Maifeld Derby: zwischen Geld und Herzblut
Das Maifeld Derby Festival in Mannheim findet leider in diesem Jahr zum allerletzten Mal statt. Gemeinsam mit Gründer und Veranstalter Timo Kumpf sprachen wir nun noch einmal ausführlich über seinen Werdegang, die Gründe hinter dem Ende des Festivals und viele Themen mehr.
Seit fast zwei Jahrzehnten ist Timo Kumpf nicht nur selber Musiker, sondern auch Veranstalter des Maifeld Derbys und weiterer Festivals. Unter anderem auch des Zeltfestivals Rhein-Neckar. Bevor es dieses Jahr das 14. und letzte Maifeld Derby Festival geben wird, haben wir mit ihm gesprochen. Über seine Anfänge als Veranstalter, dem Vereinbaren von Musik und Veranstalterdasein. Weiters über die finanziellen Herausforderungen, die mit zum Ende des Festivals geführt haben und Vieles mehr. Ein sehr ausführliches Interview, das einen sehr interessanten und tiefen Einblick in die Branche und deren Zukunft gibt. Auch wenn es lange geworden ist, das lohnt sich, wie wir finden.
ÜBer die Anfänge des Maifeld Derbys
subtext.at: Das Maifeld Derby gibt es seit 2011. Aber du bist ja bereits davor im Musikbereich tätig gewesen, seit 2005 auch Bandmitglied von Get Well Soon. Wie ist es dazu gekommen, dass du vom spielenden Künstler zum Veranstalter gewechselt bist?
Timo Kumpf: Ich glaube im Grunde lief das schon immer parallel. Ich habe schon immer veranstaltet, auch auf dem ersten Konzert, das ich selbst gespielt habe. Zumindest mitveranstaltet, insofern lief das immer nebeneinander. Ich habe mich nicht von einem Weg für das Andere entschieden.
subtext.at: Was war der innere Antrieb vor deiner ersten eigenen Veranstaltung? Hast du dir einfach gedacht hab Bock, hab Zeit, mach ich jetzt einfach?
Timo Kumpf: Ungefähr genauso – ohne groß darüber nachzudenken. Mein Cousin war auch in einer Band aktiv, die damals durch Europa getourt hat. Der war die treibende Kraft, ich 15 und er 19. Da haben wir dann auf dem Dorf ein Festival veranstaltet. Parallel habe ich angefangen Bass zu spielen, das war alles auf einen Schlag. Musste irgendwann passieren. Meine Mutter könnte bestätigen, dass, wenn ich mir etwas in den Kopf setze, es auch passieren muss. So war es dann auch.
subtext.at: Ich gehe mal davon aus, dass es bei den ersten Veranstaltungen eher um das Ausprobieren und Reinkommen ging. Aber noch nicht: Ich mache das zu meinem Beruf. Wann kam der Schritt eine Firma zu gründen und dass auch als Job zu machen?
Timo Kumpf: Das Eine hat nicht zwingend was mit dem Anderen zu tun. Eine Firma muss man dann zwingend gründen, um dem Ganzen ein Konstrukt zu geben. Aber ehrlich gesagt stand Geldverdienen lange nicht im Vordergrund. Es ist einfach passiert – und letzten Endes gelebt habe ich von „hier ein bisschen spielen“ und „zwischendurch mal eine Tour buchen“.
Veranstalten von kommerziellen Konzerten kam durch Zufall. Auch um das Maifeld Derby zu ermöglichen. Zuerst hat die Band die Miete bezahlt, obwohl das auch deutlich knapper war, als man glaubt. Dann kamen kommerziellere Konzerte dazu. In etwa 2017 bis 2018 hat sich das dann normalisiert und zum richtigen Unternehmen mit Angestellten erst kurz vor der Pandemie entwickelt. Letztendlich sind wir in der Region für Pop-Kultur der Ansprechpartner Nummer Eins.
vereinbarkeit Veranstalten und selbst musiker sein
subtext.at: War es auch schwer, Band und die Veranstaltungstätigkeit miteinander zu vereinbaren, vor allem zeitlich?
Timo Kumpf: Bei Get Well Soon nimmt es letztenendlich die Zeit in Anspruch, auf Tour zu sein. Was dann im Endeffekt 2016 bis 2019 auch weniger war als jetzt ganz am Anfang 2008 bis 2010. Da wäre es unmöglich gewesen. Problem ist halt, dass man immer verfügbar sein muss. Immer funktionieren muss. Alle zwei Jahre gibt es eine intensivere Probenwoche, da kann ich mich nie eine Woche rausziehen. Also eben genauso wie es heute noch mit Urlaub ist. Ich kann nie sagen, ich bin jetzt einen Monat Musiker und kein Veranstalter. Das ist die Herausforderung. Ansonsten mach ich gerne viel, bin auch gerne gefordert.
subtext.at: Handlebar unter welchen Umständen? Manche Menschen definieren handlebar auch bei 100 Arbeitsstunden die Woche. Es ist auch das Problem, dass kleine Festivals immer mehr aussterben und es bleibt nur mehr „sponsored bei Eventim“ übrig. Ist die extreme Arbeitsbelastung auch ein Grund, wieso immer weniger neue Personen den Schritt in das Business wagen, immer weniger Neues entsteht?
Timo Kumpf: Wer sich heute noch auf so etwas einlässt, der muss schon dumm sein. Ich hatte damals schon die eigene Band als Headliner für das erste Mal parat stehen. Die zweite Headlinerin habe ich europaweit gebucht, insofern war das ein einfacherer Start. Die Zeit für Festivals war damals auch noch positiver. Wenn ich mich erinnere, als es mit dem Maifeld Derby 2013 bis 2015 so richtig losging, war das Interesse für Festivals noch sehr hoch. Für wirkliches Sponsoring waren wir schon immer zu klein. Aber der Hype war schon groß. Große Medien haben berichtet und wir waren immer unter den heißesten Festivaltipps in Deutschland. So etwas ist mittlerweile fast gänzlich tot. Von daher wird es schwieriger, diese Aufmerksamkeit zu kriegen.
