MAXIMILIAN HECKER: „Am Schluss schlägt man immer auf den Boden auf „

Wenn Maximilian Hecker eines gelernt hat, dann das Glück nicht festgehalten werden kann, flüchtiger Natur ist und sowieso trügerisch daherkommt – so wie die Liebe auch. Und wenn die bessere Hälfte auf und davon ist, dann wird die überschüssige Energie in musikalische Bahnen gelenkt. All diese Dinge und Begebenheiten kulminieren in „Mirage Of Bliss“, seinem siebten Studioalbum.

Im Interview mit subtext.at verrät uns Hecker, weshalb er trotz seines Buchdebüts „The Rise And Fall Of Maximilian Hecker“ nicht als Schriftsteller angesehen werden möchte, weswegen Zuwendung und Hingabe letztendlich unglücklich machen und warum es gerade das Land Japan ist, das in ihm etwas entfacht hat, von dem er vorher gar nicht wusste, dass es überhaupt vorhanden war. Das Ende unseres Gespräches fällt trotzdem merkwürdig abrupt aus.

subtext.at: Max, bist du gut in deinem Beruf?
Maximilian Hecker: (seufzt) Rückblickend denke ich das schon immer. Ich bin hauptsächlich fleißig. Bevor ich eine Aufgabe angehe, habe ich meistens Zweifel und ich denke immer stereotyp „Diesmal werde ich versagen“. Bisher habe ich immer Glück gehabt und ich habe nicht versagt. Das ist eine Marotte von mir – ich kann nicht glauben, dass ich etwas Schwieriges geschafft habe. Rückblickend sage ich dann, dass ich das doch hingekriegt habe. Klar, ist jetzt mal eine Aufgabe für die nächsten zwanzig, dreißig Jahre, dass man nicht immer den Umweg nehmen muss über den Selbstzweifel, sondern auch mal direkt drauf lossteuern kann.

subtext.at: Du scheinst jemand zu sein, der an Glück glaubt.
Maximilian Hecker:
Glück im Sinne von Glück gehabt? Oder Glück im Sinne von Lebenszufriedenheit?

subtext.at: Du hast ja vorhin gemeint, dass du Glück gehabt hast, weil dir bestimmte Dinge gelungen sind, von denen du gedacht hättest, dass du sie nie bewältigen wirst.
Maximilian Hecker: Ja, ist aber mehr so, dass ich jetzt eine Gesangsaufnahme machen soll und ich mir denke „Ich werd’s nicht hinkriegen, ich muss Taxifahrer oder Maurer werden“. Und dann klappt es doch, wobei ich nicht denke „Ich bin ja doch gut“, sondern ich denke, dass ich da Schwein gehabt habe, aus irgendeinem Grund hat es geklappt, aber es war nur Zufall. Das ist auch nicht Kokettiere. Je länger und intensiver man an einer Arbeit ist und sich in einem Workflow befindet, desto weniger Umwege gibt es, was den angeht. Und auf einmal sind sie weg. Bei der letzten Platte zum Beispiel, wenn man da zwei Wochen lang nur aufnimmt und dann dreizehn Lieder macht, gibt es auch Momente, wo die Ängste gar nicht mehr in den Rahmen passen.

subtext.at: Nichts scheint heute so flüchtig zu sein wie die Popkultur.
Maximilian Hecker:
Wirklich?

subtext.at: Meiner Meinung nach schon. Du veröffentlichst bald dein siebtes Album. Wie passt das zusammen?
Maximilian Hecker:
Ich würde das eher als eine Art Autismus bezeichnen. Egal, was um einen herum passiert, ich bringe stoisch Platten raus. Es hat auch etwas damit zu tun, wo die Begabungen liegen, ob man noch Potenzial sieht oder es noch Lieder gibt, die man einfach rausbringen will. Ich glaube nicht, dass ich mir da Gedanken gemacht habe, wie ich mich jetzt positioniere in der flüchtigen Landschaft.

