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Foto: Zoe Goldstein

Texta: mit Gezeiten zurück im Kadett

Gezeiten heißt die aktuellste Platte von Österreichs längstdienender Hip-Hop-Band Texta. Eine Band, deren Geschichte schon viele Höhepunkte und Tiefen zu bieten hatte. Aber die dennoch nicht aufhören möchte.

Texta 2025 bestehen immer noch aus Flip und Laima an den Mikrofonen und DJ Dan hinter den Turntables. Mit Gezeiten haben Texta ihr mittlerweile neuntes Studioalbum veröffentlicht, das zweite in der Trio-Besetzung. Die Geschichte von Texta ist eine illustre – von Anfängen in den 90ern in der KAPU bis zu großen Shows, Kollaborationen mit Acts wie Blumentopf oder eigenen Theater-Soundtracks wie Maxx ’n Morizz. Am 1. Mai 2018 ging mit Huckey eine der schillernden Figuren viel zu früh von dieser Welt, das anschließende Konzert im Linzer Posthof verursacht auch sieben Jahre später noch Klöße im Hals. Dennoch machen sie weiter: heuer erschien Gezeiten, das erste Album komplett auf Mundart. Im Herbst gehts auf Tour mit Chakuza, davor gibts noch einige Konzerte. Ein Gespäch im Texta-Studio in der Linzer Innenstadt.

Endstation Solar City

subtext.at: Danke fürs Zeitnehmen! Beim Rüberfahren habe ich mir Endstation Solar City, die Single zum Album, noch mal angehört. Als Texta sich gegründet haben, hat es die Solar City gerade mal am Reißbrett und in Grundrissen gegeben. Weit weg von einem Stadtteil mit 40.000 Einwohnern – was war euer Hintergedanke zu dem Song?
Flip:
Naja, der Songs spielt entlang der Straßenbahnlinie. Da kann man sich die Endstation zumindest aussuchen. „Solar City“ klingt irgendwo strange. Zumindest für einen Linzer ist das klar – für jeden anderen ist es verwirrend. Darum haben wir den Titel genommen.
Laima: Und Endstation Universität klingt auch komisch.
Flip: Klingt fast nach einem Track von Rocko Schamoni, oder so (lacht).

subtext.at: Also das Doblerholz wäre keine Option gewesen?
Laima:
Doch, da wohne ich zumindest! Außerdem fährt die Straßenbahn ja schon weiter nach Traun. Wäre also für mich wohnortnahe gewesen, aber sonst auch schon gar nicht.

Back to the roots?

subtext.at: Die neue Platte heißt Gezeiten. Rein vom Titel her scheint sich das Album wieder an früheren Texta-Alben zu orientieren. War „Back To The Roots“ der Gedanke dahinter?
Laima: Richtig erkannt, aber war anfangs nicht so. Wir haben Beats ausgesucht und wir waren uns bei „boom-bapigeren“ Beats einig. Haben die dann ins Körbchen gelegt – und als es einige Tracks gegeben hat, hat es dann eine Nummer gegeben, die Gezeiten geheißen hat. Wir sind gar nicht gleich draufgekommen, sondern eigentlich ist es der Dan gewesen, der das an die Vergangenheit angeknüpft hat und das der ideale Titel wäre. Und da haben wir dann auch nicht mehr lange diskutiert und das Album Gezeiten genannt.
Dan: Manchmal braucht man den Blick aus der Distanz. Flip und Laima haben es dann doch mal durchklingen lassen, dass ich vielleicht doch öfters mal dabei sein soll bei der Entstehung der Songs (lacht).

subtext.at: Gezeiten ist das erste Texta-Album, wo ihr komplett in Mundart rappt. Warum hat es 30 Jahre lang gedauert, bis das so gekommen ist?
Flip: Zu Beginn wär das nicht gegangen – da hat’s vielleicht Attwenger gegeben, die das auf dem Luft-Album aufgegriffen haben. Anfangs war Rap auf Mundart sicher noch zu weit weg von uns, man hat zwar Vorbilder wie etwa Advanced Chemistry oder Main Concept gehabt.