Folgen der Pandemie
Nach der Pandemie war dann auch eine Sättigung da, Festivals haben weniger Tickets verkauft. Die Marktmacht der Großen und das ist nicht nur in Deutschland so – vor allem aber in Deutschland – in meinem Segment ist so riesig groß, dass man kaum dagegen ankommt. Im Grunde kann so ein Festival mit 5000 Leuten mit der Kapazität niemals wirtschaftlich sein. Deshalb sind die meisten Festivals, die es in dieser Größe gibt, in Vereins- oder Dorfstrukturen eingegliedert. Meistens im ländlichen Bereich. Das dem Maifeld Derby am meisten inhaltlich ähnliche Festival „Haldern Pop“ in Haldern in NRW spannt das komplette Dorf mit ein. Beim „Appletree Garden“, beim „Immer Gut“ gibt es Vereinsstrukturen. Das sind alles Dinge, auf die ich nie zurückgreifen konnte. Wir haben zwar 50 Freiwillige, aber es gibt keine so festen Strukturen. Es ist schon irgendwo in gewisser Weise wie ein Unternehmen geführt, ohne dass ich diese Wirtschaftlichkeit jemals gesehen habe. Ich habe 2013 meine Bachelorarbeit darüber geschrieben, und damals schon erkannt, dass die Wirtschaftlichkeit dieser Unternehmung mit diesem künstlerischen Anspruch niemals gegeben sein wird.
Dann kam die Pandemie, dann kamen Kostensteigungen, die wirklich enorm sind. Die nicht auf Preise umlegbar sind. Seitdem ist es ein noch utopischeres Unterfangen so etwas anzugehen als vor der Pandemie. Wo ich es noch immer von links nach rechts, von der einen in die andere Tasche machen konnte. 2016 am Montag nach dem Maifeld Derby habe ich noch Slayer gehabt, der Bierverkauf von denen hat einen ganzen Derby Tag finanziert. So etwas ist nach der Pandemie einfach unberechenbarer und auch in der Summe einfach nicht mehr aufzuwiegen. Vor allem wegen Produktions- und Personalkosten. Ich habe immer schon Personalkosten eher mit Eigenleistung und mit Freiwilligen kompensiert. Letzten Endes auch immer Mitarbeiter meiner anderen Firmen zum über die Grenzen gehen gebracht. Es war nie so, dass hier großartig bezahlte Kräfte gewaltet haben. Insofern, es ist komplex, mir fehlt auch gerade der rote Faden in der Erzählung.
über die KLuft zwischen industrie und kleinen Veranstalter:innen
Ich glaube, dass allergrößte Problem, ist die immer größer werdende Kluft zur Industrie, das ist dann sowas wie Eventim oder Ticketmaster. Die bestimmen alles. Auf der anderen Seite gibt es öffentliche Institutionen, die meistens von den Kommunen gefördert sind. Und ich als Privatakteur steh dumm dazwischen. In meiner Stadt werde ich schon seit 14 Jahren zwischen Wirtschafts- und Kulturförderung hin und her geschubst. Momentan stehe ich da komplett zwischen den Stühlen. Ich habe gerade mit dem „Traumzeit Festival“ in Duisburg telefoniert, das ist auch städtisch. Habe ich auch gefragt, ob sie ohne Stadt veranstalten könnten. Haben sie gesagt das wäre unmöglich. Diese Kluft ist das allergrößte Problem momentan, diese Kluft das größte Problem der deutschen Kulturförderung.
Ich habe keine Ahnung wie es in Österreich ist. Aber meines Wissens ist Deutschland das einzige Land, das zwischen Unterhaltungsmusik und ernster Musik unterscheidet. Das heißt die ernste Musik wie Jazz oder Klassik hat sogar einen günstigeren Gema-Tarif, weil es in Deutschland als förderwürdig verstanden wird. Die U-Musik wie Pop zahlt den normalen Kurs. Ist per se in den meisten Städten, in Mannheim ist es so, als nicht förderwürdig klassifiziert. Seit den 60er Jahren. Keine Ahnung, Max Giesinger, Joris und Leonie sind im selben Topf wie progressive Künstler:innen wie James Blake und irgendwie auch Top-Kultur-Künstler:innen, die etwas Neues kreieren. Die Spanne ist riesengroß. Die Spanne im Jazz ist auch riesengroß. Aber Jazz ist natürlich auch für alte weiße Männer, die guten von schlechtem Jazz nicht unterscheiden können. Das ist halt Kategorie förderwürdig.
Pop ist Kategorie nicht förderwürdig. Das ist das Problem. Dadurch, dass das Maifeld Derby international agiert, bin ich natürlich nicht nur am deutschen Markt, der schon super unterschiedlich ist. Die meisten Acts sind in Deutschland fast nur in Köln oder Berlin marktfähig. Weil es halt auch nur dort stattfindet. Deutschland ist sehr mainstreamgeprägt. Dass es in dieser Schublade Unterhaltungsmusik auch eine anspruchsvolle, nachhaltige, sinnstiftende Ecke gibt, wird dabei komplett vernachlässigt.
