AARON BRUNO: „Awolnation ist mein alleiniges Flaggschiff“
Es kann an dieser Stelle ruhig und mit aller Gewissheit behauptet werden, dass Aaron Bruno der Eklektiker schlechthin ist. Mit Awolnation hat der „Sail“-Sänger nach unzähligen Versuchen, innerhalb der Musik Fuß zu fassen, sich seinen Traum von einer Karriere verwirklicht. Aufgeben ist nicht seine Devise, aufstehen und weitermachen schon eher. Dabei nimmt sich der 36-Jährige Amerikaner jegliche Freiheiten heraus, aus allen möglichen Stilen das herauszunehmen, was ihm gefällt und was für ihn Sinn macht. Die Mixtur ist eigenwillig.
Im Gespräch mit subtext.at ist Bruno, der wie der typische Surfertyp aus den Staaten aussieht, sofort Feuer und Flamme, wenn es um das Thema Musik geht. Er redet gerne über seine eigene, spricht aber auch von seinen Helden, die ihn geprägt haben. Ein Interview über Widerstände, eingängige Refrains und darüber, dass viele Köche den Brei doch verderben.
subtext.at: Aaron, zu Beginn möchte ich gleich mal loswerden, dass ich in diesem Jahr wohl keine andere Platte gehört habe, die so vielseitig und abwechslungsreich ausgefallen ist wie „Run“.
Aaron Bruno: Cool. Das nehme ich jetzt mal als Kompliment (lacht).
subtext.at: Mich interessiert, ob du dich bewusst dafür entschieden hast, dass es solch eine Achterbahnfahrt wird?
Aaron Bruno: Es war jetzt keine bewusste Entscheidung, doch ich habe bei der Produktion festgestellt, dass es sich in diese Richtung entwickeln wird. (überlegt) Mit „Run“ fängt die Platte relativ düster an, danach mit gibt es mit „Fat Face“ eine Pianoballade, ehe die Stimmung erneut in eine andere Richtung kippt. So etwas hätte ich mir beim ersten Album nicht leisten können. Die Leute hätten bestimmt gesagt: „What the fuck is this?“
subtext.at: Kriegst du mit, wie deine Fans und dein Publikum das Album aufnehmen?
Aaron Bruno: Klar. Ich bekomme mit, dass „Run“ einige Leute verwirrt zurückgelassen hat. Auch das verstehe ich als Kompliment. Ich habe auch festgestellt, dass die Meinungen in den Reviews sehr auseinandergehen. Manche Leute feiern das Album ab, andere finden es irrsinnig. Das mag ich. Entweder liebst du es oder du hasst es. Besser so, anstatt es nur OK finden. Wie gesagt, es war keine bewusste Entscheidung, die Platte auf diese Weise zu gestalten. Meine Lieblingsplatten sind auch in dem Stil, von „OK Computer“ von Radiohead zu „The Shape Of Punk To Come“ von Refused, von „Abbey Road“ und „Sgt. Peppers“ von den Beatles zu OutKast zum Beispiel. Ich will kein gleichförmiges Album haben, sondern es soll sich wie ein Film anfühlen, wie eine Reise. Heutzutage ist es sowieso schwer, die Aufmerksamkeitsspanne der Leute über ein ganzes Album aufrecht zu erhalten.
subtext.at: „Run“ hat diese dunkle, düstere Seite, andererseits diese verspielte, träumerische Facette. Die Reihenfolge der Songs, die Zusammenstellung, dürfte kein Leichtes für dich gewesen sein…
Aaron Bruno: Es war so hart (seufzt). Das war eines der schwersten Dinge, die ich bislang in meinem Leben bewerkstelligen musste. Ich wusste nur, dass der Titeltrack am Anfang und „Drinking Lighting“ am Ende stehen musste. Der Rest war vollkommen offen. Dann gab es den Moment, wo ich „Drinking Lighting“ in zwei Hälften geteilt habe, es dann zwei Songs gab (lacht). Es war wirklich schwer und ich weiß noch immer nicht, ob ich mich überhaupt richtig entschieden habe. Die Reihenfolge der Songs, die jetzt auf dem Album zu finden ist, hat am Ende einzig und allein Sinn für mich ergeben.
subtext.at: Als ich das Album zum ersten Mal gehört habe, fühlte ich mich wie ein Kind im Süßigkeitenladen. Es gab so viel zu entdecken. Das ließ mich überlegen, dass du nicht der Typ bist, der den Weg des geringsten Widerstandes nimmt.
