Maifeld Derby 2025: ehe wir langsam verglühen…
… dann lieber gehn mit nem Knall. Was Casper 2014 mit „Im Ascheregen“ meinte, könnte auch das Motto des finalen Maifeld Derby in Mannheim sein. 2025 mit Kraftklub als Secret Headliner wurde der erste Tag mehr als würdig begangen.
„Save The Last Ride“ – das Maifeld Derby in Mannheim ging am Wochenende in die finale Auflage. Über die Gründe hat uns Festivalgründer, Booker und Mastermind Timo Kumpf bereits ein ausführliches Interview gegeben. Dementsprechend groß war auch die Resonanz in der Festvialcommunity – und das Maifeld Derby das erste Mal in der Geschichte komplett sold out. Dass sich dann auch noch Kraftklub als Secret Headliner des ersten Tages blicken lassten, passte hier nur noch mehr ins Gesamtbild. Aber auch sonst war das Lineup wie immer: bunt, entdeckenswert, in manchen Slots einfach nur großartig.
Lauch Creme Gruppe
Den Auftakt bei diesem wunderbaren Festival Wetter machte eine Mannheimer Gruppe, die sich als perfekter Opener herausstellte. Lustiger Hip-Hop mit elektronischen Beats, der sich selber nicht ernst nimmt, aber vor allem auch damit großartig ist. Da geht es um Leberwurst, Curry King oder in ihrem neuen Song um Ibuprofen. Eingängige und lustige Texte, die sich gut mitsingen lassen und das ein oder andere Schmunzeln zurück lassen. Highlight aber der – Zitat – „antikapitalistischen linken Zeckenband“ war die Lobeshymne auf Weihnachten. Papa und Mama, gebt mir doch einfach Bargeld!
Salami Rose Joe Louis
Den zweiten Slot auf der Open Air Stage durfte Salami Rose Joe Louis bespielen. Im Vergleich zur Lauch Creme Gruppe zuvor ein Stilbruch: fordernd, ausgeklügelte Sounds, aber auch eine Dankbarkeit auf der Maifeld Derby Bühne stehen zu dürfen. Schubladendenken, wie es im Programmheft heißt, ist hier sicher nicht Programm. Hier werden Konventionen gebrochen, um einen eigenen Stil zu kreieren. Klingt herausfordernd? Ist es aber nicht, macht nämlich auch bei brütender Hitze an einem Open Air Spaß. Gerne wieder im Jazz-Club des Vertrauens!
Kalkyl
Die Eröffnung auf der Parcour’s d’Amour Stage durften auch lokale Musiker gestalten, nämlich Kalkyl. Das die beiden Herren aus Mannheim stammen mag man eigentlich gar nicht glauben. Wunderbarer englischer Gesang, der einen sofort in die USA entführt. Die Gitarren und auch der Stil der Songs wandelt zwischen Country, Folk und den Bahamas. Aber stets auf den Punkt und erinnert beispielsweise an Künstler wie John Allen. Starker Gesang, der einen sofort packt und nicht mehr loslässt. Hochverdient damit auch, dass die Sitzreihen bereits sehr gut gefüllt waren. Das Ganze noch bei einem Lagerfeuer am Abend in der Natur und dann ist das eine Zehn von Zehn. Highlight!
Die Glücksritter
Open-Air-Arena-Stage-Eröffnungsact. Nun, diese Bühne wurde in den letzten Maifeld Derby-Jahren für Fans der härteren Musik immer interessanter. Eröffnen durften diese Stage am Freitag die Glücksritter. Das Trio macht Indie Punk der „neuen Schule“, ist durchaus diskursiv unterwegs, und verpackt in das knapp halbstündige Set Einiges an Energie. Schön, das erste oder zweite (oder doch dritte?!) Festivalbier zu dieser Band ausschwitzen zu dürfen!
Antony Szmierek
Frisch aus Manchester begeisterte Antony Szmierek danach die Festivalgäste. Indie-Rap, elektronische Einflüsse, britischer Humor – und soweit wir uns erinnern können der erste Ausflug in den Maifeld-Derby-Biergarten eines Artists. Sympathischer Auftritt, der auch mit großem Applaus bedient wurde. Außerdem durften wir Antony danach auch bei anderen Acts noch in den ersten Reihen beim Shaken bewundern: Musik verbindet, oder?
