Turbostaat: „Auch auf der nächsten Platte spielen noch die gleichen Typen“

Turbostaat – Punkrock auf Deutsch, aus Flensburg, seit 1999 aktiv. So oder so ähnlich könnte man die Band umschreiben. Mit dem neuen Album „Stadt der Angst“ sind die Jungs aktuell wieder auf Tour – subtext.at hat sie dabei zum Interview gebeten.

Dabei spricht Gitarrist Marten Ebsen über das unvermeidliche Thema Politik, Punk als Nischenprogramm und manchmal unerfüllbare Erwartungen.

subtext.at: Eine Frage, die du gleich abhaken und beantworten möchtest?
Marten Ebsen: Fahrt ihr gerne Zug? Ja, total gerne.

subtext.at: Nach fünf Alben: Wie viel ist da noch vom ursprünglichen D.I-Y-Punk-Rock übrig geblieben?
Marten Ebsen: Keine Ahnung. Wir machen immer noch vieles selber. Einige Dinge mussten wir aber auslagern. Für uns ist da eher die Selbstbestimmung entscheidend.

subtext.at: Nüchtern betrachtet: Siehst du Punkrock noch immer als ein gewisses Nischenprogramm, von Hosen und Beatsteaks mal abgesehen?
Marten Ebsen: Ganz ehrlich: Ja! Das was mich an Punk anmacht kann nur bedingt massenkompatibel sein. Was sollen denn einem Sunnyboy, der hier alles geil findet und als erster in die Sportmannschaft gewählt wird, solche Sauertöpfischen Geschichten erzählen? Eine gewisse Sensibilität für gewisse Themen und Haltungen muss man schon mitbringen.

subtext.at: In der Beschreibung zu „Stadt der Angst“ steht folgendes zu lesen:“Seit über 14 Jahren zählen Turbostaat zu den ungewöhnlichsten, ursprünglichsten, eigensinnigsten und spannendsten Formationen, die die heimische Deutschpunkszene zu bieten hat.“ Inwiefern eigensinnig, ungewöhnlich, und ursprünglich?
Marten Ebsen: Keine Ahnung. Da steht eigentlich schluffig, trottelig und vergesslich.

subtext.at: Wie viel „Konzept“ steckt in „Stadt der Angst“?
Marten Ebsen: Hm, ein bißchen halt. Für uns funktionierte der Titel im klassischen Sinne, nämlich als Überschrift. Viele Lieder behandelten das Thema Angst und da lag es nahe das Album so zu nennen. Die Häufung kam aber eher natürlich, wahrscheinlich trieb mich das gerade um. Bei uns passiert recht wenig aus einem wirklichen Konzept heraus. Dazu fehlt uns auch der lange Atem.

subtext.at: Nenn mir bitte einen Grund, „Stadt der Angst“ NICHT zu hören….
Marten Ebsen: Bocklosigkeit?

subtext.at: Punkrock-Bands haben meist eine bewegte Geschichte – Nazis versuchten zum Beispiel mal, die Donots aus einem Club zu prügeln. Habt ihr ähnliche Erlebnisse hinter euch?
Marten Ebsen: Natürlich. Aber ich bin ein schrecklicher Anekdotenerzähler. Ehrlich. Früher waren Touren sowieso eher so Abenteuertrips mit viel Radau und Alkohol. Es gab Gefängnisaufenthalte, Flucht, Drama… alles, sogar Schusswechsel…

subtext.at: Eine fast schon obligatorische Frage: Wie politisch muss Punkrock überhaupt noch sein im Jahr 2013?
Marten Ebsen: Linkspolitisch eher… Dieses ganze rechtsoffene Gestrüpp ist doch total abscheulich.

subtext.at: „Und es klappt nicht, von außen zu sanieren, die Jungen merken das sofort, die ganze Stadt ist halber Schutt, komm reiß sie endlich ein!“ – soheisst es in einem Liedtext von euch. Ein Aufruf zum Ungehorsam?
Marten Ebsen: Unbedingt! Obwohl das Lied ja eher eine Allegorie auf eine Freundschaft ist.

subtext.at: Habt ihr auch das Gefühl, dass es bis zu einem gewissen Grad schon von Fans erwartet wird, wie ein Turbostaat-Album zu klingen hat? Wie weit lässt ihr euch in einem Schaffensprozess eines Albums beeinflussen?
Marten Ebsen: Ich denke schon, dass solche Erwartungen gibt. Es findet auch innerhalb der Band auch immer wieder Gespräche darüber statt. Es ist aber etwas müssig darüber zu philosophieren, da die unterschiedlichsten Leute unterschiedlichste Aspekte der Band für typisch halten. Auch in der Band gibt es darüber verschiedene Meinungen, die sich auch nochmal im Laufe der Jahre verändern. Davon abgesehen sind wir eher langsame Typen, daher kommen Veränderungen bei uns eher tröpfchenweise. Die Menschen können aber erwarten, dass auf der nächsten Platte noch die gleichen 5 Typen spielen.

subtext.at: Kein Interview ohne Anekdote: das ungewöhnlichste Ereignis beim Aufnehmen des Albums?
Marten Ebsen: Naja, die ganze Aufnahme lief als solche ungewöhnlich. Obwohl die Vorzeichen eher schlecht waren (Viele Konzerte vorher, kein Label, finanzieller Unsicherheit) waren wir gut vorbereitet und das Aufnehmen verlief sehr locker und ruhig.

subtext.at: Letzte Frage: Auf eurem Grabstein soll mal geschrieben stehen, dass….
Marten Ebsen: Das könnte ein Haus werden.

„Stadt der Angst“ ist das neue Album von Turbostaat, mit dem sie auf gleichnamiger Tour unterwegs sind. Am 11.10. kommen sie dabei auch nach Linz in die Stadtwerkstatt – mehr Infos unter www.stwst.at!

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Foto: Erik Weiss

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.