Foto: Christoph Leeb

SBÄM Fest 5: Punkrock im Markerlparadies

Neue Location, größeres Lineup, neues Konzept: das SBÄM Fest ließ musikalisch wenige Wünsche offen. Mit Ausnahme von NOFX. Organisatorisch allerdings doch.

Die Geschichte des SBÄM-Fests könnte man eigentlich positiv gewillt so zusammenfassen: historisch gewachsen. Was im GEI Timelkam begann wanderte über den Welser Schlachthof in die Linzer Tabakfabrik. Nach dem 2022-er-Urban Event wurde heuer im Stile des „Punk Rock Holiday“ an den Linzer Pichlinger See gewandert. Ein idyllischer Badesee, öffentlich halbwegs erreichbar, schönes Wetter. Was will der Punk-Drangler mehr? Musikalisch ein schönes Wochenende, organisatorisch gibts da aber so einiges, das auch einige Tage später noch Magenschmerzen macht.

NOFX: Going Out in Silence

Hier vorab ein Disclaimer: wir haben uns die Show erspart. Weil wir am Samstagmittag mit den Worten „Servus, wir hätten euch eigentlich auch gestern auf der Guestlist gehabt“ begrüßt wurden. Eigentlich wurde uns im Vorhinein mitgeteilt, dass wir bei NOFX nicht akkreditiert sind – ursprünglich schade, im Nachhinein ein Segen, haben wir uns Berichten zufolge doch eine der schlechtesten, naja, sagen wir mal Live-Performances von Fat Mike und Co erspart. Um einen Festivalbesucher zu zitieren: „Ich hab den Glauben an NOFX schon vor 10 Jahren verloren. Mich hat das [am Freitag] nicht überrascht.“ Hätte er nur die Band gemeint, es wäre genug gewesen. Genauso wie die brachiale Live-Urgewalt der Donots, deren Set nach abenteuerlicher Zug-Anreise auf ein halbes Stündchen zusammengekürzt wurde, eher unglücklich schienen. Zumindest auf Social Media. Hätte durchaus länger dauern dürfen – vor allem deswegen, weil ja zweieinhalb Stunden NOFX-Live-Set angekündigt waren, inklusive dreier voller Alben und EPs in voller Länge. Es sind um einiges weniger geworden.

„So Long And Thanks For All The Shoes“, „White Trash, Two Heebs, and a Bean“ und „The Decline“ wären das gewesen – wenn der gute Fat Mike eine Stimme gehabt hätte und Eric Melvyn Berichten zufolge nicht eher schlecht als recht am lead vocal aushelfen hätte müssen. „The Decline“ wurde dann halt mal declined. Was mit der „Live in Linz“-3-LP-Version passiert, die man um 55€ vorab bestellen konnte, wird jetzt lustig. 2×20 Minuten Silence auf eigener Platte? Karaoke/Sing-Along-Version? Man darf gespannt sein. Immerhin hatten wir das Ganze nicht mitbekommen.

Samstag: To Pay Cashless or not to pay cashless…

Zugegeben: ein etwas flaues Gefühl hatten wir dann schon, als wir die Social Media-Postings vom Freitag mitbekommen hatten. Von überforderter Getränkeausschank, Getränkemarkerl-Wahnsinn, übermotivierter Polizeipräsenz und ähnlichen Problemen wurde neben dem NOFX’schen Fiasko berichtet. Sogar SBÄM selbst fühlte sich verpflichtet, via Social Media ein „Sorry! Wir nehmen eure Kritik ernst!“ rauszuposaunen. Nunja: falsch war das allerdings nicht, was hier kritisiert wurde, aber dazu später mehr.

Angekommen am Pichlinger Bahnhof hatten wir auch als Ortskundiger erstmal das Problem: wohin? Zwar wurde der Google-Maps-Standort eingezeichnet auf Social Media durchgegeben, am Bahnhof angekommen deutete allerdings nichts darauf hin, dass hier irgendwo ein Punkrock-Fest stattfindet. Außer eindeutig gekleidete Besucher:innen, mit Bier bewaffnet. Nun, so eine Seerunde ist ja auch was Schönes und führt uns hier zu unserem heimlichen Highlight des Wochenendes: die Gaststätte „Zum Seeblick“.

