Auf Tour mit CARDIAC ARREST: Teil 2
Mein Name ist Patrick Datscher und ich schreibe seit einigen Monaten meine Gedanken über die Musik anderer Menschen regelmäßig hier auf subtext nieder. Ich tue das zum Spaß, aus Liebe zur Musik und aus Wertschätzung gegenüber denen, die diese Musik erschaffen. Im Idealfall hört sich ja auch wirklich jemand eine der Bands an, die ich hier anpreise und verliebt sich ein bisschen. Dieser Artikel hier ist eine kleine Ausnahme von meinem üblichen Geschreibsel und soll bitte nicht als unverschämte Selbstdarstellung, sondern als unterhaltsamer, kleiner Einblick in den Alltag auf Tour verstanden werden. Nebenbei bin ich nämlich selbst Sänger in der Linzer Posthardcore/Alternative/Emo/Punk/was-auch-immer-Band CARDIAC ARREST, mit der ich unlängst zwei Wochen auf Tour durch Österreich, Deutschland, Tschechien, Italien und die Schweiz verbracht habe. Jemand hatte die grandiose Idee, ich solle doch in dieser Zeit so etwas wie ein Tourtagebuch führen und das Ganze dann hier veröffentlichen. Gesagt, getan! Hier könnt ihr nun also nachfolgend lesen, was mein Verstand in diesen zwei Wochen trotz (oder gerade wegen) Schlafmangel, Party, endlosen Herumschleppen von Equipment, Tetris spielen, ungesunder Ernährung, alkoholinduzierten Abstürzen und allem was sonst noch so dazu gehört, während der stundenlangen Fahrten im Tourbus so abgesondert hat. Roh und ungefiltert. Dieses mal leider nur mit ein paar Schnappschüssen, die wir nach der Abreise unseres Tourfotografen noch so fabriziert haben.
TAG 7 – HAMBURG
Heute ist der große Tag des Herumlatschens hier in Hamburg. Wir sind schon früh auf den Beinen und bewegen uns erstmal in Richtung Landungsbrücke und Hafen City. Ein wahrlich schönes Städtchen dieses Hamburg. Eine Koffein-Infusion später besuchen wir das Millerntor Stadion und den St.Pauli Fanshop (mein Herz macht einen Hüpfer, den Anderen ist das eher egal) und suchen den gestern noch verschmähten Fischimbiss auf. Und wie erwartet, ist das Essen hier richtig geil, auch wenn die Optik des Ladens darüber hinwegtäuscht. Deutscher Großstadt-Ranz eben. Da darf man sich nicht beirren lassen. Nachdem wir dann auch noch sämtliche Plattenläden im Schanzenviertel abgeklappert haben, geht es weiter zur Pooca Bar am Hamburger Berg – Da spielen wir heute nämlich! Die Location ist ein ziemlicher kleiner, feiner Club mit leichtem Platzmangel auf der Bühne, weshalb Florians Gitarrenbox irgendwo zwischen Bühnenrand und Durchgang zum Klo platziert werden muss. Räubersfaust und Don’t Eat All The Humans, Please! – zwei lokale Punk- bzw. Hardcore-Bands mischen sich heute mit uns ins Getümmel. Anfangs ist die Hütte aber noch recht leer und die erste Band spielt mehr oder weniger nur vor uns und der Barbelegschaft. Ein bisschen Schwung in den Laden kommt dann aber doch noch. Spätestens als die Kasse schon abgebaut und der Eintritt frei ist, kommt etwas Laufkundschaft rein. Ulf, bei dem wir heute übernachten können (Olli Schulz Double!), kommt mit seiner Band Count II Zero (die eigentlich heute auch mitspielen hätten sollen) auch noch vorbei und entführt uns nach der Show noch auf ein paar Mexikaner ins Nachbarlokal.
TAG 8 – ESSEN
Nachdem wir auch die zweite Nacht in Hamburg überlebt haben und unseren Vorsatz des gemäßigten Alkoholkonsums schon wieder gebrochen haben, geht es heute weiter in den Ruhrpott! Wir spielen mit den großartigen Bands LIAR und Estates im Café Nova in Essen. Wir sind schon recht früh um 16 Uhr vor Ort. An dieser Stelle muss mal angemerkt werden, dass wir auf dieser Tour noch bei keiner einzigen Show zu spät gekommen sind. Was passiert nur mit uns? Paras, der heute für uns verantwortlich ist, führt uns durch die großgewachsene Location. Eine Bühne, auf der dieses Mal sogar die gesamte Band Platz hat, ein Saal für 250 Leute, ein riesiger Backstage im Keller mit Feldbetten und ein Kühlschrank voll mit Bier und anderen Köstlichkeiten. Ist das dieses Rockstarleben von dem früher alle gesprochen haben?
