„Biedermann und die Brandstifter“: (Zirkus-)Kunst im Theater Phönix
Max Frischs Stück wurde 1958 uraufgeführt und ist in der aktuellen Inszenierung durch Harald Gebhartl in den Zirkus verlegt worden.
Der Zirkusdirektor Gottlieb Biedermann (Sven Sorring) ist ordentlich, pflichtbewusst und stets auf den Gewinn seines Zirkus bedacht. Der Profitgedanke ist es auch, der aus ihm spricht, als er den arbeitslosen Ringer Schmitz (Matthias Hack) den Warnungen seiner Frau Babette (Judith Richter) zum Trotz in der Winterpause bei sich wohnen lässt. Obwohl das Verhalten von Schmitz Unbehagen weckt und die Medien vermehrt von Brandstiftungen berichten, ist Biedermann der Überzeugung, Kriminelle erkennen zu würden. Außerdem war Schmitz im Waisenhaus, da möchte man nicht hartherzig sein und ihn ohne Bleibe vor die Tür setzen. Unruhig wird Biedermann jedoch, als sich Schmitzs Freund und Clown Eisenring (David Fuchs) samt Benzinfässern ebenfalls in sein Haus gesellt. Gottlieb Biedermann beschließt, sich die beiden zum Freund zu machen, um unbescholten aus der Situation herauszukommen…
Die erste Skizze zu „Biedermann und die Brandstifter“ ist 1948 unter dem Eindruck der Machtübernahme der Kommunist/inn/en in der Tschechoslowakei entstanden. Da das Stück als einseitig antikommunistisch interpretiert wurde, schrieb Frisch (1991-1991, Autor von „Homo faber“, „Stiller“ u.a.) 1958 ein Nachspiel für die deutschsprachigen Bühnen. In diesem treffen Biedermann und seine Frau Babette in der Hölle erneut auf Schmitz und Eisenring. Gottlieb Biedermann kann als Bourgeois betrachtet werden, Schmitz und Eisenring sind hingegen keine klassischen Proletarier. Sie versorgen sich primär nicht durch ihre Arbeitskraft, sondern stehlen und wohnen in anderer Leute Häuser. Sie geben offen zu, dass Sentimentalität (schlechte Kindheit,…), Humor und Wahrheit ihre Tarnung sind. „Die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit. Die glaubt niemand“ hat Frisch selbst schon formuliert. Eisenring und Schmitz sind jedoch keine Revolutionäre, sie scheinen aus bloßem Gefallen, nicht aus Motiven, die die Weltverbesserung zum Ziel hätten, Brandstiftung zu betreiben.
Die Figuren (in weiteren Rollen Lisa Fuchs als Kunststücke vollführendes Dienstmädchen Anna, Felix Rank als Fireman und gemeinsam mit Lisa Fuchs als mahnende Stimme des Chores) sind weniger eigenständige Charaktere, als vielmehr Typen von Rollenträger/inn/en. Das passt insofern zum Geschehen, als die Parabel von Frisch Mitläufertum und politische Blindheit anprangert. Das verantwortungsvolle Denken und Handeln des/der Einzelnen wird genau dadurch hinterfragt, indem es auf der Bühne nicht stattfindet. Ein äußerer Blick auf das Geschehen ist durch den Chor gegeben(Musik: Wolfgang Peidelstein), Felix Rank fasst mit Johnny Cashs „The ring of fire“ das bisher Passierte zusammen. Die Flammen, sprich die Gefahr, steigen auf, aber Biedermann handelt aus Angst und Falschheit nicht. In bedrängten Situationen werden Handlungsmöglichkeiten gar nicht mehr erkannt und andere setzen ihre Interessen durch, die irrtümlicherweise schon für die eigenen gehalten werden.
Durch skurrile Gestalten, das direkte Ansprechen des Publikums (Babette entschuldigt sich beispielsweise bei diesem für das Verhalten ihres Ehemannes.) und den geringen Einsatz von Emotionen weist das Stück Verfremdungseffekte auf. Es wirkt desillusioniert und phasenweise auch satirisch.
Die Übertragung in die Zirkuswelt bietet dem zeitgenössischen Inhalt viel Platz: Hinter den Kulissen sind die Artist/inn/en nicht dauerfröhlich und trotz Aufritten im Team dem Konkurrenzprinzip des Kapitalismus unterlegen.
Das Bühnenbild von Georg Lindorfer hat weder auf ein Zirkuszelt, noch auf sich von selbst bewegende Tücher vergessen. Spektakulär sind die Effekte, als bei den Biedermanns der Brand ausbricht.
Antje Eisterhuber hat bei den Kostümen unterdessen auf Sinnlichkeit gesetzt. Viele Aussagen und Handlungen sind in „Biedermann und die Brandstifter“ aufgesetzt, auffällige Masken von Anita Bachl sind daher nicht fehl am Platz.
Der eingesetzte Humor ist schwarz, der skurrile Gehalt manchmal Geschmacksache. Doch auch wenn die Inszenierung nicht jedermanns Sache ist, sie enthält Spannung, ist kreativ, zeitgenössisch und eine gute Umsetzung der eigenen Interpretation des Autors.
Die nächsten Vorstellungen, für die noch Karten zu bekommen sind, finden von 13-15.12. jeweils um 19 Uhr 30 statt. Ermäßigt sind die Karten sonntags und für Studierende mittwochs.
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