Pearl & The Oysters
Im Palastzelt gab es zu dieser frühen Uhrzeit eine musikalische Perle zu sehen. Und sorry, ja, wir wissen, wie scheiße dieser Wortwitz grade war. Indie-Pop der ganz, ganz, gaaaaaaaaaanz tief in die Gehörgänge eindringenden Sorte. Das französisch-amerikanische Duo, hier als Full Band, das macht Spaß, bringt sogar einige Surf Rock-Elemente mit ins Set und lädt zum Träumen ein. Alles erfüllt, was man sich von einer Festival-Nachmittags-Band erwartet, oder?
Kate Bollinger
Für viele ein Highlight war die amerikanische Folk Sängerin Kate Bollinger. Hier platzte der Parcours D’Amour aus allen Nähten. Zurecht: denn die Dame aus Los Angeles hat einfach eine vereinnahmende, zuckersüsse und feine Stimme, die Einen in kurzer Zeit bezaubert hat. Das war zum einfach Zurücklehnen und Genießen. Dieser Gig brauchte auch nicht viel Drumherum, keine besonderen Aktionen. Diese Stimme in Kombination mit der einfachen instrumentalen Begleitung, die aber nie fehl am Platz wirkt, sondern sie unterstreicht steht für sich alleine. Zurecht gab es am Ende einen sehr lauten und langen Applaus.
Nand
Aus Würzburg – also nicht unbedingt ganz weit weg – andgereist war Nand. Träume in Beton heißt seine aktuelle Platte. „Den Zeitgeist getroffen“, könnte man wohl sagen. Tanzbar, deutsche Texte, die den Nerv treffen, dazu eine Trompete. Ein Instrument, das er früher nicht immer gemocht hat, wie er anmerkt, das aber in sein Repertoire gut integriert wurde. Hui, ist das tanzbar. Dürfte auch die Crowd am Maifeld Derby so gesehen haben. Da ging die sprichwörtliche Post schon gut ab!
Zimmer 90
„Alle Schaltjahre gibt es mal eine deutsche Indie-Band, die auch international durchstartet“ – so Booker Timo Kumpf im Programmheft über Zimmer 90. Im Rahmen ihrer ersten Festivalshow in diesem Jahr wird schnell deutlich, warum das so ist. Und warum wir in Wien so begeistert von ihnen waren (hier zur Review). Wie catchy Tunes funktionieren, weiß das Trio. Eindeutig. Ein bisschen Melancholie, ein bisschen Giant Rooks – das ist eine Band, die in den nächsten Jahren noch größere Stages erklimmen wird. Bis dahin wird hier ein Indie-Pop-Konzert geboten, das zufrieden stellt. Das Genre zwar keineswegs neu erfindet, aber auch nix falsch macht. Unterhaltung. Im besten aller gemeinten Sinne.
Library Card
Frisch aus den Niederlanden waren Library Card die nächste Band auf der Arena-Bühne. Die ganz allgemein auch im letzten Jahr des Derbys eine absolute Bereicherung ist. Aber zurück zu Library Card. Kantiger Post-Punk, der aber auch seine ruhigeren Elemente hat und durch sehr spontane Wechsel der Intensität zu begeistern weiß. Starker Instrumentaler Fokus auf den Bass und das Schlagzeug, die Gitarre geht da etwas unter. Insgesamt ein sehr Interessanter Gig der vor allem Genre Fans begeistert haben dürfte. Das Genre nicht neu erfindet, aber durchaus spannend eigen interpretiert.
Yerai Cortes
Unter die Kategorie Special Interest bzw. für Genrefans ist dann Yerai Cortes gefallen. Der spanische Flamenco Gitarrist ist sicherlich eine Ausnahme selbst für das Maifeld Derby. Gab es in dieser Form in vierzehn Jahren auch noch nicht. Es bleibt aber eben ein Act der wohl primär für Fans des Genres perfekt ist. Wer mit Flamenco nichts anfangen kann wird hier wohl auch nicht vom Gegenteil überzeugt.
Warhaus
Nun zum eigentlichen Highlight des Tages. Jaja, wir wissen schon, Kraftklub, Zaho de Sagazan, blablaba. Aber was Warhaus an diesem Abend auf die Stage des Palastzeltes zauberte, hat bei uns nachhaltigsten Eindruck hinterlassen. Maarten Delvodere alias Warhaus kennt man. Als Sänger von Balthazar (Anspieltipp!), seit 2016 auch als Soloprojekt Warhaus. Mit Karaoke Moon ist 2024 das letzte Album erschienen. Die Show am Maifeld Derby? Wie angeteasert: denkwürdig. Musikalisch samt Band on Point, und eine Attitüde on stage, die ihresgleichen sucht. Hier steht kein Artist auf der Bühne, sondern eine Erscheinung. Die Songs entwickeln sich langsam, brechen aus, um danach noch weitere Höhepunkte zu suchen. Immer mit einem gewissen Drive dahinter. Ich (Chris) habe in meinem Leben ca. 1500 Konzerte besucht: aber eine solche Gänsehaut wie im Rahmen dieses Konzertes habe ich seltenst erlebt. Danke, liebes Maifeld Derby, dass hier wieder eine Entdeckung stattgefunden hat!