TAG 9 / 10 – DAY OFF – BAMBERG – WIEN
Es gibt eigentlich gar nicht so viel zu erzählen. Wir sitzen wieder viel im Auto.
Freunde im fränkischen Bamberg gewähren uns Obhut für eine Nacht, damit wir nicht die volle Strecke nach Österreich durchfahren müssen. Und ja, es wird schon wieder getrunken! Bamberg ist nämlich berühmt für seine hohe Dichte an Brauereien.
Den zweiten freien Tag verbringen wir dann in Wien. Also ein kleiner Umweg nach Graz – aus Gründen, die mir meine Bandkollegen nicht zugestehen. Ach, menno!
TAG 11 – GRAZ
Juhu! Heute herrscht Frühlingswetter in Wien. Wir entschließen uns dazu, den Tag noch hier zu verbringen und erst gegen 16 Uhr nach Graz zu fahren. Wir marschieren den ganzen Vormittag über durch die Innenstadt und kehren dann bei der Wiener Außenstelle vom Leberkas Pepi ein. Danach hockt sich der moderne Emopunk von heute mit zwei Dosen Schwechater auf die Wiese im Votivpark und sagt sich: „Einfach ma‘ s’Lebä genieß’n“. Gegen 19 Uhr kommen wir dann beim Sub in Graz an. Die Show kam relativ kurzfristig zu Stande. Umso glücklicher sind wir, heute mit den großartigen Aviator aus Amerika spielen zu können, die gerade ebenfalls durch Europa touren. Ich möchte festhalten, dass Tom und Sigi, beziehungsweise eigentlich jedem der lieben Menschen im Sub, ein Orden gebührt. Mit dabei sind ebenfalls noch die Neustadt-Punks in contrast. Für einen Montag ist die Hütte mit 50 Leuten sensationell voll. Es macht jedes mal aufs neue wieder Spaß hier zu spielen. Nachdem alles abgebaut und verstaut ist und die meisten Leute schon zu Hause im Bett liegen, wirft Sigi im Sub die Nebelmaschine an. Karaokeparty!!!! Bis 3 Uhr früh wird zu Hits von Black Eyed Peas, Robbie Williams und Enrique Iglesias gegrölt, bis wir (erneut betrunken) unser Schlafquartier in unmittelbarer Nähe beziehen. Das Leben ist gut zu uns.
TAG 12 – DAY OFF – GRAZ / INNSBRUCK
In dieser zweiten Tourhälfte haben wir für meinen Geschmack den einen oder anderen freien Tag zu viel, könnte man meinen. Macht nichts, denken wir uns. Ausschlafen muss ja auch unterwegs mal drin sein. Nach einem ausgiebigen Frühstück fällt uns ein, dass bisher noch niemand von uns beim Grazer Uhrturm war. Damit hätten wir also auch eine sportliche Betätigung für den Tag gefunden – die 260 Stufen hinauf auf den Schlossberg. Es hätte auch einen Lift gegeben. Nach dem ausgiebigen Innenstadtspaziergang inklusive Qualitätsüberprüfung der örtlichen Kebap-Delikatessen (Stiftung Sandro-Test sagt: sehr gut), ist es Zeit, in Richtung unseres heutigen Etappenziels aufzubrechen. Eine Jugendherberge in Innsbruck. Das Schulausflug-Feeling hält wieder Einzug. Und weil in diesem Tagesbericht das Wort Bier noch nicht vorgekommen ist, hier ein schönes Zitat von Daniel: „I hob so an Durscht! I muas jetzt a Bier tringa!“
TAG 13 – ZÜRICH
Der Wecker klingelt um 6:30 Uhr. Sandro hat mittlerweile DEN Garanten dafür gefunden, dass auch garantiert jeder auf dieses morgendliche Signal reagiert. Numbers Count For Nothing von Architects als Weckton. Da zieht sich das Bettzeug in der Jugendherberge gleich ganz von selbst ab. Schnell frühstücken und Proviant besorgen, solange es dafür noch etwas preiswertere Optionen gibt, als in unserem westlichen Nachbarland. Heute spielen wir nämlich in Zürich. Unser zweites Mal in der Schweiz. Drei Jahre zuvor waren wir in einem kleinen Städtchen namens Schaffhausen zu Gast. Da waren wir noch jung, naiv und größtenteils ohne Gesichtsbehaarung. An der Grenze lernen wir die erfreulichen Unterschiede zwischen schweizer und russischen Zollbeamten (Erfahrungen von unserer Russland-Tour vor 2 Jahren) kennen. Hier muss man bei der Überfahrt kein Bestechungsgeld abdrücken, sondern bekommt stattdessen fünf Schokoriegel und ein freundliches Lächeln bei der Einreise. Kein Scheiß!
