Kreisky: „Wir sind weder grantig, noch intellektuell, noch Wiener“
Kreisky sind nicht nur seit ihrem vierten Album, „Blick auf die Alpen“, österreichischen Pop-Fans ein Begriff. Kreisky stehen seit mehr als einem Jahrzehnt für eine Mischung aus Grant und Melodie, zwischen Punk-Attitüde und Melancholie. Live haben sie sich aktuell rar gemacht – Sänger Franz Wenzel sprach im Rahmen der kurzen Frühjahrs-Tour mit uns über Vergangenheit, den vielzitierten „Grant“ und Einflüsse in der Vergangenheit.
subtext.at: Die erste Frage, die du gleich mal hinter dich bringen möchtest?
Franz Wenzl: Ich? Meistens dann halt die nach dem Bandnamen – weil die halt bei uns sehr oft kommt. Und dann halt Sachen, wo ich mir denke, dass das interessant wäre. Ich lese aber schon sehr selten Musiker-Interviews – weil es halt meistens darum geht, dass irgendeine Band was Neues hat und einen neuen Sound gefunden hat. Sowas ist dann schon ziemlich fad.
subtext.at: Stichwort „ziemlich fad“ – als ich mir den Pressetext zu einem Kreisky-Konzert durchgelesen habe, habe ich folgendes gelesen: „Es ist ein erregendes Erlebnis“. Was ist das „Erregende“ an Kreisky?
Franz Wenzl: (lacht) Also es ist sicher nicht „erregend“ im sexuellen Sinne – eher so, dass es laut ist und es symbolisch stark um negative Gefühle geht. Das ist durchaus beabsichtigt, dass Kreisky katharrtische Elemente beinhaltet. Diese „Erregung“ lasse ich also dann schon gelten.
subtext.at: „Negative Erlebnisse“ – ist Kreisky dann quasi der Inbegriff der österreichischen Musikseele, wenn man das klischeehafte „Suderantentum“ auf Musik umlegen würde?
Franz Wenzl: (lacht) Muss ich mal überlegen – ja, irgendwie wahrscheinlich schon. Es sind schon Charakterstudien in Kreisky-Liedern enthalten – jetzt nicht unbedingt tiefgehende, weil es ja doch kurze Pop-Songs sind. Gar nicht primär von Menschen – man macht Erlebnisse ja auch nur bewältigbar, indem man sich selbst einen gewissen „Status“ zurechtzimmert, oder Quasi-Religionen. Überzeugungen können viele Gesichter haben – ob jetzt Platten besser als CDs klingen, oder solche Sachen. Das sind Dinge, die für Menschen wichtig sind – jetzt nicht global gesehen, sondern für Einzelne. Das sind oft absurde Sachen, die da hineinspielen – das finde ich einerseits spannend, und andererseits auch witzig. Und das spielt dann hinein.
subtext.at: Es sind also nicht unbedingt „globale“ Ereignisse, die bei Kreisky verarbeitet werden. Überspitzt formuliert: ist Kreisky dann eigentlich eh „wurscht“?
Franz Wenzl: Wenn man sich jetzt nicht dezidiert für Pop interessiert, dann sind wir wurscht, ja. Jede Band ist das bis zu einem gewissen Grad – klar, auch wenn zum Beispiel Pop in den 60ern nicht ausschließlich für Musik, sondern für vieles mehr gestanden ist. Bei einer „normalen“ Band ist es aber schon ein bisschen „Kunst für die Kunst“ – wenn Popmusik für jemanden wichtig ist, dann ist das natürlich etwas Anderes.
subtext.at: Bleiben wir mal bei „Pop“, oder besser gesagt im Bereich der „Unterhaltung“. Euer letztes Album habt ihr in einer Location aufgenommen, die man jetzt nicht unbedingt mit „Unterhaltungsmusik“ verbinden würde, dem Wiener Konzerthaus. Eine absichtliches Statement, als Kreisky in dieser Location aufzunehmen?
