Home – zwischen atemberaubenden Bildern und inszeniertem Kitsch
Die konstante Stimme aus dem Off pendelt zwischen Fakten und esoterischen Plattitüden, die Sprechpausen füllt ein Mix aus exotischem Gesang und monumentaler instrumentaler Begleitung. Dass der Film dennoch nur an wenigen Stellen in die Untiefen des seichten Kitsch abzudriften droht ist der Wirkung seiner Bilder zu verdanken. Von schwindelerregenden Aufnahmen des Burj Dubai über Dörfer in den Steppen von Afrika bis zu spießbürgerlichen Vorstadthäusern in Beijing, von Autobahnkreuzungen im nächtlichen Los Angeles und pilgernde Menschenmassen in Mekka zu den steinernen Köpfen der Osterinseln – selten wurde die Erde fesselnder in Szene gesetzt, selten globale Zusammenhänge mit einer ebenso global agierenden Kamera gezeigt.
Alarmismus und Bitterkeit
Yann Arthus-Bertrands, Fotograf, Umweltaktivist und Mastermind hinter dem Projekt, stieg für „Home“ in den Helikopter und sorgte an 120 über den ganzen Globus verteilten Drehorten für 500 Stunden Rohmaterial. Heruntergschnitten auf eine Stunde und 30 Minuten wird der Film zeitgleich in 87 Ländern weltweit veröffentlicht.
„Home“ bezeichnet sich bewusst nicht als Dokumentarfilm sondern will sich als „wunderbares Werk der Filmkunst“ verstanden wissen – inklusive Aussagen, die über die Grenzen der dokumentarischen Objektivität hinausgehen. Mit seiner Machart stellt sich das Werk in die Mitte eines auf die amerikanische Volksseele ausgerichteten Alarmismus im Stile von Al-Gore (An inconvenient Truth) und der bitteren Ernsthaftigkeit eines Hubert Saupers (Darwin’s Nightmare).
Für Aufsehen abseits der Fernsehschirme sorgte „Home“ bereits in Frankreich: Kritiker werfen dem Film dort vor, für das gute Abschneiden der französischen Grünen bei den letzten Europwahlen verantwortlich zu sein. „Home“ wurde in Frankreich zwei Tage vor der Europawahl vom öffentlich rechtlichen Sender „France 2“ ausgestrahlt.
Der Überflieger
Sich intensiv mit der Fotografie auseinanderzusetzen begann Arthus-Bertrand erst mit 30 Jahren im Zuge eines dreijährigen Kenia Aufenthalts. Zuvor hatte er bereits eine Karriere als Schauspieler und Direktor eines Wildtierparks in Frankreich absolviert. 1981 veröffentlichte er seine Werke aus Kenia in dem Buch „Lions“ und war fortan als Journalist, Sport- und Naturfotograf tätig; 1991 gründete er die „Altitude Agency“, die weltweit erste auf Luftfotografie spezialisierte Bildagentur. Mit dem Filmprojekte „Home“ setzte er den logisch weiteren Schritt zu seiner 1995 begonnen und von der Unesco geförderten Fotoserie „Earth from above“.
Gratis – und gerade deshalb nicht umsonst
Da „Home“ nicht auf kommerziellen Erfolg ausgerichtet ist, lässt sich der komplette Film – auf Wunsch auch in HD Qualität – bis zum 14. Juni vollkommen gratis und legal auf Youtube bestaunen. Eine Chance, die genützt werden sollte. Denn wer sich von den Logos der Marken des den Film mit 10 Millionen Euro sponsernden Luxuskonzerns PPR (Gucci, Puma u.a.) nicht irritieren lässt (Stichwort: Greenwashing), bekommt einen aufrüttelnd schönen Film präsentiert, der sich mit seiner Einzigartigkeit weit über die klassische Universum Blue-Chip Doku am Donnerstag Abend erhebt.
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Foto: Home / Yann Arthus-Bertrand