Dan: Nicht Die Fantastischen Vier!
Flip: Oder dann auch später Acts wie Blumentopf oder Massive Töne – da war es klar, dass man erst mal an der Sprache arbeiten muss. Erst als die „eingegroovt“ war, war dann Mundart spannend. Aber: es war schon so, dass speziell Huckey ein starker Verfechter von Hochdeutsch war und ich auch diesen hochdeutschen Vibe nie ganz losgelassen hab. Laima rappt schon länger Mundart – am letzten Album rappt er glaub ich nur bei Attitüde nicht auf Mundart. Das war keine lange „Idee“, sondern wir haben uns eigentlich bei der ersten Nummer eigentlich entschieden. Mehr war da nicht dahinter.

subtext.at: Als Tourankündigungsplakat für die Shows habe ich mich an das erste Musikvideo zu Texta zurückerinnert gefühlt. Wie 3 Uhr 10 spielt das auch wieder in einem Auto. Remineszenz an Vergangenes?
Laima: Natürlich kein Zufall – es ist ein Opel Kadett. Der D-Kadett, der damals mein erstes Auto war, das ich von meinem Vater gekriegt hatte. Und damit natürlich auch das erste Texta-Auto war, wo wir damals 3 Uhr 10 drehten. Das ist jetzt genau dasselbe Auto, nur etwas schicker. Glaube in der GT-Version (lacht). Ich hab mich reingesetzt und hatte sofort einen Backflash.

Flip: Die Geschichte, warum das auch das Cover geworden ist, ist, dass der Wolfgang Ortner, der auch das Cover gemacht hat, einige Entwürfe herumgeschossen hat. Und auch einen mit Auto hatte, aber mit einem Honda oder so. Das hat mir schon getaugt, aber wenn, dann musste das schon etwas mit uns zu tun haben. Dann kam die Idee mit dem Kadett – das war gar nicht so einfach, einen nicht verrosteten Kadett zu finden (lacht). Zufällig hatte jemand von den Donauwirtinnen einen Kadett, und den haben wir genommen. Da schließen sich natürlich die Kreise – davon leben wir. Und der Querverweis ist auch irgendwo die Grundessenz von Hip-Hop.

Laima: Und auch von diesem Album. So viele Querverweise auf alte Hip-Hop und Reggae-Scheiben oder zu Zitaten von alten Rappern hatten wir so noch nie. Das hat mit Still Funky begonnen, wo wir das das erste Mal machten. Ein kleiner Überbau für das Album, sozusagen.

subtext.at: Still Funky war ja die letzte Single, die ihr zuvor veröffentlicht habt und wo ihr euch auf ein bisschen aufs Korn genommen habt. Unweigerliche Frage: wie bleibt man nach 32 Jahren Bandgeschichte relevant für sich selbst?
Laima:
Naja, das ist ein bisschen wie im „wirklichen“ Leben. Wir waren nie die großen Versteller, hatten nie ein Image. Sondern waren schon immer die, die wir waren. Und wenn du dann das Glück hast, dass die Musik, die du machst, dir auch noch Spaß macht, auch nach 30 Jahren, dann ist das schon ein gutes Standbein, um überhaupt Musik zu machen. Auch gegen die Widrigkeiten. Wir machen nicht Musik, weil wir damit wahnsinnig viel Geld verdienen, oder wir etwas „erhalten“ müssen. Oder weil Texta so wichtig sei. Im Endeffekt ist es wichtig für uns, es macht immer noch Spaß, und wir können uns immer noch riechen untereinander. So halbwegs (lacht).

ÜBer die Vergangenheit

subtext.at: Da muss ich unweigerlich an das Grotesk-Album denken, auf dem es den Song You’re Driving Me Wild gegeben hat, in dem das auch schon thematisiert wurde. In der Texta-Historie hatte es schon Momente, wo man vielleicht sagen hätte können, dass die Geschichte zu Ende erzählt ist. Etwa, als Skero ausstieg, oder der Tod von Huckey im Jahr 2018. Dann war Corona – wo habt ihr für euch drei damals 2021 entschieden, wieder ein Album zu machen und als Trio weiterzumachen? Mit Ambition, nicht zu müssen, aber zu wollen?

Dan: Naja, nach dem tragischen Ereignis rund um Huckey ist auf Texta bezogen eh zwei Jahre lang alles gestanden. Auch wenn Flip natürlich produziert hat oder ich einige Cuts für andere gemacht habe. Man hat was getan – aber Texta war kein Gesprächsthema. Dann hab ich mich mal an einem Abend – ohne großartige Vorgeschichte – in dem ganzen Sog nach dem Tod Huckeys und nach ein bisschen Rotwein hingesetzt und Gedanken gemacht über uns.

