„Greetings, carbon-based lifeforms!“ Enter Shikari / Arena Wien

„Fire up the rockets“ – an den britischen Genre-Grenzgänger Enter Shikari scheiden seit über 10 Jahren die Geister. Die einen verehren sie für ihren waghalsigen musikalischen Stilmix, ihre politischen und sozialkritischen Messages und ihren Hang zu völlig abgedrehten Liveshows, die anderen konnten mit dem exzentrischen Quartett aus St. Albans schlicht nie etwas anfangen. Mit dem aktuellem Album „The Spark“ sind sie mutmaßlich etwas zugänglicher geworden. Am Montag waren sie mit Astroid Boys als Support, aber leider ohne Lower Than Atlantis in der Arena Wien zu Gast. Wir haben uns vor Ort ein Bild gemacht.

Montagabend – „but it’s god damn Saturday night in here“, sollte Bassist Chris Batten später treffend bemerken. Um 20 Uhr war es aber noch verhältnismäßig ruhig und man konnte sich recht frei im Konzertsaal bewegen, als DJ Comfort von den Astroid Boys seine Plattenteller anwarf. Nach gut 15 Minuten Hip Hop Aufwärmprogramm zum Eingrooven gesellten sich auch die anderen Boys an seine Seite. Die Musik der fünf Waliser ist eine Mischung aus Grime und Hardcore Punk und damit im Vorprogramm von Enter Shikari grundsätzlich gut aufgehoben. Nach etwas zaghaftem Beginn dürfte das auch der überwiegende Teil der Crowd so gesehen haben und nickte artig mit den Köpfchen, wedelte mit den Armen zu den tief grummelnden Beats und stürzte sich vor allem gegen Ende zu ein paar älteren (und hardcore-lastigeren) Stücken in den Moshpit. Mission erfüllt, würden wir sagen.

Nicht nur musikalisch, sondern auch optisch zeigen sich Enter Shikari von Album zu Album sehr wandelbar. Das aktuelle heißt „The Spark“ und setzt weniger auf die bisherigen Trademarksounds aus Trance, hektischen Dubstep Parts und Post-Hardcore Gitarren, sondern experimentiert mit einfacheren Strukturen und gibt sich unverschämt poppig. Im Auftreten schlägt sich das in Hemden, Anzügen, der beim Equipment vorherschenden Farbe Türkis und der Robert Smith Gedächtnis-Frisur von Frontmann Rou Reynolds nieder. Und dann wäre da noch „the machine“. Ein futuristisch aussehender Synthesizer direkt aus dem 3D Drucker, der nicht nur das Cover der aktuellen Platte ziert, sondern auch ein elementarer Bestand der Show ist. So weit zu den Oberflächlichkeiten. Gleich in den Eröffnungsmomenten lassen die Shikaris neues („The Sights“) und altes („Solidarity“) aufeinanderprallen und legen so die Marschrichtung für die nächsten 100 Minuten fest. Das Publikum ist von Beginn weg Feuer und Flamme. Politik und Party gehen hier immer noch Hand in Hand. Was für eine überragend gute Liveband Enter Shikari sind zeigt sich vor allem dann, wenn sie mühelos Songs ineinander übergehen, dort mal einen Remix reinhauen, oder gleich einen Part auslassen und zum mitten in den nächsten Song springen. Im letzten Drittel des Sets gibt es dann sogar noch intime Singalongs am Klavier zu „Airfield“ und „Adieu“ ehe das Adrenalinlevel zum Schluss noch einmal auf Anschlag gepumpt wird.

Da werden 4 Songs in ein 8-minütiges Medley gepackt, darauf geachtet, dass das Tempo ja nie gedrosselt wird und schon hat man einen verschwitzten Dauer-Moshpit bis zum Ende des Konzertes garantiert. Weil es mittlerweile etwas tropisch in der Halle zu werden drohte, entschloss sich Reynolds bei „Redshift“ dann gar zum Gang an die frische Luft, schnappte sich Gitarre und Mikroständer, verschwand durch den Notausgang an der Seite und plärrte den Schluss des Songs dem mit Sternen behangenen Wiener Nachthimmel entgegen. Enter Shikari in a nutshell quasi. Zum Ausklang gab es mit dem aktuellen Über-Ohrwurm „Live Outside“ (Anmerkung des Autors: inoffizieller Sommerhit 2017) noch einmal ganz viel Anlass für die ausverkaufte Arena bis zum Versagen der Stimmbänder mitzusingen.

Ein fantastischer Abend, der eigentlich keinen Platz für Kritik bot und einmal mehr eine Machtdemonstration der Liveband Enter Shikari darstellte. Wie immer man ihrer Musik auch gegenüberstehen mag, diese Show müsste man einfach mal gesehen haben. Chapeau!

Fotos: Andreas Wörister (Facebook / Homepage )

Schreibt Albumrezensionen, Konzertberichte und führt gerne Interviews - transkribieren tut er diese aber weniger gern. Immer wieder auch für Blödsinnigkeiten abseits seines Kerngebiets "Musik" zu haben. Hosted einmal monatlich die Sendung "Subtext on Air" auf Radio FRO, ist bei mehreren Kulturinitiativen und in einer Band aktiv.