Zürich hat eine verdammt schöne Innenstadt. Man merkt außerdem bei der Fahrt durchs Zentrum, dass hier das Geld zuhause ist. Man merkt außerdem, dass das Parken verdammt teuer sein kann, wenn man vier Stunden zum Zeitvertrödeln hat, bis man an der Location sein sollte. Und man merkt, dass Parken noch viel teurer ist, wenn auch direkt vor der Location bis 22 Uhr Kurzparkzone ist, man aber einen Bus voller Equipment hat, den man ja auch irgendwo be- und entladen muss. Dafür ist das Ebrietas eine schicke Bar für stilbewusste Metalheads mit kleiner Kellerbühne, auf der wir und die Schweizer Hardcore-Punk Band The Giving sich heute austoben dürfen. Die Barkeeperin ist megalieb, allerdings müssen unsere musikalischen Mitstreiter, die sich etwas leichter darin tun, verständlich mit uns zu sprechen, ab und zu dolmetschen. Ähnlich wie in Hamburg haben wir auch heute wieder ein bisschen Bammel, dass vielleicht niemand auftaucht. Unweit von hier spielen nämlich heute auch noch so kleine Fische wie Stick To Your Guns, Stray From The Path, Counterparts und Wolf Down ein Konzert. Aber wieder ist die Panik umsonst. Der Schuppen füllt sich spätestens, als die ersten Töne unseres Intros erklingen und sich die Menschen aus der Bar oben zu uns in den Keller (hehe) trauern. The Giving spielen dann nach uns…und was soll man sagen…die wissen eindeutig was sie tun (im Gegensatz zu uns, könnten böse Zungen behaupten). Nach dem Konzert wird uns in einer gemütlichen WG Unterschlupf gewährt. Ich begebe mich unter die Dusche und dann gleich in meinen Schlafsack, während der Rest der Band (ziemlich erfolglos wie sich später herausstellt) nochmal um die Häuser zieht. Sobald die Gratis-Getränkemarken alle sind, ist das Saufen in der Schweiz aber auch echt teuer. Gute Nacht!
TAG 14 – DAY OFF / BOLOGNA
Schon wieder eine Premiere auf dieser Tour! Wir bereisen als Band zum ersten Mal auch Italien. Hinkommen müssen wir aber davor schon auch noch. Die Autostrecke von Zürich nach Bologna ist DIE landschaftlich schönste Etappe auf dieser Tour. Es geht durch Täler, vorbei an glitzernden Alpenseen, an deren Ufern sich die Straße entlangschlängelt, und durch den mordslangen Gotthardtunnel, bis wir die italienische Grenze erreichen. Kurz bevor wir Bologna erreichen, fällt uns dann noch ein, dass wir ja noch nicht mal einen Platz zum Schlafen für die heutige Nacht haben. Wir suchen uns letztendlich ein kleines, spottbilliges Bed & Breakfast in Zentrumsnähe raus und versuchen da unser Glück. Und tatsächlich: wir spüren es erfolgreich auf und bekommen die letzten fünf verfügbaren Betten. Florian muss übrigens all seinen Mut zusammennehmen, als wir reingehen. Der Gute hat nämlich dezente Panik vor Hunden. Und im Gang vor den Zimmer hält zufällig ein riesiger Pyrenäenberghund (welch edles Tier!) Wache. Deshalb brechen wir gleich wieder auf, um einen Spaziergang durch die wahnsinnig schöne Innenstadt von Bologna zu machen, in deren Mittelpunkt zwei prächtige Rennaissance-Türme stehen, die mich direkt an Assassin’s Creed II erinnern. Fehlt bloß der Heuwagen zum Reinspringen darunter und ein paar Adler, die um die Spitze kreisen.
TAG 15 – BOLOGNA
Heute also endlich unser erstes Konzert in Italien – damit wir das auch mal von unserer Bucket-Liste streichen können. Stadtbummel: check! Richtig geile, riesige Pizza futtern: check! Dann ist es auch schon Zeit zur Konzertlocation aufzubrechen. Die liegt wieder etwas außerhalb der Stadt in einem Gebäudekomplex, in dem, wie es scheint, ansonsten nur ein paar Autowerkstätten untergebracht sind. Ach ja. Es sei angemerkt, dass wir dieses Mal tatsächlich schon wieder früher als alle anderen hier sind und erneut vor verschlossenen Türen warten. Unsere Tage als notorische Zuspätkommer-Band sind wohl wirklich gezählt.