Wir hatten so viel erlebt, waren authentisch, waren uns immer treu , und wir mussten ja nicht, wie Laima gerade sagte. Und dann hab ich ganz romantisch per E-mail (alle lachen) gefragt, ob wir überhaupt noch weiter machen sollten. Da habe ich schon drei Stunden dran geschrieben, das waren schon ein paar Zeichen. Das war dann der Moment, wo wir wohl entschieden haben, weiterzumachen. Das war nicht meine Absicht – aber wenn noch einer gesagt hätte, dass es ihn nicht mehr interessiere, dann wär es vorbei gewesen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Laima und Flip so vehement wären.


Laima: Moment mal: du hast damals geschrieben, dass es dich nicht mehr interessiert. Flip meinte dann „zu zweit interessiert es mich auch nicht mehr“. Ihr habts also Texta eh quasi aufgelöst (lacht). Das wird auch in einem Song thematisiert (alle lachen).

Dan: Zusammengefasst: ich war unsicher, Flip war unsicher, und wir haben uns dann natürlich ernsthaft zusammengesetzt. Und einfach mal zu dritt probiert. Dass das zu dritt funktioniert, war technisch nicht das große Problem. Sondern eher, wie es sich anfühlt, zu dritt auf der Stage zu stehen.

Wir haben zwei Konzerte gebucht, KAPU und Chelsea Wien. Also nahestehende Venues – das ist ganz gut gegangen. Auch auf der Bühne hats gepasst – und es gab dann nie wieder den Gedanken, danach nichts mehr zu machen. Sondern ganz im Gegenteil.

subtext.at: Es fühlt sich also immer noch richtig an?
Flip:
Was natürlich auch noch dazukommt, war, dass die beiden angesprochenen Konzerte Ende 2019 waren – zwei Monate später war Pandemie. Die war für uns dann auch eigentlich gar nicht hinderlich, sondern cool, weil wir viel Zeit hatten. Zum Songs schreiben etwa, und Mehr oder Weniger war dann relativ schnell fertig.

Dann natürlich mit Tour dazu, und wir haben uns dann gedacht, dass etwa im September oder Oktober 2021 vielleicht ein Zeitfenster ist, wo wir Konzerte spielen können. Ganz deppert waren wir auch nicht (lacht). Dann war eh wieder Lockdown. Andere wie etwa Kayo, der im Sommer 2020 was veröffentlichte, hats schlimmer getroffen. Da gabs ein Konzert in der KAPU, wo 20 Leute im Saal auf ihren fixen Plätzen sitzen mussten. Das war schrecklich, aber wir haben es eigentlich super erwischt. Und dann ging es weiter – mit 30 Jahres-Jubiläum, wo wir schon sehr fokussiert hingearbeitet haben. Das war fast ein Jahr Vorbereitung.

subtext.at: Also das Konzert im Posthof?
Flip:
Und in der Arena Wien, ja. Dann haben wir eh begonnen, an neuen Nummern zu schreiben. Auch wenn es mit Still Funky und 30sick natürlich schon zwei neue Nummern für die Konzerte drinnen waren, aber wir waren dann quasi schon im Flow. Und haben dann eigentlich gleich weiter gemacht und kein Nachdenken.
Dan: Und das TTR-Allstars-Album gab es auch.
Laima: Wir haben das dann ohne „Überbau“ weitergemacht. Dass dann etwa politische Tracks auf der Platte Gezeiten sind, ist dann einfach eine Schuld der Zeit. Wenn man sich jetzt keine Gedanken macht darüber, wann dann.

Zusammenarbeit mit Chakuza

subtext.at: Im Herbst tourt ihr gemeinsam mit Chakuza. Viele, mit denen ich gesprochen habe, fragen sich „wie soll sich das ausgehen“. Die Frage geb ich mal Eins zu eins weiter.
Laima:
Ich beantworte es mal aus meiner persönlichen Perspektive, beim Flip schauts sicher anders aus. Es war ja nie so, dass wir gegen Chakuza oder Stickle je was gehabt hätten. Wir waren keine Bushido-Fans, ich glaube auch nicht, dass der Peter jetzt noch Bushido-Fan ist (schmunzelt).

Es hat da nie was gegeben, es hat halt musikalisch keine Berührungspunkte gegeben. Eben weil die damals Musik machten wollten für den deutschen Markt, das hatte mit uns nicht viel zu tun. Eine Feindschaft gab es nie – darum geht es sich aus, auch weil ich die ersten Nummern, die der Flip aufgenommen hat, etwa total lustig finde. Das hat etwas proletenhaftes, und mit den Beats vom Flip geht sich das gut aus.

