ARCHIVE: Interstellar

Sie waren schon immer eigenwilliger als andere. Statt sich auf Lebenszeit an ein bestimmtes Konzept zu binden, schlagen Archive, das Kollektiv um Danny Griffiths und Darius Keeler, immer wieder neue Wege ein. Auf „With Us Until You’re Dead“ kotzen sie förmlich ihr Innerstes nach Außen – man weiß nur nie, wann das geschieht, bevor es nicht unmittelbar passiert.

Zweifel, Lebens- und Glaubenskrisen prägen das sechste Album von Archive. Die triphopartigen Züge, die zuletzt noch musikalisch im Vordergrund standen, wurden wieder dem Erdboden gleichgemacht. Zwar vermengen sie abermals treibende Rock-Gitarren mit dem kühlen Klang von Synthesizern, doch das Resultat ist anders ans gedacht: Eine anstrengende, irgendwie-dann-doch geradlinige Platte mit Vocals jeglicher Färbung. Sie zerlegen interstellaren Progrock in viele, kleine Einzelteile und bauen die Fragmente mit pessimistischem Feeling, zuweilen harten Riffs und beseelten Streichern wieder zusammen. Ein Song wie „Twistening“ steht diesmal näher an Aphex Twin als an Pink Floyd.

Die Atmosphäre? Verstörend. Manches gibt sich geradezu sakral, dazu jeweils zwei Frauen- und Männerstimmen, die sich mit mannigfaltigen Beats duellieren. Die Songs schälen sich nach und nach heraus, bis sie nicht mehr loslassen. „With Us Until You’re Dead“ spielt gekonnt auf der großen Gefühlsklaviatur und verschleppt dich in dunkle, düstere Ecken. Das ausgeklügelt-eingängige „Hatchet“ oder „Violently“ etwa, ein unförmiges Ungetüm mit stoischem Groove, machen deutlich, dass Archive sich auf keinen Fall auf eine Schiene festlegen möchten. Auch „Damage“ ist alles andere als entscheidungsfreudig und ändernd andauernd seinen Kurs, von stürmisch zu besinnlich. „Stick Me In My Heart“ durchlebt hörbar Höhen und Tiefen, „Conflict“ ist so hektisch geraten wie der Name es vermuten lässt.

Ein Song wie „Wiped Out“ gibt sich zuerst leidend, träge und indisponiert, um anschließend NIN-artige Seiten aufzuziehen und sich in zuckender Wildheit zu ergehen. „Silent“ mischt den wunderschönen Gesang von Maria Q mit industrialem Gebolze.

Ein schwerfälliges Album, das wegen seiner Unvorhersehbarkeit auseinander zu fallen droht – es ist nicht unbedingt das, was man sich von einer Band wie Archive gewünscht hätte. Bestimmt nicht ihr bester Auftritt, aber dann doch ein weiterer Mosaikstein eines faszinierendes Gebildes. Ungeduldige Menschen wie ich dürften mit „With Us Until You’re Dead“ Probleme haben.
Sie hätten es sich einfacher machen können.

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Violently, Hatchet, Damage
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Julian Hayr
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With_Us_Until_Youre_Dead

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