Apropos Social Media

Florian würde den Menschen am liebsten verbieten, Computer zu benutzen. Für ihn gibt es kein Zurück mehr, die Menschen haben versagt. Ich hingegen sehe die schöne, neue Welt nicht ganz so düster. [Ein kleiner Gegenkommentar.]


Ich habe Florians Kommentar in 5 Teile aufgesplittet und werde mit einem geselligen Apropos auf sie alle zurückkommen.

Apropos schnelle Welt – Ich hasse Wörter, wisst ihr? So zum Beispiel „Reizüberflutung“. Es gibt wohl kaum ein Wort, welches Eltern, Dozenten oder etwaige Diskussionspartner lieber in den Wort nehmen, wenn man mit ihnen über Social Media reden möchte. Wir würden daran noch zugrunde gehen, meinen die einen. Zeit zum Abschalten und Runterkommen wünschen uns die anderen. Ich hingegen sage: alles, was gemeinhin als Reizüberflutung bezeichnet wird, ist eigentlich nur hausgemacht.

Als ich damals (zwischen 2005 und 7) mit Social Media begann, hieß es noch furchtbar altmodisch „Web 2.0“. Damals war es hier noch seelenruhig, keine (mir bekannte) Menschenseele trieb sich in den Unweiten meiner Datenströme herum. War früher also wirklich alles besser? Ich bezweifle es. Doch wer sich im Laufe der Zeit einer Überflutung seiner Reize ausgesetzt sah, hat wohl einfach vergessen, dass man Kontakte auf Facebook verbergen oder gar entfreunden, Accounts auf Twitter einfach entfolgen kann. SozusagenTimelinemüll entsorgen. Das hilft und erleichtert ungemein.

Kommerz und Selbstdarstellung … wie im echten Leben eben.

Apropos makellos – Florian schreibt, dass Social Media es (entschuldigt seine Wortwahl)verkackt hat. Er beschreibt die Welt im Web als Stadt voll aalglatter Photoshop-Zombies: man muss doch schön aussehen, für all die virtuellen Freunde. Das habe ich bisher noch nie so erlebt: Natürlich ist es klar, dass Selbstdarstellung einen hohen Stellenwert für manche Menschen hat, die sich z.B. auf Facebook herumtreiben. Doch die tun das wohl auch im Leben außerhalb des Bildschirms. Ist das wirklich das große Problem? Nur weil Macken nicht wie im echten Leben auf Anhieb zu erkennen sind, verflucht man gleich mal alle sozialen Medien? Vielleicht bekommt man im Web auch Anerkennung, die man im face2face-Kontakt manches Mal vermisst. Schlimm, oder?

Apropos intellektueller Fastfood – Die Welt von heute würde in 140 Zeichen funktionieren. Davon bin ich überzeugt; und doch – was wir in den sozialen Medien serviert bekommen, kann wohl, wie Florian richtig sagt, nur als Fastfood bezeichnet werden. Nur sind es dieses Mal keine Pommes, die wir futtern, sondern Informationen. Ist es wirklich so schlimm, von einigen Themen nur Oberflächliches zu erfahren? Zeigt nicht der Erfolg der Gratiszeitung „Heute“, dass genau das auch in der analogen Welt sehr gewünscht wird? (Und so sehr man auch gegen diese Zeitung sein kann, sie schafft doch eines: sie bringt die Jugend von heute zum Lesen.) Sollte einmal etwas interessant sein, so muss man meist nur mehr einen Link öffnen und sieht die ganze Geschichte. Und dank der immensen Anpassungsfähigkeit kann man zudem selbst entscheiden, ob die Timeline eher wie die Bild oder doch wie die Frankfurter Allgemeine aussieht.

In Social Media kann man vieles über Menschen erfahren: über Respekt, über Reife oder auch über den Wert einer Freundschaft.

Apropos Social Breakup– Wir kennen die Geschichten: Heutzutage macht man ja nicht mehr Schluss wie früher. Heute schickt man SMS, macht es via Facebook Chat oder ändert ganz einfach seinen Beziehungstatus. Aber … honestly: Was ist von einer solchen Beziehung überhaupt zu halten, die auf diesem Weg beendet wird? Was sagt das über den Reifestatus der aktiven Person aus? Über den Respekt gegenüber dem (Ex-)Partner? Das waren sicher wohl auch die Menschen, die in den 60er- oder 70er-Jahren ihren besten Freund/ihre beste Freundin ins Schlachtfeld schickten um die traurige Botschaft zu übermitteln. Menschen verändern sich nicht, sondern nur die Wege, die sie nutzen.