Flip: Es war spannend, die Vision zusammenzuführen. Wir sind schon relativ zeitgleich aufgewachsen, und beim Zehn-Jahres-Jubiläum in der KAPU hat er auch gespielt damals. Ich habe mich mit ihm immer verstanden, wenn er in Linz war. Und wir haben auch schon länger darüber gesprochen, dass ich Sachen für ihn produziere. Die Idee selbst ist zehn Jahre her. Letztes Jahr wurde es dann spruchreif – unser gemeinames Album kommt Anfang September. Zur Tour. Jetzt sind sicher die „Fanbases“ etwas verschieden – wobei ich, wie er im Dezember in der Stadtwerkstatt gespielt hat, war. Das Publikum ist auch älter geworden, er ist live gut, das wird spannend. Das ist auch ein Anreiz, dass vielleicht auch Chakuza-Fans, die Texta mal als „Wappler“ und „nicht hart“ bezeichnen, auch konfrontiert werden. Und Texta-Hörer anderesrum. Das ist auch spannend, manchmal einen „Clash“ zu machen.

Tontraeger Records, ein Kollektiv

subtext.at: Ihr seid auch das Aushängeschild von Tontraeger Records, seit Ende der 1990er. Viele Crews wie Hinterland, Da Staummtisch und viele mehr sind bis heute aktiv – warum halten sich die Crews so lange im Vergleich?
Laima: Die erste Tontraeger-Crew ging ja auseinander (schmunzelt). Wir sehen uns aber auch nicht alle regelmäßig, aber es gibt einen gemeinsamen Nenner, wie wir Musik machen. Der ist bei Kayo, bei Hinterland, bei Average, beim Staummtisch, bei uns ähnlich. Da finden wir zusammen wieder zu Alben. Es gibt zwar keinen Termin für ein nächstes Tontraeger-Allstars-Album, aber es gibt schon wieder was in der Pipeline. Ich würde nicht drauf wetten, dass das immer dieselben Leute sind. Vielleicht kommt auch ein weiblicher MC oder neue MCs dazu. Ich würde nichts ausschließen.

Man muss persönlich zusammenpassen

subtext.at: Gibt es da Berührungspunkte zu anderen Artits schon?
Flip: Ich sage immer: Tontraeger Records ist kein Label, sondern mehr eine Plattform. Es hat schon viel mit Freundschaft zu tun. Mir ist es oft wichtiger gewesen, dass ich die Person wertschätze. Natürlich hat auch die Musik passen müssen, aber auch der persönliche Vibe. Das hat auch immer ein bisschen gedauert – das erste Average-Album war nicht auf Tontraerger, die ersten zwei Staummtisch-Platten nicht, die erste Hinterland-Platte nicht. Ich bin da schon der Meinung, dass die Dinge zusammenwachsen müssen. Und man kann Dinge auch nicht erzwingen. Ich laufe nicht herum und „scoute“ Nachwuchs-Artists. Also das genaue Gegenteil von einem Album. Das ist eine kollektivistische Idee, wir alle proftieren voneinander.

Aber wir müssen uns auch verstehen. Das war für mich persönlich etwa ein harter Bruch, als das 2007 damals auseinanderging. Wo Egoismen und Karriere wichtig waren, und wichtiger als das, woran wir als Kollektiv arbeiten wollen. Ich habe auch lange gebraucht, für mich selbst das zu verdauen. Das hat mindestens zwei Jahre gedauert, das zu verarbeiten. Nichts zu verdienen, und dann dennoch das „Hackl ins Kreuz“ zu kriegen. Hart war das. Darum hat es dann auch länger gedauert, für die „nächste“ Generation wieder Vertrauen zu finden. Darum renne ich auch nicht herum und scoute, das muss passen. Das Label ist eine coole Plattform, auch das Chakuza-Album wird auf Tontraeger kommen. Ich finde es cool, wenn der Name weiterlebt.

Texta: Gezeiten

VÖ: 16.05.2025, Vinyl / Tontraeger Records

14.06. – Wels, Schlachthof
18.06. – Kik, Ried
25.07. – Clam (+ Deichkind)

Mehr Infos hier: www.texta.at

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockey- und Fußballfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.