Andere Kulturfördermodelle wie in Frankreich trennen halt weniger zwischen Pop- und Hochkultur. Dieses Schwarz/Weiß Denken ist ja das grundlegende Problem. Die sagt ja, dass die eine Seite unwirtschaftlich sein darf, unwirtschaftlich sein muss. Und ignoriert dabei, dass es selbst in diesem protegierten Kosmos der geförderten Hochkultur auch wieder so etwas wie einen Markt gibt. Es gibt Leute, Agenturen, die sich darauf spezialisiert haben, Künstler:innen, Umsatz, Margen zu vermarkten, die in der freien Wirtschaft für Unabhängige kaum denkbar wären. Wie gesagt, in Frankreich ist es halt so, dass auf jedes Ticket einige Prozent in die komplette Branche fließen. Erstmal sich das ganze System selbst am Leben erhält, das aber viel breiter ist. Es führt auch dazu, dass der Musikkonsum dort ein anderer sein kann, weil es gleichmäßiger gefördert ist und nicht so Schwarz/Weiß wie in Deutschland. Das habe ich als Musiker auf der Bühne, der in all diesen Ländern gespielt hat auch erfahren. Wie ist es in Österreich?
subtext.at Da weiß ich es ehrlich gesagt nicht ob bei der AKM, die das Gegenstück zur GEMA wäre, auch ein Unterschied bei den Tarifen gemacht wird.
Timo Kumpf: Österreich wäre wahrscheinlich ähnlich. Ich bin neidisch auf FM4. Als in Mittel-/Süddeutschland ansässiges Festival finde ich in der Tat bei FM4 und bei Radio 1 in Berlin mehr Anerkennung und Berücksichtigung als zum Beispiel beim SWR. Den ich mit meinen Abgaben auch mitbezahle. Der dazu da ist, einen im Grundgesetz verankerten Kulturauftrag zu leisten, aber meiner Meinung diesen Auftrag nicht erfüllt. Wenn sich das Nationaltheater in Mannheim bei der Renovierung um 50 Millionen Euro verkalkuliert, dann muss dieses Geld aufgetrieben werden, weil diese Institution hat ja in den letzten 50 Jahren so viel Trilliarden gekostet, also muss es erhalten werden.
subtext.at: Da bringt das Foto mit Anzug davor bei der relevanten Wählergruppe der 60+ Jährigen auch mehr Stimmen…
Timo Kumpf: Es gibt in Mannheim einen Jazz Club, den gibt es seit fünf Jahren. Der hat in dieser Zeit genauso viel Förderung erhalten wie das Maifeld Derby nach zehn Jahren. Da wird mit unterschiedlichem Maßstab gemessen und das Enttäuschende ist, dass Mannheim sich die Musikstadt auf die Fahnen schreibt.
DAs ende des Maifeld Derby
subtext.at: Da würde ich gerne einhaken. Um den Bogen Richtung Maifeld Derby zu spannen. Du hast ein sehr langes Statement auf der Website und auf Facebook veröffentlicht, mit dem du das allerletzte Maifeld Derby Festival dieses Jahr angekündigt hast. Dort hast du auch die Thematik der Förderungen angesprochen. Dass du bei der Mannheimer Politik auf taube Ohren gestoßen bist, um sowohl die notwendige Summe als auch die langjährige Planungssicherheit zu erhalten. Glaubst du, dass die Punkte, die du gerade beschrieben hast, der Grund waren? Dass das Maifeld Derby nicht mehr politisch gewollt war?
Timo Kumpf: Naja, es gab zum ersten Mal einen Zweijahresvertrag. Die Institutionalisierung, die muss alle vier oder fünf Jahre aufgefrischt werden. Die wurde immer abgelehnt. Da habe ich zum letzten Mal 2022 einen Antrag gestellt. Das heißt es musste immer dieses von Jahr zu Jahr sein. Dann habe ich einen Mindestbedarf, heute würde ich ihn sogar als zu bescheiden bezeichnen, um den ich angesucht habe.
Ich habe das hingelegt, es erklärt und sie haben auch gesehen, was damit herauskommt. Ich habe eine Aufschlüsselung der Finanzierung mit Personalkosten deutlich unter 100.000 Euro, bei einer Veranstaltung mit bis zu dreimal 5.000 Leuten pro Tag, mit internationalem Prestige, mit 60 Künstler:innen aus der ganzen Welt und so weiter und so fort. Auch eine Feststellung, die ich bereits 2016 vorgebracht habe. Damals bin ich zum ersten Mal so richtig an die Stadt herangetreten, habe gesagt die Nummer wächst mir über den Kopf. Ich werde diese Mehreinnahmen nicht selbst erzielen können, wir müssen die Nummer mit drei Leuten machen und hab damals 150.000 Euro als Mindestbedarf formuliert, um das normal fortführen zu können. Das ist komplett auf taube Ohren gestoßen.
Bevor ich da irgendwelche komplizierten Anträge und Lobbyismus-Kampagnen hätte einleiten können, war ich schon wieder in der Planung für das nächste Jahr. Ich musste mir immer selbst helfen und im Grunde habe ich dann 2016 dieses Zeltfestival gegründet (Anm.: Zeltfestival Rhein-Neckar), was dann temporär mir selbst geholfen hat. Aber dazu geführt hat, dass es immer mehr wurde. Immer weniger Zeit, da rauszutreten. Eigentlich ist es jetzt fast zehn Jahre später genau derselbe Punkt: wir haben es geschafft, wir schaffen die Produktionskosten und die Gagen. Das Problem ist die Sockelfinanzierung. Da habe ich dieses Jahr 200.000 Euro angeführt und ab 2026 300.000 Euro pro Jahr. Letzten Endes konnte mir die Politik für dieses Jahr keinen Cent mehr als die ursprünglichen vereinbarten 100.000 Euro in Aussicht stellen und auch für 2026 maximal 100.000 Euro. Man muss dazu sagen, wir haben bereits im Jahr 2016 eine Umwegrentabilität in Höhe von einer Million Euro für die Stadt errechnet.
subtext.at: Also Faktor Zehn Einnahmen für die Stadt.
