Sweeney Todd im Musiktheater Linz
Das Musiktheater Linz präsentiert derzeit Stephen Sondheims Musical-Thriller Sweeney Todd. Die Inszenierung besticht durch ein (wie immer) talentiertes Ensemble und ein beeindruckendes Bühnenbild. Lies hier mehr über die düstere Geschichte des rachsüchtigen Barbiers, der mit seiner Komplizin mörderische Pläne schmiedet.
Mit Sweeney Todd bringt das Musiktheater Linz einen der packendsten Musical-Thriller auf die Bühne. Stephen Sondheims Meisterwerk verbindet tiefgehende Emotionen mit schauriger Spannung und einer eindrucksvollen Inszenierung. Die Kombination aus düsteren Klängen, schwarzem Humor und einem brillanten Ensemble macht dieses Musical zu einem besonderen Erlebnis. Doch erstmal mehr zur Geschichte des dämonischen Barbiers aus der Fleet Street.
Die Handlung von Sweeney Todd
Das Musical Sweeney Todd: The Demon Barber of Fleet Street von Stephen Sondheim erzählt die düstere Geschichte von Benjamin Barker, der nach Jahren im Exil unter dem Namen Sweeney Todd nach London zurückkehrt. Von dem korrupten Richter Turpin einst zu Unrecht verbannt, sinnt er auf Rache. In seinem alten Barbershop eröffnet er erneut einen Friseursalon – mit tödlichen Absichten. Der Barbershop befindet sich über Mrs. Lovetts Fleischpastetenladen. Diese erkennt Sweeney wieder und erzählt ihm, dass seine Frau sich vergiftet hat und seine Tochter Johanna seitdem Richter Turpins Mündel ist. Anthony, der Sweeney Todd auf See das Leben gerettet hat, verliebt sich in Johanna und plant, sie zu befreien. Währenddessen fordert der Betrüger Pirelli Todd heraus, doch Todd tötet ihn, als Pirelli seine wahre Identität erkennt. Mrs. Lovett schlägt vor, die Leichen für ihre Pasteten zu nutzen. Der Akt endet, als Todd schwört, Turpin und alle korrupten Londoner zu richten.
Im zweiten Akt floriert Mrs. Lovetts Pastetenladen, während Todd rastlos bleibt und weiter mordet. Anthony plant Johannas Flucht aus dem Irrenhaus, in das sie Richter Turpin gesteckt hat, versucht darum, sie von Anthony fernzuhalten, weil er Johanna selbst heiraten möchte. Als Tobias, der ehemalige Hilfsjunge vom nun toten Pirelli, Verdacht schöpft, sperrt ihn Mrs. Lovett in die Backstube, wo er Leichenteile findet. Todd lockt Turpin ein weiteres Mal in seinen Laden und schafft es endlich ihn zu töten. In seinem Rausch ermordet er auch die Bettlerin – seine eigene Frau. Da Mrs. Lovett ihn belogen hat, wirft er sie ins Feuer und wird schließlich von Tobias, der sich in der Kanalisation versteckt hat, getötet.
Die Hintergründe zum Musical
Die Geschichte von Sweeney Todd geht auf eine englische Legende zurück. Die erste bekannte Erzählung erschien 1846 als Fortsetzungsroman The String of Pearls und wurde später in Theaterstücken adaptiert. Stephen Sondheim machte aus dem Stoff ein Musical, inspiriert von Christopher Bonds Theaterfassung (1973), die Todd als tragische Figur mit einem Rachemotiv darstellte. Die Uraufführung des Musicals fand 1979 am Broadway statt, inszeniert von Harold Prince. Seitdem wird Sweeney Todd weltweit gespielt und wurde mehrfach verfilmt. Es ist schwierig, Sweeney Todd in eine Gattung zu zwängen. Stephen Sondheim sagt dazu selbst: „Dunkle Operette lautet meine Annäherung, aber das ist ebenso eine Fallbezeichnung wie alle anderen. Sweeney Todd ist in Wahrheit ein Film für die Bühne.“
Abschied von Daniela Dett
Mrs. Lovett ist Daniena Detts letzte Rolle im großen Haus. Dass das Musical in Linz derzeit spielt, haben wir ihr zu verdanken. Laut Dett ist Mrs. Lovett eine Rolle, die sie auf ihrer Bucket List hatte, nun vor ihrer Pause aus dem Rampenlicht abhacken konnte. Sie setzt die Rolle sehr interessant um. Eigentlich hat die Figur der Mrs. Lovett nichts Liebenswertes an sich, doch Daniela gibt ihr eine unverkennbare Art Witz und Charme, die das Publikum anregt mitzufühlen. Ihr tragischer Tod ist nicht weniger schlimm, als ihr dabei zuzusehen, wie sie ihre ganze Liebe an Sweeney Todd verschwendet, der nur Liebe für sein blutiges Barbiermesser hat, aber leider nicht für Mrs. Lovett.
