Wir vermissen dich jetzt schon – Acoustic Lakeside!
Zehn Jahre ist es her, seit das Acoustic Lakeside im kärntnerischen Sittersdorf das Licht der österreichischen Festivalwelt erblickte. Eine Dekade später ist das Festival zum dreitägigen Mekka der Gemütlichkeit geworden. Und nicht nur das – musikalisch und vom Rahmenprogramm findet sich hier der Inbegriff der Perfektion.
Donnerstag
[dropcap size=small]G[/dropcap]anz und gar nicht „akustisch“ wurde das Festival dann traditionellerweise am Donnerstag im Zelt gestartet. Wobei, … doch. Die höchste Eisenbahn stand als erster Act auf der Bühne, und die waren sehr wohl akustisch. Ganz im Gegensatz zu Ezra Furman und seinen „Boyfriends“. Queer as fuck, elektronisch, rockig, und somit ideal geeignet für einen gelungenen Festivalstart legte er eine mehr als eineinhalb Stunden dauernde Show hin, die die Partynacht wahrlich gebührend einleitete (was man an den Spuren an einigen Festivalbesuchern am nächsten Tag eindrucksvoll erkennen konnte). Zumindest, wenn man genug Insektenschutzspray mit hatte. Die Sittersdorfer Gelsen schienen nämlich auch „in love with the lakeside“ zu sein, und hatten ebenso eine durchzechte Nacht wie die Partymeute.
Freitag
[dropcap size=small]D[/dropcap]er erste sozusagen reguläre Festivaltag, und der prognostizierte Regen blieb auch aus. Drückend heiß, sodass auch die heurige FM4-Sandkiste zur Sauna mutierte. Fußballerische, naja, nennen wirs mal „bemühte“ Leistungen und angesichts der Hitze auch annehmbar viele Fans waren auch anno 2015 ein gern gesehener Fixpunkt. Den größten Spaß allerdings dürften die Kommentator-Jungs von Art Brut gehabt haben – England und Fußball vertragt sich eben.
Pünktlich um 13:45 eröffnete dann Charlie Cunningham die Hauptbühne – klassisch. Mann mit Gitarre am Mikro – puristischer dürfte man Acoustic Lakeside wohl nicht interpretieren können. Danach standen Dear Reader auf der Bühne. Kurz zumindest. Knapp 30 Sekunden nach Konzertbeginn stand das erste Highlight des Festivals an – der Himmel öffnete seine Pforten. Wobei die Musik von Dear Reader ja eigentlich nicht wirklich zum „Weinen“ ist – gefühlte 50 Liter Regen pro Quadratmeter gingen aber dann doch nieder, und das begleitende Gewitter sorgte für Verzögerung. Eine gute Stunde lang. Schade, der Auftritt von Dear Reader ist damit ins Wasser gefallen – oder etwa doch nicht? Während sich auf der Bühne Polkov bereit machten, sorgten Dear Reader mit einer Unplugged-Session sowohl vor der Bühne, als auch danach am See für Gänsehautgefühl. Wow!
Bei den erwähnten Polkov erwies sich, bei annehmbareren Wetter, das Publikum danach erstaunlich textsicher – kein Wunder, sind Polkov doch auch eine der aufsteigenden Bands des letzten Jahres. Auch akustisch klingen sie gut. Sehr sehr gut. Bei schönerem Wetter konnte man dann entweder All the Luck in the World oder Soak lauschen – oder am See rumhängen. Alles sinnvolle Varianten, einen Festivalnachmittag zu verbringen.
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Der erste wirkliche Headliner stand dann zur Primetime mit den Augustines auf der Bühne. „Chapel Song“ wird gleich als zweiter Song verbraten, und bei „Weary Eyes“, überraschenderweise mitten im Set und mitten im Publikum, hatte man dann wieder das Gefühl, einem dieser Konzert-Magic-Moments beizuwohnen. Danach war, zur Verwunderung, erstmal Schluss. Den Augustines verzeiht man aber auch eine witterungsbedingte technische Pause – das Konzert wurde danach auf demselben hohen Level fortgesetzt, auf dem es vorher bereits schon gewesen ist.