Timo Kumpf: Genau, die Stadt Mannheim verliert durch die Nicht-Förderung des Maifeld Derbys Geld. Punkt. Das ist ein Fakt, der sogar mit einer städtischen Institution ermittelt wurde. Sie verliert diese Veranstaltung. Ironischerweise der Leuchtturm der UNESCO City of Music Bewerbung der Stadt Mannheim damals.
subtext.at: Als Best Small Festival Festival Europas im Jahr 2023.
Timo Kumpf: Das kam später noch dazu, aber wir waren damals schon eins von zwei Hauptprojekten bei dieser UNESCO City of Music-Bewerbung. Die ich an keiner Stelle jemals gespürt habe. Es ist auch so bei allen anderen Konzerten, die ich über das Jahr mache, unter anderem in der Alten Feuerwache Mannheim, einer städtischen Konzert- und Kulturlocation. Super Location, den Konzertbetrieb dort habe ich sehr belebt, der wird auch leiden ohne dieses Festival. Ich glaube es kann sich keiner ausmalen, wie negativ sich das letzten Endes auch monetär (Anm.: für die Stadt Mannheim) auswirkt.
subtext.at: Wenn jetzt die Stadt in zwei Jahren diese Punkte erkennt und es sich anders überlegt. Würdest du wieder damit anfangen, oder ist das Kapitel Maifeld Derby Festival mit dem Sonntagabend dieses Jahr abgeschlossen?
Timo Kumpf: Nö. Es gibt einen neuen Kulturbürgermeister, der ist sehr bemüht. Die Stadt ist mehr oder weniger pleite, es ist die schwierigste Zeit, in der diese Situation hätte kommen können.
subtext.at: Welche Stadt in Deutschland oder Österreich ist aktuell nicht bankrott…
Timo Kumpf: Da kommt dann der Punkt, wo ich sage, „Nationaltheater 50 Millionen“ – und die werden aufgetrieben. Da sage ich dann auch wenn er bei mir die 300.000 auftreiben will, treibt er das auf. Er nimmt es am Ende dann wieder ein. Das ist nur schwer politisch zu argumentieren, denn dann kommt natürlich jemand mit maroden Kindergärten und vielem mehr. Kulturelle Bildung ist momentan eher schwierig. In Deutschland wie in Österreich. Die Entscheidung des letzten Males war komplett alternativlos. Wenn ich Gewinne erwirtschaften würde, müsste ich diese zurück an die Gesellschaft führen, weil ich keine Gewinne erzielen darf. Das Risiko trage ich trotzdem als Privatperson. Dann wäre ich jetzt vielleicht insolvent. Punkt.
Darum die Entscheidung, das letzte Festival anzukündigen und auch ganz klar zu sagen, ich mache den Cut danach. Zum Einen gibt das mir ein klares Ziel im Kopf: nämlich ohne Schulden das Maifeld Derby zu beenden. Es hat vor allem im letzten Jahr richtig hart Verlust gemacht. Letztendlich geht es darum, ein Loch von einer Viertelmillion zu stopfen. Den Cut muss ich jetzt machen. Natürlich ist es mein Ziel, nach diesem Cut nicht mit großen Schulden dazustehen. Aber, das Gute ist: durch diese Ansage habe ich zu einem eine gewisse Solidarität bei Bands, einige die nochmal spielen wollen sind ja befreundete Bands. Ich habe ein klares Ziel vor Augen, habe natürlich einen höheren Publikumszuspruch. Das tritt schon so ein, wie ich es mir erhofft hatte. Aber das war nicht das Kalkül, etwa mit Howard Carpendale oder den Scorpions ihre Abschiedstour ankündigen, um nochmal einen Reibach zu machen. Das auf keinen Fall.
Ich habe an diesem letzten Maifeld Derby-Sonntag absolut meinen Frieden damit, wenn es das Ding nie wieder gibt. Auf der anderen Seite sehe ich, wie viel so eine Veranstaltung wert ist. Ich sehe auch, wie viel von mir da drinnen steckt und hätte natürlich ein Interesse, es fortzuführen. Aber nie wieder so kopflos wie damals. Und diese Kopflosigkeit hat letzten Endes das Besondere, den Erfolg der Veranstaltung ausgemacht. Aber ich bin jetzt 44, bin in gewisser Weise vernünftig geworden. Ich habe mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Absurderweise habe ich mich noch nie so bereit gefühlt und war noch nie so straight in der Birne, dieses Festival erfolgreich umzusetzen wie gerade.
Mir ging es seit zehn Jahren darum, zwei bis drei Leute nur für dieses Festival anzustellen. Stattdessen habe ich immer mehr Unternehmungen gemacht, alle in alles reingezogen – und das Maifeld Derby stand nie allein auf eigenen Beinen. Falls das möglich wäre, dann mit einer entsprechenden Unterstützung der öffentlichen Hand. Ich denke wir leisten sehr wichtige Kulturarbeit mit einem Input und Effizienz, die gar keine Institution überhaupt leisten könnte. Darum bin ich auf die Nachfrage seitens der Politik, was ich mit 100.000 Euro machen würde, echt aus allen Wolken gefallen. Ich habe aufgeführt, dass 1,5 Personen diese Veranstaltung machen. In einem städtischen Konstrukt wären da zehn bis 15 Leute, um das zu stemmen. Ich habe effiziente, kostengünstige Strukturen.
DAs große Festivalsterben
subtext.at: Ist es „nur“ die fehlende Unterstützung der öffentlichen Hand, die Festivals in dieser Art schwierig macht oder gibt es noch andere Gründe? Stichwort Gagen, VVK-Müdigkeit und Co.? Das Maifeld Derby reiht sich in eine immer länger werdende unrühmliche Liste von anderen Festivals ein, die es das letzte Mal gibt. Weitere Beispiele wären das Melt, Plus Open Air, Lake On Fire oder das Uferlos Festival. Ist es noch möglich ohne große Sponsoren wie Live Nation, Eventim und Co zu veranstalten?