subtext.at: Eigentlich bist du ein international beachteter Künstler – nur im deutschsprachigem Raum lässt der Durchbruch auf sich warten. Kann man das so sagen?
Maximilian Hecker:
Ja, aber es kommt darauf an, wie man Durchbruch überhaupt definiert. Bei den ersten beiden Platten gab es ja schon eine große Aufmerksamkeit vom Feuilleton und Seitens der Indie-Presse. (überlegt) Was soll ich sagen? Ich denke schon darüber nach, aber weniger aus Eitelkeit, sondern wegen der Frage, wie man den Beruf weiter ausführen kann, wenn es keine schwarzen Zahlen gibt. Heutzutage besitzen Leute einen Bekanntheitsgrad und sie haben Facebook-Likes, aber keinen Cent in gewisser Weise. Das ist jetzt auch noch ein anderes Thema, aber das kommt noch erschwerend hinzu: Wenn man eben nicht wirklich populär ist und dann die potenziellen Käufer, die man vielleicht hätte, auch noch durch das Internet verliert. (überlegt) Es geht nicht um meinen Erfolg oder um den Durchbruch, eine Art Kindheitstraum wahr werden zu lassen, sondern es braucht Argumente, damit es auch noch die achte und neunte Platte gibt.

subtext.at: In Asien bist du sehr erfolgreich. Empfindest du das Leben zwischen den Kulturen als eine Bereicherung?
Maximilian Hecker:
Ja, durchaus. Ich habe ja auch ein Buch geschrieben, das viel mit diesem Konflikt in Asien zu tun hat. Vieles macht das Leben auch komplizierter, die Auseinandersetzung mit den Geschäftspartnern dort, das Touren, aber es ist spätestens rückblickend unbedingt eine Bereicherung. Auch für die Lieder, die auf den letzten beiden Platten entstanden sind und viel mit Asien und Träumen, besser gesagt mit zerplatzen Träumen in Asien zu tun haben.

subtext.at: Ein Freund von mir, der in Tokyo studiert, sagt, dass Japan einfach anders ist im Vergleich zum Rest der Welt. Die Japaner sind für ihn das freundlichste Volk überhaupt und das Essen ist der Wahnsinn. Zum Nachtleben meint er: „Es gibt nichts, was es nicht gibt. Du kannst hier alles haben.“ Du hast auf deinem neuen Album „Mirage Of Bliss“ dem Lustviertel Dogenzaka ein Lied gewidmet. Warum?
Maximilian Hecker: In Dogenzaka habe ich damals die Nana getroffen. Kennst du meine letzte Platte?

subtext.at: Leider nicht.
Maximilian Hecker: Ah so. Es gibt auf der letzten Platte mehr oder weniger einen zentralen Song um eine japanische Prostituierte in Dogenzaka, wenn man so will. Der Ort Dogenzaka ist zu einem Dreh- und Angelpunkt von meinem Leben geworden. Einerseits wegen der Nana des Liedes, andererseits wegen der Medien, die diese Prostituiertengeschichte aufgenommen, verbreitet und in den Mittelpunkt gestellt haben. Des weiteren, weil ich dort zurückgekehrt bin vor jetzt mittlerweile wieder zwei Jahren, um diese Nana wiederzufinden. Während des Toyko-Besuches habe ich mich dann in jemanden verliebt, in eine Fotografin, meine jetzt mittlerweile wieder Ex-Freundin. In bin mit meiner Platte bewaffnet wieder nach Dogenzaka und wollte die Nana wiederfinden und ihr diese Platte geben. Ich habe sie nicht gefunden, aber meine mittlerweile Ex-Freundin kennengelernt, derentwegen ich nach Tokyo gezogen bin.