Daniela, das Publikum hat nur Augen für dich! Danke, dass du uns über so viele Jahre dein Inneres gezeigt hast. Wir haben dich und deine Figuren geliebt. Danke für die wunderbaren Stunden mit so vielen unterschiedlichen Facetten von dir. Wir wünschen dir eine erholsame Pause und freuen uns, dich auf anderen Bühnen wiederzusehen!
Das Ensemble
Neben Daniela Dett spielt Max Niemeyer den Sweeney Todd. Er balanciert gekonnt zwischen Wahnsinn, Wut und Verzweiflung. Vor allem der Wechsel zwischen den Emotionen gelingt Niemeyer hervorragend, während er mit Leichtigkeit die schwierigen Songs Sondheims trällert. Begeistert hat mich außerdem Gernot Romic als Pirelli, der mich mit seinem sehr guten italienischen Akzent zum Lachen bringt. Als dann der Wechsel vom italienischen Sing-Sang zum plötzlich Hochdeutschen reibungslos passiert, bin ich Pirelli Romic verfallen. Leider stirbt er dann recht schnell, aber Eindruck hat er hinterlassen!
Karsten Kenzel spielt den Richter Turpin, dem man als Publikum gemeinsam mit seinem ergebenen Bamford, Enrico Treuse, wünscht, sie würden schnell unter das Messer von Sweeney geraten. Die kalten Augen, die ekelhafte Lüsternheit nach Johanna und die Grausamkeit lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Valerie Luksch, die bei meinem Besuch die Rolle der Johanna spielt, trällert wie ein Vögelchen im Käfig und besticht mit ihrem Sopran, wenn sie sich gemeinsam mit Christian Fröhlich als Anthony ein gemeinsames Leben erträumt. Die Bettlerin, üblicherweise gespielt von Sanne Mielo, wurde gecovert, was außerordentlich gut funktioniert hat.
Ergänzt wird das Linzer Musical Ensemble von Student:innen der Wiener MUK. Die Fülle an Menschen macht die Nummern mit dem ganzen Ensemble auf der Bühne zu einer Wucht. Die ausgeklügelte Inszenierung und Choreografie machen die Tracks mit dem ganzen Ensemble zu meinen absoluten Favoriten des Musicals!
Bühnenbild und Kostüm
Die Inszenierung von Sweeney Todd am Musiktheater Linz beeindruckt mit einem atmosphärischen Bühnenbild von Charles Quiggin, das das düstere London des 19. Jahrhunderts lebendig werden lässt. Im Zentrum der Bühne steht Mrs. Lovetts heruntergekommener Pastetenladen, während drehbare Elemente und bewegliche Kulissen fließende Übergänge zwischen den verschiedenen Schauplätzen ermöglichen – von Todds Barbershop bis zum herrschaftlichen Haus von Richter Turpin.
Im ersten Akt ist die detailreiche Darstellung von Johannas Zimmer ein Highlight, denn das Zimmer wirkt wie ein Vogelkäfig und passt perfekt zu ihrem Song „Grünfink und Nachtigall“. Im zweiten Akt staune ich, als sich plötzlich der Pastetenladen hebt und wir in die Backküche im Keller blicken können. Ich hätte niemals damit gerechnet, dass sich ein 2-stöckiges Haus plötzlich hebt! Damit wird die Funktion des Barbierstuhls noch spannender, denn wenn Sweeney den Hebel betätigt, rutscht der Leichnam durch eine Luke in den Keller – Praktisch!
Die Kostüme von Aleš Valášek verstärken die düstere Atmosphäre. Abgesehen von wenigen auffälligen Akzenten – wie Pirellis bunter Aufmachung oder Johannas hellen, unschuldigen Kleidern – dominieren dunkle, gedeckte Farben das Bild. Vor allem die Perücken und Kleider des Ensembles finde ich persönlich sehr gelungen. Gesamt machen Bühnenbild und Kostüme sowie H&M das Musical zu einem Filmset. So eine runde Atmosphäre ist wahrlich beeindruckend.
Fazit
Gesamt besticht Sweeney Todd am Linzer Musiktheater atmosphärisch. Mittlerweile wissen unsere Leser:innen, dass ich Fan vom Musical Ensemble Linz bin und immer sehr wenig auszusetzen habe – so auch hier. Wer ein schwarzes, düsteres Musical sehen möchte, das hervorragend von dem Ensemble, dem Orchester und der Kulisse umgesetzt wird, kauft noch Karten für Sweeney Todd! Ich bevorzuge buntere Stücke und freue mich schon auf das nächste Musical – Rent, das derzeit noch in Proben ist.
Fotos: Barbara Pálffy