Apropos Freundschaft – Die Geschichte, die Florian in seinem Kommentar beschreibt ist traurig: ein „Freund“, der sich damit begnügt, 2-3 Mal die Woche mit ihm im Facebook Chat zu schreiben. Und ja, es gibt sie, diese „Freundschaften“. Aber vielleicht ist dies ja auch ein Vorteil: nach der Matura trennen sich ja bekanntlich die meisten Wege. Und oft ist es Facebook, die die jungene Studenten in Innsbruck, Salzburg, Linz, St. Pölten oder Wien zusammenhalten. Man bleibt up2date mit den Dingen, die die Freunde erleben … die Kommunikation verlagert sich auf den Bildschirm. Und wenn man sich mal endlich wieder sieht, kann man so schnell über den „Was bisher geschah“-Smalltalk hinausgehen und zu den wirklich wichtigen Dingen kommen.

Wir sind Prosumenten. Und damit die erste Generation, die mit einfachen Mitteln Inhalte über die ganze Welt verteilen kann.

Apropos Menschenabos – „Wir abonnieren Menschen“ schreibt Florian und macht dabei den Fehler, den er selbst als große Gefahr sieht: er lässt die Menschen selbst zu Tools werden. In Wahrheit abonnieren wir Content. Und nie war es einfacher, selbst Inhalte zu erzeugen und unter die Leute zu bringen. Ich abonniere die Beiträge von Hobbyfotografen, von Hobbymusikern, von Hobbyliteraten. Und bin oftmals mehr als beeindruckt, welche Talente es in meiner Timeline gibt. Social Media hat uns die Möglichkeit eröffnet, Prosumenten für einen grundsätzlich unbegrenzten Kreis an Menschen zu werden.

Ich bin kein Sektenmitglied von Social Media. Ehrlich nicht. Nur habe ich mit meinen Blogs, mit Twitter und mit Facebook in den vergangenen fünf sechs Jahren Dinge erreicht, die mir ohne diesen sozialen Medien wohl verwehrt geblieben wären. Und: Ja, natürlich … schon in der Schule sollte man endlich beginnen, Medienkompetenz zu lehren. Dank Social Media bekommen wir die Möglichkeit, alles zu tun … sollten dabei aber auch wissen, welcher Verantwortung, welcher Pflichten und vor allem auch welcher Gefahren wir uns aussetzen.

So people complain that there’s a lot of rubbish online, or that it’s dominated by Americans, or that you can’t necessarily trust what you read on the web. Imagine trying to apply any of those criticisms to what you hear on the telephone.

Douglas Adams, bekannt für den Klassiker „Per Anhalter durch die Galaxis“ hat 1999 einen Text geschrieben, den man 2011 noch genau so empfehlen kann: How to Stop Worrying and Learn to Love the Internet … sollte der im Mai verstorbene Autor Recht behalten, werden die Bedenken rund um Social Media wohl erst frühestens 2014 verschwinden. Aber es war mir ein Anliegen, aufzuzeigen, dass die „schöne, neue Welt“ nicht so düster, so menschenverachtend ist, wie es Florian in seinem Kommentar beschreibt. Und auch wenn all seine erwähnten Erfahrungen möglich sind, bilden sie nur einen minimalen Prozentteil der Möglichkeiten ab, wie man Social Media benutzen kann.

Social Media hat uns nicht verändert. Wir haben uns verändert, und Social Media ist somit nur das Tool, um unsere Veränderung aufzuzeigen. Verteufeln wir nicht etwas, das wir selbst so formen können, wie wir es wollen. Das hat sich Social Media nämlich wirklich nicht verdient.

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29 Jahre alt - Literarischer Blogger (Neon|Wilderness), Autor ("Volle Distanz. Näher zu dir"), Medienblogger (dominikleitner.com), Printschreiber (MFG Magazin), freier Journalist (u.a. BZ), CD-Kritiker (subtext.at) und Detektiv (365guteDinge)