Dune Part Two: Das Epos einer Generation
Endlich ist es so weit. Der zweite Teil der Dune-Reihe startet. Da stellt sich natürlich die Frage: Schafft es der Regisseur Villeneuve, die Qualität des ersten Films zu halten oder gar zu überbieten? Mit erweitertem Cast und noch mehr Budget von Warner Bros im Rücken soll es gelingen.
Höher, schneller, weiter. Das ist das, was man sich von einem zweiten Teil erwartet. Und in einer Zeit, in der Franchises wie Pilze aus dem Boden schießen, ist eine gewisse Skepsis durchaus angebracht. Vor allem, wenn der erste Teil die Messlatte so hoch legt, dass die Erwartungshaltung bisherige Grenzen sprengt. So wie nach Dune: Part One. Der mittlerweile schon vor zwei Jahren veröffentlichte Start der Saga bekommt nun nach etlichen Verzögerungen seine lang ersehnte Vervollständigung. Und so viel sei verraten: Die Messlatte sinkt nicht.
Eine Unverfilmbare Geschichte
Als jemand, der die Bücher ebenso gelesen hat, stimme ich allen zu, die Frank Herberts Werk als unverfilmbar einstufen. Denn die Welt mit ihren Religionen, ihrer Politik, den verschiedenen Häusern und den unzähligen, wichtigen Charakteren und nicht zu vergessen spannenden Planeten hat so viel Inhalt wie kaum etwas anderes. Womöglich können da nur Der Herr der Ringe und Game Of Thrones mithalten. Denis Villeneuve versucht es trotzdem, seinen ganz großen Traum von einem „erwachsenen Star Wars“ zu verwirklichen. Und was soll man sagen? Er macht das Unmögliche möglich. Während er im ersten Teil noch etwas Zeit für recht offensive Exposition braucht, taucht man im zweiten Teil nur noch weiter ein. Und zwar genau dort, wo der erste Teil aufhört. So ergeben die beiden Teile einen theoretisch in sich geschlossenen, mehr als fünfstündigen Film, der in keiner Szene langweilig wird. Man muss es klar sagen: Niemand außer Villeneuve würde das schaffen.
Eine WElt leben, nicht nur bauen
Paul Muad’Dib Atreides – der mittlerweile unter den Fremen lebt – muss sich in diesem Film nun endgültig beweisen. Will er sich seiner Prophezeiung stellen, soll er sein neu gewonnenes Volk in den Krieg gegen die unterdrückenden Harkonnen führen, oder führt dieser Weg endgültig in die Verdammnis? So viel sei verraten: Nicht alles ist genau gleich zum Buch. Das würde aber auch nicht funktionieren. Der zweite Teil von Dune schafft aber eine graziös elegante Grätsche in seinen Kompromissen. Dinge werden abgekürzt, ja, aber seien wir mal ehrlich: Brauchen wir wirklich noch ein Franchise, das à la Hunger-Games bis auf den letzten Drücker ausgemolken wird? Nein. Auch keinen weiteren Film, der einem völlig unnötig drei Stunden Lebenszeit raubt, nur weil sich ein Regisseur mal wieder nicht entscheiden kann, was denn nun wirklich relevant für die Geschichte ist (Looking at you, Scorsese).
Villeneuve hingegen lebt für die Figuren aus Dune. Für ihn sind das seine Kinder, die er beschützt und hochleben lässt. Mit dieser Leidenschaft schafft er es dann auch, diese weiterzudenken. So wird beispielsweise Chani zu einer solch tragenden und spannenden Figur, dass man fast schon einen Film ganz allein mit ihr sehen möchte. Aber auch der neu hinzukommende Feyd-Rautha, na-Baron der Harkonnen, bekommt genauso viel Luft wie eben nötig. Klar, das Buch erklärt das alles noch viel detailreicher, aber soviel davon braucht es im Film nicht. Es ist eine Adaption, so etwas wird viel zu häufig vergessen. Eine Adaption, die das Buch auf so eine fein abgestimmte Weise erzählt, dass man nichts anderes als gratulieren kann.
HANDWERK AUF ALLERHÖCHSTEM NIVEAU
Gut, es wird also im genau richtigen Maße gekürzt und adaptiert. Wie sieht es mit dem Rest aus? Die Kostüme sind wieder allererste Sahne. Feinheiten, Mechaniken und Funktionen – alles ist bis ins kleinste Detail durchgeplant und umgesetzt. Seien es kleine Ventilatoren eingesetzt auf der Rückseite der Helme oder auch die vielen Accessoires der Lady Jessica. Maximalismus pur, den man womöglich niewieder besser sehen wird.
Während man Caladan ja bereits im ersten Teil hinter sich lässt, bekommt man hier dafür endlich mehr von der Heimat der Harkonnen: Giedi Primus. Mit Infrafrot-Aufnahmen und pixelgenauen Abstimmungen der Schwarz-Weiß Palette setzt Villeneuve hier das imposante farblose Bild um, dass ein Nolan wohl gerne für sein Oppenheimer gehabt hätte. So macht man nämlich Schwarz-Weiß auf IMAX. Kontraste mit den weißen Schädeln der Harkonnen stimmen und Bildkompositionen setzen das alles wunderbar in Szene. Auch hier kann man nichts als lobende Worte formulieren.
Am meisten zieht einen aber dann natürlich trotzdem Arrakis – der Wüsenplanet – in seinen Bann. Endlich wird man mehr über die Bräuche und den Glauben der Fremen erfahren, endlich sieht man Kämpfe gegen die Harkonnen aus nächster Nähe. Auch hier hätte man alles noch weit ausführlicher machen können, viel aufgeblasener. Aber wie bereits gesagt: Wozu noch ein dreistündiger Film, bei dem man jede zweite Szene auf die Uhr schaut, wenn man auch das hier haben kann?
