos: alle Fotos (c) Christoph Thorwartl