Dogenzaka ist auch ein Symbol für eine Schnittstelle zwischen Traum und der Erfüllung eines Traumes. (überlegt) Ein Ort des Fallens, auch moralisch. Einerseits die Projektion, die Erlösungsphantasien auf diesem Kontinent auf dort Erlebtes, auf der anderen Seite das Aufschlagen auf der Erde und in der Realität. Wenn es die Erfüllung eines Traumes gibt, dann höchstens in mir selber, aber nicht außerhalb von mir, wo ich etwas projiziere. Da ist eine Reifung, die bei mir nicht stattgefunden hat. Ich suche etwas außen was eigentlich innen zu finden wäre – ob es nun Asien oder asiatische Frauen sind oder andere Orte der Welt. Am Schluss schlägt man immer auf den Boden auf. Du merkst, dass du dir wegen einer Zwölfjährigen etwas ausgemalt hast, was es gar nicht gibt. Dennoch jagt man dieser Erfüllung immer wieder hinterher. Hat Suchtcharakter, finde ich. Jetzt habe ich ganz schön viel kryptisches Zeug geredet.

(überlegt) In Dogenzaka gibt es auch sogenannte Lovehotels, die für die edelsten und bürgerlichsten Pärchen gemacht sind. Meine Ex-Freundin habe ich an diesem Ort kennengelernt, deshalb gab es eine interessante Rückkehr. Dieser Ort hat nicht nur damit zu tun, mit dem Verlust der eigenen Werte und dem Rausch, der Lust und der Prostitution, sondern auch mit dem Verlieben. Mit reinen Gefühlen. Ein Ort der Ambivalenz.

subtext.at: Hast du den Song absichtlich an letzter Stelle platziert, weil er für dich eine Art Abschluss dieser Periode in deinem Leben markiert?
Maximilian Hecker: Es ist einfach der epischste Song, der außergewöhnlichste. Ich wusste nicht, wo ich ihn sonst unterbringen kann. Der Text des Liedes ist aus einem Gedicht, was ich einmal geschrieben und auf Englisch übersetzt habe.

subtext.at: Kannst du das über die Japaner unterschreiben, was mein Bekannter erzählt hat?
Maximilian Hecker: (überlegt) Diesen Aspekt, dass sie so freundlich sind und so höflich, kann ich leider nicht mehr abfeiern. Vielleicht dein Bekannter auch nicht nach einer gewissen Zeit. Diese Eigenart kenne ich aus Asien und ich bin seit 2003 regelmäßig dort, aber es ist halt einfach ein Gestus, ein Sozialverhalten, was typisches ist und was nicht automatisch bedeutet, dass die Leute herzlich sind. Ich kann jetzt nicht sagen, dass die Deutschen so schroff sind und die Japaner so nett, denn es ist einfach nur eine andere Art und Weise, sich auszudrücken. Meiner Meinung nach ist der Mensch ein Monster, egal, wo er aufwächst.

subtext.at: Ich bin, wie ich bin, das ist hoffentlich Image genug. Passt dieser Satz zu dir?
Maximilian Hecker: (überlegt) Woher kommt er, von mir, nee oder?

subtext.at: Nein, habe ich irgendwo aufgeschnappt, aber ich finde, er passt zu dir als Person. Du legst dir kein Image zurecht.
Maximilian Hecker: Das stimmt schon, wobei ich glaube, dass das mit dem Image ein Journalistenmythos ist. Ist jetzt keine Kritik oder so, aber ich glaube, dass sehr viel weniger Musiker händereibend in ihrem Zimmer sitzen und sich denken „Jetzt schneide ich mir die Haare kurz und mal sie grün, und dann ist die Platte so und so und dann werdet ihr mal sehen“. Ich glaube, dass ist ein Klischee, was sicher an manchen Stellen stimmt. Auf mich trifft das nicht zu.