Emotionaler Overdrive
Nur eine Szene braucht es, bis dass die Ohren wieder von Hans Zimmers pompösem Soundtrack getragen werden. Dabei packt dieser wieder alles rein: Orientalische Einflüsse, dumpfe Trommeln und atmosphärische Stimmen. Alles was man schon aus Part One kennt, jedoch nie dasselbe. Zimmer spannt es weiter, taucht tiefer in die Fremenwelt und ergänzt um neue Welten, die eingeführt werden. Alles wieder so gut mit den Soundeffekten verschmolzen, dass alles ineinander verschwimmt. Thopter, Sandwürmer und Menschen. Alle ergänzen sich und werden zu einer der immersivsten Welten, die das Kino je gesehen hat.
Apropos sehen: Greig Fraiser, der Kameramann, übertrifft sich wieder einmal selbst. Aber was macht die Aufnahmen von Dune so episch? Sind es die zwei Monde, die eine Sonnenfinsternis verursachen? Sind es die ewig weiten, glatten Dünen, oder doch die hinterherfahrenden, wackeligen Kameras, die gemeinsam auf den Würmern mitreiten? Es ist all das und noch viel mehr.
Besonders dabei ist eine Sache, die Villeneuve schon seit langem meistert: Maßstab. Denn immer, wenn etwas imposant und riesig aussehen soll, wird genauso das geschaffen, was die Zuseher:innen brauchen, um es zu verstehen: Ein Anhaltspunkt. Sei es ein ameisengroßer Mensch, der allein auf weiter Flur wandert oder ein gefallender Krieger, der hunderte Meter von einem Felsen hinab in die Tiefe stürzt. Dazu braucht es Referenz, und die wird geliefert, aber sowas von. Da können sich andere Regisseure noch ganz viel abschauen, denn im Maßstab zwischen Dune und allen anderen Filmen hat nichts eine Chance. Es ist mir ein Rätsel, wie jemand für einen Bruchteil des Budgets eines jeden aktuellen Marvel-Films eine Qualität auf einem Niveau abliefern kann, dass selbst Camerons Avatar alt aussieht. Es wird ewig dauern, bis dass dieses Kinoerlebnis übertrumpft werden kann. Zumindest bis zum nächsten Villeneuve-Film (Vielleicht ja sogar Dune: Part Three?).
Licht und Schatten
Timothée Chalamet, Zendaya, Rebecca Ferguson, Austin Butler, Dave Bautista, Christopher Walken, Florence Pugh, Léa Seydoux… Muss man noch mehr aufzählen, um die unglaubliche Qualität des Casts zu beweisen? Das einzige, das man bemängeln könnte, ist die Screentime eines jeden, denn von jedem möchte man gerne noch viel mehr sehen. Chalamet zeichnet eine grazile und grandios von Zendaya unterstützte Ambivalenz in seiner Figur, die endlich eine neuartige Heldenreise ergibt. Vor allem die Entscheidungen um Zendayas Charakter Chani sind dabei herrlich gesetzt, um die Geschichte voranzutreiben. Florence Pugh ist perfekt in der Rolle der Prinzessin Irulan gecastet und Austin Butler ist nichts geringeres als eindrucksvoll furchteinflößend.
DURCHGEHEND EINZIGARTIG
Der Soundtrack, die Bilder, die Kostüme, das Schauspiel und das Drehbuch. Alles ist zu loben. Fehlt noch der Schnitt. Der Schnitt von einem beinahe dreistündigen Epos, das Klimax nach Klimax abliefert und dennoch immer einen draufsetzen soll. Joe Walker, langjähriger Schnittmeister Villeneuves wird hier wieder völlig richtig eingesetzt. Noch nie, wirklich nie, hat man einen Film gesehen, der sein Publikum so lange mit solch einem Level an Spannung in den Sitzen halten kann. Gerade dann, als man glaubt, der Höhepunkt sei jetzt erreicht, kommt erneut das wuchtige Pacing daher und setzt mir nichts dir nichts noch eins drauf. Bis das man in einen fast stummen Endkampf entlassen wird, bei dem einen das Herz gleich mehrfach in die Hose rutscht. Denn selbst so eine Kampfchoreografie hat man noch nie gesehen. Alle Kampfszenen aus Superheldenfilmen sind Kindergarten dagegen. Chapeau, Villeneuve, chapeau.
Was ist Dune: Part two?
Es ist die Ergänzung des ersten Teils, bei dem sich kombiniert eines der monumentalsten Kinoerlebnisse des Jahrhunderts ergibt. Villeneuve bestätigt sich einmal mehr als der Meisterregisseur der heutigen Generation und liefert ein Werk ab, das vergeblich seinesgleichen sucht. Es ist fast schon ein Fluch, mit dem man seine Augen mit diesem Film belegt: Denn nach diesem Erlebnis will man niewieder zurück. Nicht in die echte Welt, nicht zurück zu schlechteren Filmen. Dune ist ein Meisterwerk, das für sich selbst eine neue Liga erschafft. Es ist das Epos, das kommende Generationen ausnahmslos in seinen Bann ziehen und niewieder loslassen wird. Dune ist absolute Superlative. Dune ist das beste Kino, das es jemals gab.
Dune: Part Two
Regie: Denis Villeneuve
USA, 166 Minuten
Mit Timothée Chalamet, Zendaya, Austin Butler, Florence Pugh