Im Circolo Iqbal Masih (so heißt das hier) findet heute ein Mini-Festival mit insgesamt 7 Bands (uns inklusive) statt. Das wird eine lange Nacht. Geboten wird an diesem Abend alles von Old School bis Melodic Hardcore, Crust Punk und sogar rein instrumentaler Doom Metal. Und dann sind da eben noch wir, die letztendlich irgendwann gegen 2 Uhr morgens zu spielen beginnen. Sehr zu unserer Freude ist aber immer noch etwas los. Lieber doch noch diesen Ösis zuhören und die Bar leertrinken, als jetzt schon ein Taxi zurück in die Stadt nehmen – Recht haben sie! Nach dem Konzert eskortieren uns die lieben Glances dann zu ihrem Proberaum, der auf einen Bauernhof etwa eine halbe Stunde entfernt liegt. Dort können wir uns heute aneinander kuscheln.
TAG 16 – LIVORNO
Es schüttet wie aus Eimern. Eigentlich wollten wir unterwegs nach Livorno einen Zwischenstopp im nahegelegenen Pisa einlegen, aber durch das miese Wetter und die, durch unsere übliche Morgen-Trödelei, bereits fortgeschrittene Uhrzeit, hat dann doch keiner wirklich Lust zum Schiefen Turm zu fahren. Ich weine innerlich. In Livorno angekommen, wollen wir dem strömenden Regen zum Trotz erst einmal die Löcher in unseren Mägen stopfen. Zeit für einen feucht-fröhlichen Spaziergang! Spoiler alert: Es stellt sich heraus, dass 15:30 Uhr eine eher beschissene Uhrzeit ist, wenn man gerade auf der Suche nach einem Restaurant ist, das geöffnet hat. Nachdem wir schon total durchnässt sind, läuft es dann auf ein Pizzaeckerl vom Imbiss und ein Zeitüberbrückungs-Bier irgendwo im Trockenen hinaus. Heute ist nicht der Tag für Sightseeing.
Auf diese letzte Show heute freuen wir uns dafür umso mehr. Unsere Freunde Crosswise Decay, die wir unlängst auch für einen Abend in Linz zu Gast hatten, haben uns dieses Konzert hier in der Ex Caserma Occupata organsiert. Ein fantastischer Ort. Es gibt einen Skatepark, eine Bar, einen Konzertsaal und haufenweise Unterkünfte, die sozial schwachen Familien kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Wild Rush (Rock ‚N‘ Roll) und Lola Rennt (irgendwo zwischen Punk und Desert Rock) begleiten uns heute auf die Bühne. Beim Soundcheck gibt es einen kleinen Schock, als der Strom mal eben für 10 Minuten ausfällt. Bei der Show gibts dann aber nichts zu meckern. So viele betrunkene Menschen (die auch noch Spaß an unserer Depri-Mukke haben) hatten wir nicht wirklich erwartet. Umso schöner ist das Ganze natürlich. Definitiv ein würdiger Tourabschluss! Und wir wären nicht die Band, die wir sind, wenn der letzte Tourabend nicht auch immer mit einem letzten Über-die-Stränge-schlagen verbunden wäre. Der Hauscocktail heißt übrigens Violència de la Proletariat und schmeckt so, als würden wir morgen nicht pünktlich um 8 hier wegkommen.
TAG 17 – AB NACH HAUSE!
Das war’s! Zwei Wochen Wahnsinn neigen sich dem Ende zu. Wie immer bleibt am Schluss eine Mischung aus Freude auf daheim, Müdigkeit, Post-Tour-Depression, Kater und Vorfreude auf das nächste Mal. Doch bevor der ganze Zirkus wieder von vorne losgeht, werde ich mich jetzt mal ordentlich ausschlafen. An dieser Stelle gehört sich natürlich noch ein Dankeschön an jeden, der es in diesen verrückten Tagen mit uns ausgehalten und gefeiert hat. Danke für die Momente, die Konzerte, das Essen, das Bier und die Schlafplätze, für’s Zuhören, die Freundschaft und die ganzen tollen, kleinen Momente. Bis zum nächsten Mal!
Fuck! Ich muss ja morgen wieder arbeiten! Kill me now, please!
Bis zum nächsten Mal!
Eure Cardiacs <3