Hier wurde man verwöhnt: Schnitzerl, gezapftes Bier, selbstgedrehte Berner Würstel, Eispalatschinken – oder kurzum alles, was der geneigte Punk-Drangler braucht. Bezahlt mit, in Österrreich üblich, Bargeld. Welch Wunder und keine Selbstverständlichkeit, wie sich herausstellen sollte.

Angekommen am SBÄM-Festivalgelände, begrüßt durch mal gelangweilte, mal halbfreundliche Securities, wurde dann eines der „most discussed topics“ am Festival erstmals auch für uns offensichtlich: das Bezahlsystem. Das bestand aus Wertmarkerln, oder, in Neuenglisch, der „SBÄMOcurrency“. „You can pay with cash or card“ wurde vor dem Festival nach dem semigeglückten Versuch der Cashless-Zahlung im Vorjahr vor dem Festival gesagt – und stimmte nur zur Hälfte. Denn die SBÄMocurrency, also die Markerl, galten nur am Getränkestand. Essen oder, ja, auf einem Festival beliebtes Merchandise durfte nur mit Bargeld bezahlt werden. Blöd für all die auch nichtösterreichischen Gäste, die geglaubt hätten, ohne Bargeld am Festival auszukommen. Die mussten leider hungern und ohne Merch auskommen. Und sorgten bereits während und nach NOFX für rege Diskussionen auf Social Media. Der nächste Bankomat? Mindestens drei Kilometer entfernt.

Faire Preise

Ein eigenes Bezahlsystem ist nix Neues – positive Beispiele wie das Maifeld Derby Mannheim oder das MetalDays zeugen davon. Kleinere Zeltfestln schaffen das auch. Dort überall kann man sogar Essen oder Bandmerchandise mit der Festivalwährung kaufen. Zurückgeben konnte man die SBÄMocurrency übrigens auch nicht. Auch spannend. Immerhin durfte man die freitägliche Kritik auch bei SBÄM so gesehen haben, so konnte man an einem Bierstand mit Bargeld (wenn man denn welches mit hatte) kaltes Bier um 5 Euro kaufen. Ein fairer Preis, wie wir finden, genauso wie die „honorable mention“ an das Barpersonal ebendort ging. Die waren freundlich und konnten auch einschenken – sodass es dort auch bedeutend schneller ging als an den Hauptbars. Dort durfte man schon mal ein halbes Stunderl warten, wenngleich das Personal aber doch genuin freundlich war.

Sollte man übrigens mittlerweile festivalübliches Gratis-Trinkwasser gesucht haben: Nope. Gabs am Gelände nicht. Sollte aber eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, grade an einem gut angeschlossenen See.

So, genug des Gesuderes, kommen wir mal zum Positiven. Die Preisgestaltung am Infield für ein Festival? Gut. 5 Euro fürs Bier ist wie erwähnt ok, genauso wie Essenspreise unter der 10-Euro-Grenze für „was Anständiges“. Die Klo-Situation: überraschend wenig grauslig, auch abends. Wenn man sich nicht grade ein nicht billiges Upgrade gegönnt hatte und im VIP-Zelt verweilte, das neben der Dixi-Straße stand. Und nun kommen wir zu dem, was am besten war: die Bands.

mehr als gute Musik

Hier mal gleich ein Lob vorweg: soundtechnisch eines der besten Festivals, wo wir gewesen sind in letzter Zeit. Changeover? Eingehalten! Zebrahead, Less Than Jake, Anti Flag, Venerea, Turbobier und die grandiosen Flogging Molly bewiesen, warum Punkrock so leiwand ist. Egal ob politisch, ob Skate-Punk, ob Folk: das Publikum zeigte sich textsicher, tanzfreudig und ließ sich auch vom Drumherum nicht aus dem Konzept bringen. Crowdsurfen? Sicher – auch wenn sich das gefährlich zeigte. Liebe Securities: Crowdsurfer muss man AUS DER MENGE bringen, und nicht wieder reindrücken. Genauso wie man Herausgezogene sicher am Boden landen lassen sollte und nicht kopfüber. Trust us: die Notaufnahmen und Unfallambulanzen haben so auch schon genug zu tun.