Timo Kumpf: Wie schon gesagt, wirtschaftlich ist es nicht mehr möglich. Entweder als Vereinsstruktur, was wir ja zum Teil mit drinnen haben mit viel Ehrenamt. Was heutzutage auch eine schwierige Sache ist. Dann gerät man schon schnell an die Grenzen mit der Größe. Ich muss mit 5000 Leuten und höheren Eintrittspreisen doch etwas bieten.
Mein Anspruch ist ein sehr internationales und exklusives Programm. Vor zehn Jahren war das Maifeld Derby oft das einzig deutsche Festival, und oft das glückliche dritte Festival an dem Wochenende. Weil zum Beispiel King Gizzard & the Lizard Wizard vorher in Holland und Frankreich gespielt haben und dann gesagt haben, wir brauchen ein Deutschland Konzert, um diesen Markt zu bedienen. Das ist heutzutage kein Thema mehr.
Gibt auch viele, vor allem jüngere Künstler:innen, die dann lieber einen Tag frei machen und sich nicht so einen Druck machen, dass sie den deutschen Markt bedienen müssen. Was damals auf Druck der Plattenfirmen schon so war. Es werden die Märkte nicht mehr so einzeln betrachtet. Dazu kommt auch, dass die jüngere Generation keinen Bock mehr hat, drei Festivals an einem Wochenende zu spielen, das war in letzter Zeit immer öfter der Fall. Früher haben die Bands gesagt: wir spielen am Freitag da, am Sonntag dort und am Samstag liegt in der Mitte Mannheim lass uns das doch für weniger Geld machen. Meistens sind diese Acts in Frankreich und Holland wesentlich teurer und haben einen wesentlich höheren Marktwert. Der ist am Ende auch dadurch bemessen, wie viele Tickets die verkaufen.
Ein Beispiel: als The National 2014 beim Maifeld Derby waren. Ich kenne Holländer, die haben das Achtfache geboten, als das, was unsere Gage war. Die Band war in Deutschland eher Nische. Mittlerweile sind die auch etwas unter Arena-Level. Die spielen in Europa überall diese Major-Festivals. In Deutschland sehen Major-Festivals aber anders aus. Also Rock am Ring, Rock Im Park, Southside und Hurricane ist ganz anders aufgezogen. Viel kommerzieller als ein Roskilde, ein Glastonbury oder auch ein Pink-Pop in Holland, wo es ein viel breiter aufgestelltes Programm gibt. Auch ein anderes Publikum. Phoenix vor zwei Jahren am Maifeld Derby, beste ever – und wunderschön durch Olympia als die große Band präsentiert, die sie sind.
In Deutschland ist die Band auch wieder weit drunter zu allem anderen. Die haben aber gesagt, wir wollen kein Rock am Ring mehr spielen, weil das Publikum dort Rammstein hören will und kein Phoenix. Ähnlich ist es bei Southside und Hurricane. Wobei: da spielen dieses Jahr im Mittelfeld auch wieder wahnsinnig gute Bands. Trotzdem ist das Publikum weniger auf Musikkonsum aus und mehr auf Party. Der Deutsche lernen keinen Musikkonsum, es wird ja keinem beigebracht, sich mit immer neuer Musik auseinanderzusetzen, weil in den öffentlichen Medien immer wieder dasselbe kommt. Ich veranstalte vieler dieser Acts im normalen Leben auch, mit manchen würde ich mich sogar als befreundet bezeichnen. Es kommt aber immer dasselbe, Innovation zählt nichts.
subtext.at: Provokante Frage: sind jetzt auch wir alle als Konsumenten und die Bands schuld am Sterben der kleineren und kleinen Festivals? Stichwort niemand kauft mehr VVK-Tickets.
Timo Kumpf: Es ist ein Kreislauf und natürlich sind wir als Konsumenten da drinnen, als auch die Konsumenten, aus denen dann Bands und Künstler:innen werden. Klar kommt das alles in eine Wäschetrommel und wird durchgerührt. Ich weiß aber nicht wirklich, wie man hier ganz genau rausbricht. Es zählt dieses Erlebnis Festival momentan gefühlt so wenig wie die letzten 30 Jahre nicht. Ich mache eine Woche nach dem Maifeld Derby mit dem größten Jugendcenter Deutschlands, den Jugendcenter vom SWR, ein Festival mit Zartmann, Dilla und Becks. Mit all diesen jungen Acts, die wahrscheinlich in Österreich genauso groß sind wie auch bei uns. Die sind nicht dazu zu bewegen, diese Festivals adäquat anzukündigen. Weil sie einen krassen Fokus auf ihre eigenen Touren haben. Es war auf die Minute bei Phoenix online und sie haben das beworben, genauso wie The National damals auf der Bühne standen und gesagt haben „Hey hier sind so viel geile Bands, die uns inspirieren und so weiter und so fort“.
Dieses Gemeinschaftsgefühl, zum Glück ist das bei den Maifeld Derby Bands meistens immer noch vorhanden, dieses Szenegedenken ist bei diesen jungen Acts zum Großteil komplett weg. Die ballern nur ihre eigenen Shows, spielen jedes Festival für zum Teil offen gesagt nicht so hohe Gagen. Sie nutzen das letzten Endes als Promotion für die eigenen Touren, wo sie dann melken. Internationale und aufstrebende Bands, die wollen absurde Gagen. Je heißer international gesehen, desto unmöglicher. Der internationale heiße Scheiß, den ich vor zehn Jahren am Maifeld Derby noch bekommen konnte, da habe ich heute keine Chance mehr. Das ist unmöglich, so jemanden abzugreifen. Es geht sehr schnell, wobei es mittlerweile bei manchen auch wieder sehr schnell nach unten geht. Es ist eine schwierige, verwirrende Zeit. Ich dachte eigentlich immer, ich verstehe das Game. Gerade verstehe ich wenig.