Apropos hohes Level. Die schwedischen Grinsekatzen Friska Viljor sind genau das. Auf der Bühne mit einem Dauergrinser unterwegs haben sie wohl alle Festivalbesucher vor der Bühne versammelt. Kein Wunder – wird einem doch in keinem Moment langweilig. Und als zum Schluss „Shotgun Sisters“ ertönt, liegen sich dann endlich alle in den Armen.
Man könnte jetzt meinen, dass das schon alles war, war es aber nicht. Will Oldham, aktuell unter dem Pseudonym Bonnie Prince Billy unterwegs, fehlte noch mit seinem Auftritt. Einer der wohl spannendesten Songwriter dieser Zeit, mit der wohl schrägsten Begleitband, die das Festival in seiner Geschichte gesehen hat. Schade halt, dass viele Friska Viljor als den absoluten Headliner sahen, und danach im Partyzelt verschwanden, um sich für die Nacht vorzubereiten. Schade – der gute Herr Oldham stellte eindrucksvoll unter Beweis, dass er zum Olymp zählt. Auch mit etwas mehr Platz vor der Bühne.
Social Media zum Freitag
danke!!! an euch alle, das ihr so ein wundervolles festival veranstaltet!!!!!
Posted by Helmut Gstallnig on Monday, July 27, 2015
Samstag
[dropcap size=small]T[/dropcap]ag Drei. Müdigkeit macht sich breit – haha! Schlechter Scherz. Von Müdigkeit nämlich weit gefehlt. Der prognostizierte Starkregen blieb auch aus. Also – ab zum See! Dort, wo Die Sterne-Frontmann und Deutschlands wohl musikalisch bester Schnauzer Frank Spilker eine Lesung hielt. Oder wo man um halb 12 Herzblatt-Parodien sehen konnte. Oder – und wir wissen bis heute nicht, warum man das tut! – zum Frühschoppen mit dem legendary Gösselsdorfer Trio gehen konnte (Okey, zugegebenermaßen verstehen wir’s schon irgendwie; anm. der Redaktion). Oder auch einfach nur bis halb Eins warten, um mit Aexattack die erste Band zu sehen. Guter Indie-Rock, dem man ruhig eine Chance geben darf. Genauso eine Chance wie Lola Marsh – die klingt zwar ganz anders, also so richtig ruhiger, lädt aber zum Träumen ein. Für einsame Stunden zu Hause die ideale musikalische Begleitung.
Nun zur musikalischen Überraschung des Festivals. Inner Tongue. Wir müssen an dieser Stelle zugeben: wir haben vorher nichts von denen gehört. Die EP „Tz Ka“, die wir uns danach angehört haben, ist allerdings sensationell. Wenn auch nicht akustisch. Noch sensationeller war allerdings der Auftritt am Acoustic Lakeside – würde man nicht wissen, dass die Jungs sonst nicht unbedingt im Unplugged-Bereich zu Hause sind – würde man es nicht merken. Unglaublich gute Arrangements, eine noch bessere Stimme, und definitiv eines der Highlights am Festival!
Bleiben wir gleich bei „Highlights“. Ein solches war nämlich auch Aurora. Die gerade 19-jährige Norwegerin bezauberte mit ihrer Stimme, die entfernt an Florence Welch erinnerte. Sympathisch war sie obendrein – und auch wenn sie Mühe hatte, ihre Stunde Stagetime zu erreichen, war jede Sekunde hörenswert! In dieser Stunde dürfte jedoch auch sie das Acoustic Lakeside lieben gelernt haben. Mit Tränen in den Augen unterhielt sie sich zwischen den Songs mit dem Publikum, welches während den Liedern mucksmäuschenstill war.
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Hörenswert auch: Nowhere Train. Austria meets Americana, Ernst Molden und ein bisschen Rockabilly – klingt strange? Ist aber verdammt gut! Vollblutmusiker, die ihre Instrumente perfekt beherrschen und Spaß an der Sache haben – und extremst tanzbar sind! Nicht ganz so tanzbar wie gewohnt sind danach Olympique gewesen. Die hatten vor Kurzem einen Besetzungswechsel hinter sich, und brauchen wohl noch ein wenig, um wieder komplett auf die Beine zu kommen. So war der Gig am Lakeside zwar ambitioniert, aber nichts „Besonderes“. Nimmt man aber gerne mit.