subtext.at: Was kann Musik als Kunstform, was wirklich nur Musik kann
Maximilian Hecker:
Es gibt halt eine Direktheit, die über das Auge hinweggeht. Wenn ich ein Kunstwerk angucke, dann ist der Umweg zum Bauch größer. Wenn ich höre, gibt es genau so wenig einen Umweg, als wenn man etwas riecht. Man riecht ein Parfum oder einen Geruch aus der Kindheit und ist sofort an dem Ort von damals. Mit der Musik ist das nicht anders. Ein Bild oder eine Statue mag zwar auch eindrucksvoll sein, aber es erfasst nicht so leicht alle Sinne. Wenn ich in ein Museum gehe, hat man viel weniger ein Gefühl des Schwebens als bei einem Konzert.

subtext.at: Vertraust du generell deinem Bauchgefühl?
Maximilian Hecker:
Was Musik angeht schon, ansonsten bin ich sehr rational. Leider. Bei der Musik nicht. Da kann ich gerade noch loslassen.

subtext.at: Du bist auch unter die Schriftsteller gegangen. Das Buch „The Rise And Fall Of Maximilian Hecker“ wird ebenfalls bald erscheinen.
Maximilian Hecker:
(sofort) Ich bin nicht unter die Schriftsteller gegangen, ich habe nur autobiografisch was aufgeschrieben. Es kommen jetzt nicht fünf Romane und so was, nein, nein.

subtext.at: Wie würdest du dich dann bezeichnen, wenn du nicht als Autor oder Schriftsteller gelten möchtest? Du musst dich damit ja auseinandergesetzt haben.
Maximilian Hecker: Man ist dann Autor, aber es ist jetzt nicht so, dass ich Schriftsteller werden möchte. Es geht eher um dieses Dokument, nicht um die Zukunft für mich.

subtext.at: Was ist das für ein Gefühl, wenn man knapp 300 Seiten seines Lebens in den Händen hält?
Maximilian Hecker: Nein, noch halte ich es nicht in den Händen, leider. Es geht am 7. Juli in den Druck. Und, ja, ich freu mich da schon darauf, kann das aber noch gar nicht einschätzen. Ist halt sehr persönlich alles. Ich habe dann überlegt, wie ich das jetzt vorlesen soll auf einer Lesereise und ob ich das wirklich will. Ich denke, ich lese es den Leuten lieber nicht vor, denn sonst merken sie, wie bescheuert ich bin.

subtext.at: Hast du Angst davor, zu viel Privates Preis zu geben?
Maximilian Hecker: Als ich die Freundin in Tokyo gehabt habe, wollte ich das Buchprojekt aufgeben. Ich dachte, dass ich keine Freundin haben und gleichzeitig die Wahrheit über mich erzählen kann. Wenn ich das tun würde, würde sie mich verlassen. Jetzt, ohne Freundin und ohne Perspektive auf so was, denke ich mir „Dann können wir’s ja machen“. Ich kann mich jetzt zwar nicht in der Disco sehen lassen, aber das ist auch nicht mehr so schlimm wie vor fünf oder zehn Jahren. Die Wahrheit zu sagen bedeutet immer, dass niemand mehr mit einem zu tun haben will, was Intimbeziehungen angeht. Vielleicht stimmt das nicht, aber viele Menschen haben Ängste zu sagen, wie sie sind, weil sie schockieren würden. Mir geht es auch so.

subtext.at: Gehörst du zu der Sorte, die immer unglücklich verliebt sind?
Maximilian Hecker:
Ich denke, dass ich die Liebe und das Verliebtsein unbewusst immer so anlege, dass es nicht klappen kann. Keiner will mich ist Quatsch, sondern man kriegt es nicht hin, weil man es nicht hinkriegen will.

subtext.at: Kennst du die Serie „Greys Anatomy“?
Maximilian Hecker:
Nee, nur den Namen.

subtext.at: Die Hauptfigur hat eigentlich alles und trotzdem ist sie immer unglücklich. Eigentlich wärst du der perfekte Kandidat, um die Serie zu schauen.
Maximilian Hecker: Ja, OK, gut.

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Foto: Blue Soldier Records (Rough Trade)

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