Die entwicklung des Maifeld Derby
subtext.at: Kommen wir nun mal rein zum Maifeld Derby Festival an sich. Wie war damals 2011 die Idee für das Maifeld Derby? Auch sich bewusst bezüglich des Bookings und co von anderen Festivals abzugrenzen?
Timo Kumpf: Damals gab es noch mehr solche Festivals wie uns in dieser Größenordnung. Es war ehrlich gesagt, gar keine bewusste Abgrenzung. Es war auch mit Sicherheit, zumindest die ersten beiden Jahre, nicht in so einer Hotlist-Szenerie drinnen in die es dann später reingerutscht ist. Mir wurde vom ersten Maifeld Derby an oft unterstellt, dass der rote Faden fehlt, da ich es schon damals musikalisch sehr breit aufgestellt habe. Irgendwann habe ich erkannt, dass der rote Faden eine Mischung aus Qualität und Authentizität war. Ich habe das schon immer wie ein Mixtape angefangen und fand es immer wichtig, niemanden zu langweilen. Das war letzen Endes die Herangehensweise. Die ist dann auch bis heute geblieben. Keine bis wenige Wiederholungen. Dieses Jahr gibt es ein paar Friends, die einfach auch wiederkommen. Auch, weil es das letzte Mal ist.
subtext.at: Ich glaube Drangsal zählt in diese Kategorie.
Timo Kumpf: Drangsal hat vor ziemlich genau zehn Jahren das zweite Konzert beim Maifeld Derby gespielt, der zählt in diese Kategorie. Auch meine alte Band ist quasi vertreten, auch zum ersten Mal seit zehn Jahren. Efterklang, Kid Simius und The Notwist waren die Ersten, die gefragt haben, ob sie beim letzten Mal dabei sein können. Im Grunde aber hat mich diese Wiederholung immer gelangweilt. Ich sehe das schon als aus meiner Perspektive erstelltes Mixtape. Klar kommt dann auch, wenn man ein paar Mal Glück hatte und den heißen Scheiß von morgen ein Jahr früher bekommen hat, so ein Anspruch dazu. Dass man ein Ort sein will, der maximal früh dran ist. Aber ansonsten hat sich das, ohne viel darüber nachzudenken so entwickelt. Irgendwann kriegt man dann auch die Angebote, ist in einem Netzwerk drinnen, dass man diese Acts vorgestellt bekommt.
Dann ist der Input auch viel größer. Das kann sich kein Außenstehender vorstellen, wie hoch die Belastung ist, wenn man am Tag von 20 Leuten, die man kennt, die man mag, 20 Acts vorgeschlagen bekommt. Von denen man vielleicht auch zehn gut findet. Ich weiß meistens schnell, wen ich will. Aber da ist auch nicht jeden Tag bei 20 einer dabei. Ich muss dann den anderen 19 theoretisch absagen. Wenn ich die nicht kennen würde, müsste ich denen nichts antworten, wenn ich die kenne, muss ich denen absagen. Dieser Bookingdruck, der entsteht vor allem im Sommer und hält dann bis Oktober/November an.
Dann trenne ich meine Spreu vom Weizen. Dann hat die Band einen weltweiten Live Nation-Deal, dann wir es halt unmöglich, weil da spielt halt viel Politik mit. Als Arctic Monkeys oder Arcade Fire, für uns schon immer zu groß, dann Southside und Hurricane gespielt haben, da gab es Fotos, da standen 500 Leute vor der Bühne, wo sonst 10.000 stehen sollten. Es ist fast so, als hätten das die Menschen, die vom Buchen keinen Plan haben, es in gewisser Weise schon fast in Kauf genommen, dass diese Bands dort so abschmieren. Aber das große politische Konstrukt macht es notwendig, dass irgendwo in Los Angeles oder London jemand sitzt, der sagt, die müssen da spielen. Da ist einfach Politik drinnen. Da gibt es schon viel Frust im Booking.
subtext.at: Du machst ja das Booking komplett selbst, gibst nichts aus der Hand, das war schon immer dein Baby. Glaubst du, dass es eines der wichtigen Erfolgskonzepte war?
Timo Kumpf: Es ist mit Sicherheit für die Leute, die die Veranstaltung feiern und gut finden, ein Erfolgskonzept, weil es aus einem Guss kommt. Auch wenn es sehr breit aufgestellt ist und kein Flickenteppich aus mehreren Meinungen ist. Was Klares, Stringentes verfolgt. Es macht sicher auch die Besonderheit aus, auch das Prestige der Veranstaltung. Mich hat auch schon die Agentin von Adele angerufen, weil sie das Maifeld Derby als Gatekeeper in den deutschen Markt für neuen heißen Scheiß ausgemacht hat. Die Veranstaltung haben krasse Leute auf den Schirm.
