„Wehrpflicht ade“?
So titelt die aktuelle Ausgabe der „Zeit“. Diese Debatte ist in Österreich allerdings völlig irrelevant.
Es wird wieder einmal diskutiert im Staate Österreich. Dieses Mal, wie in einem keynseanischen Wirtschaftszyklus alle paar Jahre wieder, über die Wehrpflicht und deren Abschaffung.
Dabei ist diese Diskussion in Österreich völlig irrelevant. Es wird über Berufsheer, Freiwilligenheer, eventuelle NATO-Beitritte und die viel zitierte „Sicherheitsdoktrin“ diskutiert. Dabei werden Minister beflegelt, und jeder politische Vertreter behauptet, den heiligen Gral der Sicherheitspolitik gefunden zu haben.
Die eigentliche Debatte ist allerdings eine völlig andere. Es kommt ja selten vor, dass ich mit der FPÖ übereinstimme, aber in einem Punkt muss ich sogar den österreichischen Wehrsportlern zustimmen.
„Man kann die Wehrpflicht nicht abschaffen, weil dann auch der Zivildienst fallen würde“, so Peter Fichtenbauer, seines Zeichens Wehrsprecher der FPÖ. Und damit hat er die für Österreichs Zukunft viel wichtigere Debatte angesprochen – die des Sozialstaates und dessen Zukunft.
Abgesehen davon, dass die Argumentation, man solle die Wehrpflicht beibehalten, weil man zur Alternative keine Alternative habe, nicht einer gewissen Ironie entbehrt, ist die Position des Zivildienstes eine sehr zwiespältige.
Die Einen sehen den Dienst als „menschlich und sozial weiterbringend“, die anderen als ökonomischen Schildbürgerstreich. Ich gehöre zur zweiten Gruppe. Und das aus drei Gründen.
- Ja, es ist ökonomischer Schwachsinn, gerade erst mit ihrer Ausbildung fertig gewordene junge Männer vom Arbeitsmarkt fernzuhalten und sie für einen Hungerlohn in Einrichtungen zu stecken, wo ihnen meistens die Qualifikation fehlt, um dort effektiv eingesetzt zu werden (entweder man bildet sie wie im Rettungswesen aus, oder man lässt Zivildiener oft illegalerweise Tätigkeiten durchführen, für die sie keine Ausbildung haben).
- Es ist diskriminierend. Ja, ich weiß, dass mich manche Feministinnen, viele „ehrliche, honorige Staatsbürger“ und so mancher Gerechtigkeitsfanatiker lynchen wollen. Aber es ist nicht einzusehen, dass nur Männer, und da nur die tauglichen (mit welcher Berechtigung sind untaugliche Männer für den Zivildienst etwa in der Flüchtlingshilfe ungeeignet?), ein knappes Jahr ihres Lebens opfern müssen.
- Zum ökonomischen Schwachsinn – immerhin entgehen dem Staat viele Steuereinnahmen, die Zivildiener beitragen würden, wenn sie einem normalen Job nachgehen würden – kommt noch dazu, dass hier seit Jahrzehnten staatlich gefördertes Lohndumping betrieben wird.
Mehr Gerechtigkeit? Ja, aber bitte wirklich!
Staatlich gefördertes Lohndumping? Wo doch immer behauptet wird, man müsse für „mehr Gerechtigkeit“ sorgen? So etwas gibt es im 21. Jahrhundert noch? Lapidare Antwort: ja.
Anstatt ausgebildetem Personal Gehälter zu bezahlen, die der Markt verlangen würde (eigentlich müsste doch die ÖVP die erste Partei sein, die dafür ist), lassen wir unqualifizierte Zivildiener diese Tätigkeiten verrichten. Anstatt den Pflegenotstand durch eine Ausbildungsoffensive zu bekämpfen, setzen wir Zivildiener ein und fürchten uns vor dem Ansturm osteuropäischer Arbeitskräfe, der sowieso nie kommen wird. Anstatt Verwaltungen zusammenzulegen (man muss es nicht so radikal wie HC Strache machen, der eine Krankenkasse für In- und eine für Ausländer einführen würde), leisten wir uns 29 verschiedene Krankenkassen.
Ich stelle hier eine kühne These auf: Würde man dieses Lohndumping durch den Zivildienst abschaffen und ordentliche Gehälter zahlen, würden auch mehr Menschen einen Sozialberuf ergreifen. Denn auch bei der größten sozialen Ader spielen finanzielle Fragen noch immer die größte Rolle in der Jobauswahl. Man könnte also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – mehr Gerechtigkeit und mehr qualifizierte Arbeitskräfte.
Ich behaupte, dass diese Debatte wichtiger ist für Österreichs Zukunft als die um das Heer. Und man diese Diskussion vorher führen sollte, anstatt von fiktiven Bedrohungsszenarien zu philosophieren.