Franz Wenzl: Das Statement ist natürlich nicht am Anfang gestanden – unser Tontechniker hat eben den Raum im Konzerthaus gekannt, wo schon in den 70ern aufgenommen wurde. Seit einigen Jahren ist das der Proberaum der Wiener Symphoniker – wir wollten halt einen guten Raumklang haben, um das möglichst gut auch live aufnehmen zu können. Dass das dann im Konzerthaus ist, am Mozartsaal vorbei, wenn man dann im Keller seine Tracks aufnimmt – das entbehrt natürlich nicht einer gewissen Ironie. Das war uns natürlich bewusst – und natürlich haben wir uns da draufgesetzt. Aber es war nur ein Nebenprodukt.
subtext.at: Kreisky ist mit Oberösterreich stark verbunden – wie viel Oberösterreich ist auch eineinhalb Jahrzehnte nach dem Verlassen des Bundeslandes noch in Kreisky vorhanden?
Franz Wenzl: Schon viel, ja. Letztendlich sicher mehr Oberösterreich als Wien – ich wohne ja mittlerweile in München. Grundsätzlich würde ich uns aber schon als oberösterreichische Band bezeichnen.
subtext.at: Hätte Kreisky genauso funktioniert, wenn ihr euch anfangs in Wien getroffen hättet?
Franz Wenzl: Kommt drauf an, wo. Ich sehe es aber schon als Vorteil, nicht in einer Großstadt aufgewachsen zu sein, und nicht gleich mit „Codes“ und „Szenen“ in Berührung gekommen zu sein. Da findet man schnell Anschluss, aber das dafür vielleicht nicht so interessant. Bei uns war es schon so, dasswir das gesucht haben, was wir wollen.
subtext.at: Auch ein Grund dafür, weshalb Kreisky nicht die „klassischen“ Pop-Strukturen bedient?
Franz Wenzl: Die Einflüsse sind natürlich vielfältigst, klar.
subtext.at: Bleiben wir mal beim aktuellen Album, „Blick auf die Alpen“. Das ist jetzt schon fast zwei Jahre am Markt. Beim ersten Hören habe ich mich stark an das erste Album erinnert gefühlt – es wirkt „unverbrauchter“, um eine Floskel zu bemühen. Würdest du der der Behauptung zustimmen, dass ihr wieder puristischer seid?
Franz Wenzl: Hm, so habe ich das eigentlich noch nicht gesehen. Wir reden natürlich vor jeder Platte, wie sie im Vergleich anders klingen soll. So wahnsinnig weit kommen wir sowieso nie weg. Sie hat sicher ein bisschen mehr von der ersten – weil sich die beiden Platten dazwischen schon sehr um das „Laut sein“ gedreht haben. Vom Mastering weg angefangen. Bei der ersten Platte waren wir sicher noch stärker im Pop unterwegs – und bei „Blick auf die Alpen“ wollten wir das auch wieder stärker in dieser Richtung haben.
subtext.at: Also ein gewisses „Homecoming“?
Franz Wenzl: Das trifft es wahrscheinlich ganz gut im Vergleich zu den Vorgängern, wo wir schon ausloten wollten, in welche Extreme man den Kreisky-Sound treiben kann. Wenn man den dann ausreizt, wird man entweder unhörbar, oder geht etwas zurück. Wir haben dann doch letzteres gemacht (lacht).
subtext.at: „Blick auf die Alpen“ ist zwei Jahre her – die Standardfrage liegt quasi auf der Hand: habt ihr noch die Motivation, als Kreisky ein weiteres Album aufzunehmen?
Franz Wenzl: Grundsätzlich schon, auch wenn es aus persönlichen Gründen immer schwieriger wird. Wir kratzen auch am 40er – da gibt es Kinder und Jobs. Das ist dann schon eine Frage der Organisation. Aber ein paar Fragmente neuer Songs gibt es schon. Aber es macht natürlich noch immer Spaß, und ich kann mir auch wenig anderes vorstellen. Mit dem Martin mache ich ja auch schon 22 Jahre lang Musik mittlerweile.
subtext.at: Kreisky hat also kein biologisches Ablaufdatum?