Mit gemischten Gefühlen verließen wir den Samstag am SBÄM Fest – musikalisch hats uns getaugt, das Drumherum war aber vielen sauer aufgestoßen, wenn man sich am Festival umhörte.

Sonntag: „zum ranzigen Seeblick“

Sonntag, same time, same Location. Immerhin wusste man ja schon, wo man hin muss. So führte uns unser erster Weg zu den mitunter auch überforderten, aber ebenso herzilich-trockenen Wirtsleuten von „Zum Seeblick“. Haben wir schon die Schnitzerl, das Bier, die selbstgedrehten Berner Würstel und die Eispalatschinken erwähnt? Ja? Macht nix, die haben auch eine zweite Erwähnung mehr als verdient. Immerhin hatten wir am Bahnhof den Bankomaten vor dem Weg zum Festival noch bevölkert – man lernt ja dazu.

Am Gelände merkte man: Besucher:innen hatten sich arrangiert. Wasser gabs zwar immer noch nicht, aber Bargeld hatten die Meisten schon eingesteckt, um Essen kaufen zu können. Getränkemarkerl (oder wahlweise mit Bargeld Bier, aber halt auch nur Bier) konnte man ja mit Bankomatkarte kaufen. Zurückgeben leider immer noch nicht. Immer noch spannend. Gelinde gesagt. Was mache ich, wenn ich nicht alles versaufe? Trinkgeld wär ja immer noch freiwillig.

Musikalisch war der letzte Tag aber nochmal eine Steigerung zum Samstag. Neben dem immer großartigen Frank Turner, der die Securities gleich noch mal live schulte, was es heißt, Crowdsurfer zu fangen, The Menzingers und den erstmals in Österreich aufspielenden und triumphierenden Bowling for Soup waren es vor allem Rancid, die unsere Punk-Herzen höher schlagen ließen. Tim Armstrong zeigt sich in Bestform, das leider nicht so zahlreich im Vergleich zum Vortag ebenfalls hocherfreut. Ein würdiger Headliner, der uns mit „Time Bomb“ und „Ruby Soho“ in die Pichlinger Nacht entlässt. Wobei, da hätten wir unseren heimlichen Headliner vergessen: Enter Shikari. Soundtechnisch leider als Einziges nicht komplett auf der Höhe zeigten es die Briten den alteingesessenen Punkern, was die neue Generation hört: ein bisserl Post-Hardcoe, Electro und Dubsteps. Nicht nur angesichts der teils unverständlichen Blicke im Publikum: unbezahlbar!

Und was bleibt jetzt?

Zugegeben: es ist schwer, hier ein Fazit zu ziehen. Musikalisch war das ganze nämlich durchaus top, was hier geboten wurde. Wenn man NOFX mal abzieht, aber da kriegt man halt auch immer eine Wundertüte. Die Location? Ebenfalls top. Angesichts der organisatorischen Umstände wurde uns aber von einigen Ecken deutlich gesagt, dass das alles andere als leiwand ist. Finden wir auch: zwei Zahlsysteme ohne Rückgabemöglichkeit, wenig Beschilderungen am und ums Gelände, kein Gratis-Wasser, Securities der mittlerfreundlichen (draußen) bis gefährlichen (für Crowdsurfer) Sorte samt Polizeipräsenz wie am Betriebsausflug derselben hinterlassen einen fahlen Beigeschmack. Es bleibt zu hoffen, dass SBÄM hier nachbessert, denn nur Freunde hat sich der Linzer „Punk-Papst“ auf diesem Festival sicher nicht gemacht.


fest.sbam.rocks

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.