THE BOXER REBELLION: Das weiße Album

Ein akustisches Atmen. Traumhaft fern. Sanft geschichtet. Jetzt, wo sie wieder da sind, merkt man, wie sehr man eigentlich die Formation um Sänger Nathan Nicholson vermisst hat. In Sachen Songwriting macht The Boxer Rebellion so schnell niemand etwas vor. Ein Album wie ein frischer Sommermorgen.

Wenn Erwartungen weder enttäuscht noch übertroffen werden, ist man im ersten Moment erst mal ratlos. „Promises“, das vierte Studioalbum der Briten, ist eine subtile Abkehr von den vorherigen Veröffentlichung. Schön, wenn Bands an sich Seiten entdecken, die sie bislang nicht kannten und diese mit uns teilen. Ja, sie überraschen dort mit Leichtigkeit, wo früher Dunkelheit und Melancholie en masse zu finden waren. Trost und Schönheit dort, wo niemand sie mehr vermutet. The Boxer Rebellion kehren der Düsternis den Rücken zu und entdecken die Möglichkeiten vielseitiger Klangwelten. Nichts wirkt aufgesetzt oder krampfhaft umgesetzt – ganz im Gegenteil „Promises“ ist für mich das bislang ausgewogenste Werk der Band. Kompakt und doch klanglich vielseitig. Bezugsofen und dennoch wie aus einem Guss. Der wehmütigen Stimmung tut das keinen Abbruch. Natürlich ist hier nicht alles eitle Wonne, aber sie lassen mehr Licht ins Zimmer und in die Räume. Die Band baut ihr cineastisches Universum kontinuierlich aus und gewinnt dadurch an Kontur. Irgendetwas lässt mich an die Franzosen von Air denken, obwohl an sich gar nichts nach denen klingt. Seltsam.

Fast zögerlich bemerkt man dann die zeitlose Klasse einzelner Lieder. Rocksongs, die sich wie Popsongs anfühlen – im weitläufigen Geflecht. Leise atmend drückt man das Gesicht ins flauschige Kissen und lauscht den klaren Arrangements. Nie zu aufdringlich komponiert, die Hits (und es gibt wieder einige davon) verkleben nie sogleich das Ohr. Spielerisch pendelt das Quartett zwischen intimen Songwriter-Pop („Low“ mit einer herrlichen Klaviermelodie) und treibendem Indie-Rock („Always“, die griffige Single „Diamonds“). Wenn sich die Gitarrenakkorde von Todd Howe so voluminös und schnurstracks in die Höhe schrauben, muss man hier und da sogar an U2 denken. Und wenn ein Song wie „Fragile“ so fabelhaft nach Weite klingt, während er von einem sachten Synthie-Beat auf die Spur gebracht wird – dann weiß man, dass die Band auch diese Platte nicht in den Sand gesetzt hat.

 

The Boxer Rebellion sind wohl nach wie vor eines der bestgehüteten Geheimnisse der Rockmusik, haben aber weiterhin das Potenzial, um zu wahrer Größe heranzuwachsen. Und das ist doch schon mal was. „Promises“ ist damit nicht mehr und nicht weniger als ein heißer Anwärter auf das Album des Jahres.

promises

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