Das ist alles so ein Prestige, was natürlich durch die Programmgestaltung kommt. Ich glaube, dass ist ein Punkt, den zum Beispiel die Stadtvertreter – nicht gegendert, weil es meistens nur Typen sind – nicht kapieren. Die sehen halt die Wirtschaftlichkeit wird nicht erreicht, weil nicht genügend Tickets verkauft werden, aber für die Förderwürdigkeit werden wieder zu viel Tickets verkauft. Ich stehe da zwischen den Stühlen. Ich behaupte auch, ich hätte die letzten vierzehn Jahre die Makrtbranchenkentniss und das Wissen gehabt, die Veranstaltung wirtschaftlich zu drehen. Beim Maifeld Derby geht das mit 5.000 noch, wobei mittlerweile vielleicht auch schwieriger. Ich glaube zwischendrin hätte ich das in der Hand gehabt, das zwei- bis dreimal auszuverkaufen.
subtext.at: Thema Wirtschaftlichkeit. Das Maifeld Derby war für dich vor allem auch immer ein Leidenschaftsprojekt. Wie schwer war es immer die Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Balance zu finden? Ich kann mich noch erinnern wie du dich entschuldigt hast und es dir sehr schwer gefallen ist, den Bierpreis leicht zu erhöhen.
Timo Kumpf: Naja, beim Bierpreis ging es damals um 0,50 €. So denk ich dann nicht mehr. Ich will da schon in gewisser Weise fair sein und es soll nicht um Maximieren gehen. Auf der anderen Seite denke ich schon, dass ich die Wertschöpfungskette ausreichend weit gespielt habe. Dass ist auch ein Vorwurf, der von der Stadt kommt. Es müssen die Preise rauf und wir brauchen Sponsoren. Mit 2.000 Leuten würde es vermutlich gehen, da könnte ich 300 € nehmen und das ganze anders skalieren, dann wäre es auch möglich. Aber es ist nun mal die Gegebenheit mit 5.000 Leuten.
Die Sache, wie sie sich entwickelt hat und wo immer durch die Umstände zu wenig Zeit war es zu reflektieren, ist das ganze schon alles sehr maximiert. Auch unter Einhaltung meiner Ideale, Werte, Szenedenken und Musikliebhaberei. Mit mehr Kompromisswilligkeit für dieses Projekt hätte ich das zumindest temporär wirtschaftlicher gestalten können. Die ganzen qualitativen Merkmale wären dann aber dauerhaft gesunken. Dann wäre es ein normaleres Festival geworden, ohne europäischen Preis und ohne so große Anerkennung.
subtext.at: Und hätte wohl auch viel seiner Seele verloren.
Timo Kumpf: Ja, aber wäre für meinen Geldbeutel sinnvoller gewesen. Ich habe versucht, es mit anderen Dingen zu kompensieren. Das ist genau der Punkt. Nach wie vor kriege ich noch immer oft diesen Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit. Auch wenn ich die ganze Palette der anderen Veranstaltungen anführen kann, die funktionieren. Ich bin da glaub ich zu schizophren in meiner Persönlichkeit. Auf der einen Seite beim Maifeld Derby nehme ich mir es raus, dieser Intendant zu sein. Und ein Theater-Intendant verdient das Dreifache von mir. Kennt aber nur diese kulturelle Seite, ohne die Wirtschaftlichkeit jemals gelernt zu haben, wie ich es lernen musste. Das kann ich anderen schwer vermitteln. Was keiner kapiert, weil die die Veranstaltung inhaltlich nicht bewerten können. Das zu erklären oder greifbar zu machen ist schwer. Im Grunde ist das glaub ich meine größte Stärke mittlerweile. Wo findest du einen Intendanten, der die Veranstaltung selbst bespielt, selbst aufbaut und dann einen Kleinstbetrag benötigt, um das Ganze dann auch zu erhalten? Momentan ist mein Standpunkt, dass ich all diese inhaltlich geprägten Sachen nicht mehr auf eigene Tasche und Risiko ungefördert machen möchte. Wenn ich die Sachen weglasse, habe ich 50% weniger Arbeit. Ich muss die Hälfte arbeiten aber hab noch immer 80% Income. Die Verhältnismäßigkeit ist nicht mehr da. Zusätzlich noch das Risiko, mich als Person und meinen Junior runterzuziehen. Ich bin halt keine 30 mehr und muss das auch nicht mehr machen. Da mach ich dann einen Podcast, um die Seite von mir zu befrieden.
subtext.at: Als Besonderheit des Maifeld Derbys, auch in unseren Upcomings, habe ich viele Punkte wie das Booking oder das Teamgefühl hervorgehoben. Was würdest du aus deiner Sicht sagen, was ist der USP vom Maifeld Derby?
Timo Kumpf: Der USP ist der Inhalt, das, was drinnen steckt. Die Exklusivität, die Internationalität, die Handverlesenheit des Musikprogramms. Dies alles trifft wiederum auf ein regionales gastronomisches Angebot. Das alles bringt Leute zusammen, die das zu schätzen wissen. Das macht es dann aus. Der USP ist die Konsequenz des Angebotes. Es hat sich über die Jahre ein Publikum entwickelt und zusammengeführt, das sich mittlerweile gegenseitig befruchtet, im wahrsten Sinne des Wortes. Letztes Jahr haben welche, die sich auf dem Maifeld Derby kennen gelernt haben, geheiratet. Das finde ich noch immer super abgefahren, diesen Ort dafür geschaffen zu haben. Ist aber auch wiederum ein Punkt in gerade solchen Zeiten, wo es wenige gute und besondere Orte gibt bzw. die alle in Gefahr sind. Was es natürlich etwas wehmütiger macht damit aufzuhören, als ich es noch vor ein paar Monaten gedacht habe.
Einmal noch Maifeld Derby
subtext.at: Jetzt kommen wir langsam zum Schluss. Jetzt kommt die Standardfrage. Was war der schönste Maifeld Derby Moment in all den 15 Jahren?