Genauso wie Lisa Hannigan. Die Irin spielt verträumte Songs, hat eine zauberhafte, gute Stimme – allerdings wird man das Gefühl nicht los, das alles schon mal gehört zu haben. Das Alleinstellungsmerkmal scheint etwas zu fehlen. Leider. Im Gegensatz zu einer der Newcomer, die der deutschsprachige Musikmarkt derzeit zu bieten hat: Annenmaykantereit. Sänger Henning May, Reibeisenstimme in spe, ist das Aushängeschild. Technisch bedingt starteten sie etwas später – und sollte es sowas wie „mieses Karma“ geben, die Band hätte es an diesem Abend gehabt. Pünktlich mit den ersten Takten setze ein Wolkenbruch ein. Und dieser Wolkenbruch schien eine Trümmerfraktur zu sein – es regnete, um ein Sprichwort zu bemühen „Cats and Dogs“. Und wohl alle Katzen und Hunde dieser Welt gleichzeitig. Andere Bands würden in dieser Situation vor leerem Gelände spielen – nicht so Annenmaykantereit. Die Leute tanzten und hatten Spaß, und Henning hatte mit einem wohl recht: „Für das lebt man als Musiker, wenn es regnet und die Leute zuhören!“. Auch wenn noch einige Längen im Set erkennbar waren, und „Barfuß am Klavier“ natürlich als letzte Zugabe gespielt wurde (ach wie einfallsreich!) – da dürfte Großes entstehen!
Mit Nada Surf konnte das Festival erfolgreich besiegelt werden. Die New Yorker gaben ihr nicht zu kleines Songrepertoire – sind die vier doch schon seit 1992 im Business – akustisch zum Besten. Danach wurde noch bis in die frühen Morgenstunden exzessiv im Partyzelt abgefeiert und wohl jegliche Alkoholkonsumrekorde gebrochen.
Social Media zum Samstag
Es ist so ein schönes Kompliment, wenn so viele Menschen uns im Regen zuhören. Danke liebes Acoustic Lakeside.
Posted by AnnenMayKantereit on Saturday, July 25, 2015
… we fell in love with the lakeside.Vielen, vielen Dank für diesen wunderschönen Abend!
Posted by Like Elephants on Sunday, July 26, 2015
Just saw @AURORAmusic in a wonderful Side Session at #acousticlakeside … So beautiful. You and your Music 😍 pic.twitter.com/HLqP0bvKri
— laura stromberger (@stromberger1) July 25, 2015
Stimmung
[dropcap size=small]D[/dropcap]as Acoustic Lakeside ist in seinem zehnjährigen Bestehen nicht nur zu einem Fixpunkt in der Österreichischen Festivallandschaft geworden, es wurde zu einem Aushängeschild dieser. Wohl nirgendwo anders treffen Gemütlichkeit, gute Musik und ein überaus freundliches Team so gekonnt aufeinander. Neben den Bühnen lässt das Rahmenprogramm nie Langeweile aufkommen und auch der Zeltplatz hat es in sich. Wenn am Nachmittag über fünfzig Menschen spontan aufeinander treffen um miteinander zu musizieren entsteht eine Stimmung, die man wohl nicht so schnell vergessen wird.
Mit einem um 1000 Tickets reduziertem Kontingent konnte diese Stimmung noch einmal unterstrichen werden. Es gibt keine klassischen „Festivaltruppen“, die gemeinsam das Festival besuchen. Tag für Tag vermischen sich diese zu einer riesigen Festivalfamilie.
Wer noch nie am Acoustic Lakeside war, der hat was verpasst und wer schon einmal dort war wird es sich wohl jetzt schon als Pflichttermin für das Jahr 2016 (und 2017, 18, 19, …) vormarkiert haben. Danke liebes Acoustic Lakeside – we definitely fell in love with you (again)!
Was wir mit Worten zu beschreiben versuchten, lässt sich wohl viel besser in Bilder fassen:
Fotos: Christoph Thorwartl, Benedikt Reiter, Ella Kronberger, Michael Straub
Text: Benedikt Reiter, Christoph Thorwartl
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