PJ HARVEY live @ Harvest Of Art 2016

Archaische Musik, mitten in Wien. Das Harvest Of Art, vom beschaulichen Wiesen in die österreichische Bundeshauptstadt (zwangs)umgezogen, gibt sein Bestes, um die ländliche Atmosphäre der Veranstaltungsreihe auch heuer in der City zu kreieren. Vergebens. Festivalstimmung will sich inmitten der Marx Halle am 8. Juli 2016 keine einstellen. Wenig Grün, viel Beton. Man kann eben nicht alles haben. Wie in den Jahren zuvor, verbindet das Lineup Bands, Musiker, Newcomer wie feste Größen aus den Genres Folk und Singer/Songwriter. Und als Headliner seit 15 Jahren wieder auf einer heimischen Bühne: PJ Harvey.

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Die Südengländerin in Wien, ein wirklich seltenes Gastspiel. Bevor die zweifache Mercury Music Prize-Gewinnerin  dran ist, buhlen Newcomer wie der Australier Matt Corby, der ehemalige The Frames-Frontmann Glen Hansard, die Indie-Schweizerin Sophie Hunger oder die alteingesessenen Herren von Element Of Crime um die Gunst der Zuschauer. Erwartungsvoll wartet das Publikum dennoch auf den Headliner.

PJ Harvey stakst im endzeitlichen Federnkleid kurz nach 22 Uhr über die Bühne, um sich mit ihrem neunköpfigen Männerensemble, prominent besetzt mit Musikern wie John Parish oder Alain Johannes, im Blues zu suhlen. Die Musiker stimmen im Chor oft mit ein, das Saxophon steht stark im Fokus. Es war zu erwarten. Was hier aufgeboten wird, ist sicherlich kein Easy Listening, wenn über Krieg, Katastrophen und Kollateralschäden gesungen wird. „They’re gonna put a Walmart here“, fräst sich die von Konsumkritik geprägte Zeile aus „The Community Of Hope“  in den Gehörgang.

Der Blick der Polly Jean, der wird in bester Songwriter-Manier nach außen, nicht mehr nach innen gerichtet. Das ist begrüßenswert, wenn auch zuweilen schwer verdaulich. Die Welt ist aus den Fugen geraten und die 46-Jährige dokumentiert diese Wandlung mit politischen Betrachtungen.

Harvey wirkt unnahbar, aber fokussiert, wenn die Stakkato-Rythmen auf das Publikum niederprasseln und knorriger Indie-Rock und bluesgrundierter Folk aus den Boxen kommen. Die scheue Künstlerin, die sich mit der Veröffentlichung ihres jüngsten Albums mit Vorwürfen des Armutstourismus herumschlagen muss, gibt keine Interviews. Wie üblich. Vieles ist beim alten geblieben in 15 Jahren bei PJ Harvey. Zugänglicheres Material von Alben wie „Stories From The City, Stories From The Sea“ oder „Uh Huh Her“ gibt es keines. Diese Songs wollen in Zeiten von Völkerwanderung, der immer größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich, steigendem Rechtsruck und Finanzkapitalismus auch nicht mehr so recht zu ihr passen. Es wird vorwiegend der Kapitalismus angeprangert. Zumindest darf man sich als Fan der ersten Stunde über Lieder wie „Down By The Water“, „To Bring You My Love“ oder „A Perfect Day Elise“ freuen und Anhänger politisch inspirierter Kunst, davon scheint es im Publikum an diesem Abend reichlich zu geben, freuen sich über eine ganz und gar besondere Darbietung.

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