Timo Kumpf: Die Frage, die ich natürlich immer gestellt bekomme. Ich hab da gar nicht den einen oder die zehn Momente. Das ist das Ganze. Ich bin mal gespannt, was dieses Jahr an Momenten dazukommt. Wenn ich jetzt zurückblicke, war ich die letzten zehn Jahre im Tunnel drinnen. Deshalb fällt es mir so schwer, einzelne Momente rauszupicken. Jetzt behaupte ich aus diesem Tunnel heraus zu sein. Ich will ja auch nicht, dass man nur wegen einer Band kommt, man soll mehrere Entdeckungen machen. Klar gibt es Erinnerungen. Die eine Band, von der man schon immer Fan ist, mit der nächsten zu verknüpfen. Dass The Notwist auf der Bühne stehen und das feiern. Ich will so etwas aber eigentlich nicht hervorheben.
Am krassesten fand ich die letzten Jahre immer wieder den gesamten Vibe, der sehr positiv ist. Zu sehen, wie die Leute vor Ort das Dargebotene aufnehmen. Was das mit denen macht, das finde ich immer am Besondersten. Das die meisten Sachen klappen, auch wenn es einen Tag zuvor katastrophal oder unmöglich erscheint. Im Jahr 2016 würde ich sagen hat sich etwas gedreht, da war ich aber auch etwas aufnahmefähiger. Ich kann mich aber auch in den Jahren 2012 bis 2014 an Tage erinnern, da hab ich um halb eins in der Nacht den ersten Bissen gegessen und hab noch meine Badelatschen vom Duschen angehabt. Weil ich morgens um Neun duschen gehen wollte und dann im Endeffekt 18 Stunden in Badelatschen übern Platz gerannt bin ohne etwas zu essen, ohne irgendwas. Irgendwann konnte ich dann etwas mehr vom Festival mitkriegen. Am bewusstesten mitgekriegt habe ist der positive Vibe. Ich bin da aber auch Randbeobachter, aber das macht es aus.
subtext.at: Kommen wir vor dem Ende noch einmal zum Line Up von diesem Jahr. Was wäre vor allem bei den kleineren Bands deine Empfehlungen? Die Geheimtipps, was ja auch das Derby auszeichnen.
Timo Kumpf: In den unteren Gefilden sehr viel. Was ich sehr krass finde, sind Eefje de visser. Die spielt auch Parcour’s da Amour. Wo es dieses Jahr etwas weniger Slots gibt, die Pausen sind etwas länger dort, weil mehr auf der Arena Bühne ist. Ich habe versucht, Überschneidungen zu minimieren. Dennoch wird es dort etwas gemütlicher zugehen und auch mal ne Stunde Pause sein. Eefje ist zum Beispiel beim „Best Kept Secret“, was ja drei Jahre unser holländisches Partnerfestival war. Sie ist dort da dieses Jahr Headlinerin. Die spielt bei uns kleinen Slot alleine, auf holländisch. Das wird sehr cool. Big Special spielen in der Arena, war dieses Jahr aufn Eurosonic Festival. Pearl & The Oysters, mega cool. Mary in the Junkyard auch noch am Derby, bevor das Debütalbum kommt und kurz zuvor mit Wet Leg in Englands Arenen unterwegs. Ugly hab ich letztes Jahr live gesehen, fand ich Wahnsinn. Art Rock/Pop aus London, mit English Teacher vergleichbar. Getdown Services wird glaub ich super witzig, machen Stimmung und gehen gerade durch die Decke. Für Parcour’s da Amour Beharie und Loverman, extrem gut. DJ Koze zum ersten Mal, lange probiert ihn zu kriegen. Nilüfer Yanya, auch schon ewig probiert. Ich bin happy dieses Jahr. Sind etwas mehr Wiederholungen, fühlt sich offen gesagt etwas komisch an. Efterklang, Drangsal schon wieder. Bilderbuch zum vierten Mal. Das ist schon dem letzten Mal geschuldet, da es auch alles Friends sind. Da weiß ich, denen bedeutet es richtig etwas, beim letzten Mal zu spielen. Die werden abliefern.
subtext.at: Was mir noch fehlt und ich hoffe die kommen noch. Was ist mit dem Chor für Menschen, die nicht singen können?
Timo Kumpf: Gut aufgepasst. Hab ich dieses Jahr ehrlich gesagt darauf verzichtet. Weil es natürlich 20 Leute sind, die koordiniert werden müssen und das schien mir etwas zu mühsam. Ich fand die auch unfassbar geil, es hat sichaber jetzt nicht zum Derby Kult entwickelt nach zwei Jahren.
subtext.at: Also für mich schon.
Timo Kumpf: Hätten diese 20 Leute die Veranstaltung noch mehr in die Stadt reingetragen, keine Ahnung. Ich hab dieses Jahr einfach gedacht, keep it easy, keep it simple. Was auch noch besonders ist, Station 17. Ist eine alte Band, die schon lange unterwegs ist. Ist aber die erste inklusive Band am Maifeld Derby, war mir jetzt noch sehr sehr wichtig.
subtext.at: Kommen wir zur letzten Frage. Was wünschst du dir abgesehen von den klassischen Sachen für das Grande Finale? Du ganz persönlich.
Timo Kumpf: Dass es geil wird. Es wird unvermeidbar sein, dass am Sonntag Wehmut in der Luft liegt. Das soll aber nicht das ganze gesamte Festival bestimmen. Ich hoffe sehr darauf, dass es einfach so wird wie immer und keine Trauerstimmung da ist. Es sollen alle sehr positiv abschließen. Ich hoffe, dass ich persönlich bis dahin koordiniert bekomme, dass ich nicht zu viel arbeiten muss. Die Chance habe, viel rumzukommen, viel mitzukriegen und mit vielen Leuten zu reden. Am allermeisten, dass es ein gutes Fest wird. Ohne, dass man das Gefühl hat, hier irgendetwas zu Grabe zu tragen, dass soll auf keinen Fall sein. Das fände ich furchtbar.
Maifeld Derby 2025 – save the last ride
30. Mai bis 1. Juni 2025
Maimarktgelände Mannheim (GER)
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