Aaron Bruno: Das stimmt. (überlegt) Ich bin ja in der Punkrock- und Hardcore-Szene aufgewachsen. Dann habe ich meine Liebe zu Rapmusik entdeckt und zu Musik aus den 80ern. Popmusik hat mich auch schon immer fasziniert. Musikalische Grenzen spielen für mich keine Rolle.
subtext.at: Du hast also auch nie die Angst davor gehabt, einen catchy Refrain zu schreiben?
Aaron Bruno: Im Grunde schreibe ich Popsongs, die catchy sind – nur, dass sie etwas seltsam ausfallen (lacht). Das Drumherum ist anders als bei üblicher Popmusik, würde ich mal sagen. Viel mehr Farben! Ich möchte einfach der Konkurrenz voraus sein und ich sehe mich in der Tradition meiner Helden, die ich vorhin aufgezählt habe. Nachdem unser erstes Album so erfolgreich wurde, haben sich viele andere Bands auf diesen Sound gestürzt, um ihn zu kopieren. Ich wusste, dass ich es nicht noch einmal genau so machen würde. (überlegt) Ich habe ein hohes Level und hohe Erwartungen, die ich auch an mich selbst stelle. Überhaupt ist es schwer, meine Ohren heutzutage noch zu begeistern, was Musik angeht. Das war anders, als ich aufgewachsen bin. Ich kann mich aber auch schwer begeistern, wenn es um mein eigenes Songwriting geht. Es gibt Songs, die es nicht auf das Album geschafft haben und bestimmte Leute, auch das Label, meinten: „Was, du packst diese Lieder nicht auf das Album, bist du irre?“
subtext.at: Viele Leute möchten als Musiker durchstarten oder eine Band gründen. Was hat dich damals dazu bewogen, diesen Schritt zu wagen?
Aaron Bruno: Vom ersten Tag an war ich sehr leidenschaftlich, was Musik anbelangt. Ich war ja auch in diversen anderen Bands aktiv. Ich bin überhaupt in einer seltsamen Lage, weil die Bands allesamt nicht erfolgreich waren, in denen ich davor war, vor Awolnation. Ich hatte irgendwann eine Vision, wie etwas musikalisch und textlich zu sein hat. (überlegt kurz) Awolnation ist mein alleiniges Flaggschiff. Bei mir gibt es jetzt nur einen Koch, der den Brei zubereitet. Glücklicherweise stellen sich viele an, um die Mahlzeit letztendlich probieren zu wollen (lacht).
subtext.at: Denkst du, dass Kunst in ihrer ursprünglichsten Form, stets von einem inneren Kampf geprägt ist?
Aaron Bruno: Yeah, man. (überlegt) Ich mein, die großartigsten Platten waren die, in denen zerbrochene Beziehungen thematisiert wurden. Wenn jemand in seinen Songs erzählt, wie reich er ist, wie gut es ihm geht, was er nicht alles hat – das berührt mich alles nicht, weil es so scheinheilig ist. Autos und Diamanten am Finger interessieren mich nicht. Mich interessieren die Auf und Abs, die ein Mensch in seinem Leben durchlebt. Traurigkeit. Fröhlichkeit. Mich hat Musik immer fasziniert, die dieses Bemühen aufgezeigt hat. Du hast den Gipfel erklungen und du fühlst dich prima, gleichzeitig weißt du, was du für dieses Glück alles hast ertragen und durchleben müssen.
subtext.at: Obwohl die Platte „Run“ heißt, hat sie nicht die Bedeutung, dass man vor seinen Ängsten und Problemen davonlaufen soll, sondern dass man auf sie zugehen und sie in Angriff nehmen soll. Wolltest du das damit ausdrücken, um noch einmal auf sie zurückzukommen?
Aaron Bruno: Klar. Du kannst vor etwas davonlaufen, aber ich gehöre nicht zu diesen Menschen. Ich trage mein Herz auf der Zunge und ich bin jemand, der Dinge anspricht, bevor sie unter der Oberfläche implodieren, sei es jetzt innerhalb meiner Band oder innerhalb der Beziehung zu meiner Verlobten. Wenn ich merke, etwas stimmt nicht, dann frage ich sofort nach, damit es aus der Welt geräumt ist. „Run“ zielt genau darauf ab. Renne auf das Problem zu, stellt dich deinen Ängsten, gehe auf Konfrontationskurs. Machst du es nicht, wird es früher oder später Unruhe geben.
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