Big Special
Den, zumindest was live Bands angeht, Abschluss auf der Arena Bühne an diesem ersten Festivaltag machten die Briten von Big Special. Und was für einen Abschluss. Frisches Duo aus den Arbeiterbezirken von Birningham. In der Tradition von Sleaford Mods – von denen sie ganz klar inspiriert wurden. Dreckiger, direkter Gesang der mehr Sprechgesang als Gesang ist aber dadurch perfekt dieses Feeling transportiert. Vom täglichen Kampf ums Überleben, von ständig knappen Kassen, von Gewalt, der Kritik an den Oberen und vielem mehr. Live gespielt wird als einziges Instrument das Schlagzeug, welches Schlagzeuger Callum Moloney impulsiv bedient. Alle anderen Instrumente kommen vom Band. Auch um es Sänger Joe Hicklin einfacher zu machen. Und er liefert, und zwar wie. Extrem starker Gesang, treffsicher und mit großer Wucht. Das war absolut ein Highlight dieses Tages!
Kraftklub
Als wir morgens im Hotel aufgewacht sind (ja, wir sind alt!) und das Kraftklub-Announcment gesehen haben, waren wir uns nicht sicher, ob das ein Gag war oder wir noch träumen. Beides möglich, es war aber dann doch die Wahrheit. Secret Headliner Kraftklub, was für ein Move – einen Tag nachdem das neue Album „Sterben in Karl Marx Stadt“ und die dazugehörige Tour announced wurde. Da bietet sich doch diese öffentliche Probe am Maifeld Derby an. Das dachte sich dann auch um 22:00 so ziemlich jede einzelne Person auf dem Gelände. Da war es gesteckt voll vor der Open Air Bühne. So viele Menschen vor dieser Bühne hat es noch nie gegeben. Aber halt auch zurecht. Man mag zu den neueren Alben stehen wie man will. Vor allem live sind Kraftklub einfach doch eine Wucht. Sänger Felix Kummer ist eine Gewalt auf der Bühne und legte auch hier in Mannheim wieder eine perfekte Live-Performance hin. Auch die neuen Songs, in der Setlist gut eingewoben , rund um die alten Klassiker wie Songs für Liam, funktionierten bereits jetzt wunderbar. Was soll man noch sagen, das war eine großartige Stunde, ein großartiger Auftritt. Maifeld Derby, das hast du dir verdient, und die Besucher ein kleines Bisschen auch, oder?
Zaho De Sagazan
Und ja, nach Kraftklub gab es ja noch einen eigentlichen Headliner an diesem Abend. Zaho De Sagazan. Die Französin schießt gerade in den musikalischen Himmel, seit zwei Jahren geht ihre Karriere nur in eine Richtung: nach oben. Warum, das wird am Maifeld Derby schnell deutlich: das ist ein Konzert, wie es für große Arenen gemacht ist. Eine zerbrechliche Stimme, die dann wieder in elektronischen Eruptionen endet. Verletzlich, aber präsent. Zurückhaltend, aber fesselnd. Kraftvoll, aber stets auf der Höhe. Gepaart mit einer unverwechselbaren Stimme ein Konzert, das man schwer vergisst. Ein würdiger Headliner des Abends!
Fazit
Dass wir das Maifeld Derby lieben, ist klar. Dass dieses independent Festival immer wieder neue Highlights nach Mannheim bringt, die es vorher in Europa noch nie gegeben hat, auch. Ein Festival, das eigentlich nicht sterben darf. Soll. Und muss. Denn wenn es etwas gibt, das Menschen verbindet, dann Kultur. Gemeinschaft. Feiern, Musik und Equality. Wo jeder und jede sein darf, wie er oder sie ist. Wird gerne oft propagiert von politischer Seite. Oft gefordert, selten gefördert. Etwas, das sich verdammt noch mal ändern muss.
Maifeld Derby 2025 – save the last ride
30. Mai bis 1. Juni 2025
Maimarktgelände Mannheim (GER)
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