Franz Wenzl: Ein paar Jahre Pause könnte es schon geben. Momentan ist es etwas ruhiger, aber wenn es wieder einen Grund gibt, etwas zu machen, geht das dann auch wieder ganz schnell.
subtext.at: Seit einem guten Jahrzehnt seid ihr ja weit herumgekommen – nicht nur in Österreich. Wenn du etwa an ein Konzert in Deutschland denkst – kommen Kreisky dort genauso an, oder auf eine andere Art?
Franz Wenzl: Wir haben jetzt keine großen Widerstände gespürt. Natürlich gibt’s etwa in Norddeutschland manchmal textliche Probleme – gerade beim „Grant“ oder den erwähnten „negativen Gefühlen“. Da gibt es schon Konzerte etwa in Hamburg, wo man das Gefühl hat, dass das Publikum jetzt nicht komplett darauf eingestellt ist. Das sind nette Leute, die auch sinnvoll miteinander kommunizieren könnten (lacht). In Österreich weiß bei „Grant“ jeder, was gemeint ist.
subtext.at: Bleiben wir mal bei den „verdammten Unterhaltenen“, dem Publikum. Habt ihr das Gefühl, dass sich die Erwartungen an euch als Band in den Jahren verändert haben?
Franz Wenzl: (überlegt) Man vergisst ja auch wieder so schnell. Vor Kurzem habe ich wieder mal Fotos von einem Auftritt vor 11 Jahren gesehen. Wie wir ausgesehen haben, welche Frisuren wir hatten – wir hatten überhaupt noch Haare damals (lacht). Für mich selber ist es noch ähnlich. Mittlerweile gibt es halt Leute, die uns länger verfolgen – das macht auch das Konzertspielen anders. Wenn sich Leute etwa freuen, wenn man wieder mal eine alte Nummer ausgräbt. Wir müssen da vielleicht nicht mehr neu überzeugen. Jedes Konzert ist eine Form von Kommunikation – wenn man einem Besucher die Geschichte eines Kreisky-Konzertes zum fünften Mal erzählen muss, muss man klarerweise etwas anders agieren.
subtext.at: Ein Konzert ist immer eine Interaktion zwischen Publikum und Artist – wie seht ihr es: mit den lauten Tracks quasi mit der Tür ins Haus fallen, oder erst mal ankommen?
Franz Wenzl: (überlegt) Beides hat was für sich. Kommt drauf an, ob das Publikum uns kennt. Wenn ja, dann hat ein langsames Steigern einen gewissen Reiz. Auf einem Festival sollte man schon gleich mal aufzeigen, wohin man geht.
subtext.at: Eine Frage mal andersrum: Was ist Kreisky für euch nicht?
Franz Wenzl: Eigentlich ist es so Vieles nicht. Es heißt ja oft, dass Kreisky „grantige, intellektuelle Wiener“ seien. Wir sind weder grantig, noch intellektuell, noch Wiener. Also ist das sowieso relativ.
subtext.at: Also liegt Wikipedia falsch, wenn sie Kreisky als „deutschsprachige Wiener Indie-Band“ bezeichnet?
Franz Wenzl: Deutschsprachig stimmt. Indie sind wir halt auch nicht wirklich. Es kratzt an gewissen Ecken, und wenn man auf FM4 läuft, ist man Indie. Klassisch wienerisch sind wir nicht.
subtext.at: Für viele Musiker ist die Musik eine Therapie. Auch für euch?
Franz Wenzl: Eine Mischung. Es gibt schon Anteile im Musikerleben, die nicht so viel Spaß machen. Vier Tage im Bus sitzen etwa. Aber das Auf-der-Bühne-Stehen entlädt schon etwas, was man sonst wohl anders loswerden müsste.
subtext.at: Was soll mal auf dem musikalischen Kreisky-Grabstein stehen?
Franz Wenzl: Sie haben es ehrlich probiert (lacht). Das fände ich relativ okay.
Weiter: