Foto: Bernhard Kapelari

Jo Stöckholzer: „Ich spiele gerne mit Metaphern“

„Zum Lästern“ heißt eine neue Platte von Jo Stöckholzer. Der Tiroler präsentiert sein drittes Album auf dem eigenen Label „unserallereins“, beschäftigt sich mit Beziehungsstatus, Influencern und klingt um einiges poppiger, als man es vom umtriebigen Musiker vielleicht erwartet hätte. Ein Gespräch über die neue Platte. 

subtext.at: „Zum Lästern“ heißt deine neue Platte. Worüber „lästerst“ du am liebsten? 
Jo Stöckholzer: Eigentlich über gar nichts (lacht). Es geht mir hier darum, mir Druck zu nehmen – weil ich auf dieser Platte erstmals alles selbst gemacht habe. Produktion, Instrumente, Chöre – alles selbst. Und natürlich auch die Veröffentlichung auf dem eigenen Label „unserallereins“. Das ist dann der perfekte Albumtitel dazu – damit ja auch niemand weiß, ob er das jetzt alles absichtlich macht oder nicht (lacht). Bei einer Veröffentlichung kann ja an sich schon sehr viel schief gehen. Von beschädigten Vinyl-Verpackungen angefangen bis zur Aufnahme selbst, etwa bei „Lied für mich selbst“, wo man sich auch fragen kann, ob der Nieser im Track jetzt gewollt war oder nicht.  Oder wenn man im Hintergrund einfach mal Polizeisirenen hört (lacht).

subtext.at: Bleiben wir gleich dabei. Du hast bei diesem Release ja wie angesprochen alles selbst gemacht. War das ursprünglich so geplant, oder war es gerade in Corona-Zeiten schwierig, geeignete MusikerInnen zu finden? 
Jo Stöckholzer: Nein, es war wirklich so geplant. Die ersten beiden Alben habe ich in einem fetten Studio aufgenommen – was man heutzutage zum Glück aber nicht mehr unbedingt benötigt. Ich habe einiges in WG-Zimmern  aufgenommen, oder in meinem alten Kinderzimmer, wo noch mein Schlagzeug steht. Ich habe mir aber schon Hilfe geholt auch, etwa bei „10 vor 3“, wo Dorian Windegger etwas eingespielt hat, weil ich im Mittelteil absolut nicht wusste, wie ich da weitermachen soll. Bei anderen Liedern habe ich alles selbst gemacht – aber es hätte schon andere Artists auch gegeben. Aber ich wollte das mal selbst machen und schauen, wie es funktioniert.

subtext.at: Deine Vorgängeralben sind wie erwähnt in professionellerem Setting aufgenommen worden – „Zum Lästern“ klingt allerdings dann doch deutlich poppiger als die anderen beiden Platten. Warum dieser Anspruch, poppiger zu werden als das, was man zuvor von dir gewohnt war?
Jo Stöckholzer: Ich war zwei Jahre lang in Berlin, und hatte da das Glück, dass ich nach einem Monat dort in die Band „Tipps Für Wilhelm“ reingerutscht zu sein (wo Jo Stöckolzer Gitarre und Keyboard spielt, Anm. d. Red.). Das hat mich schon beeinflusst – und die machen eben deutschen Indie. Bei dem Album hat es eigentlich mit „10 vor 3“ angefangen, das ich wirklich mitten in der Nacht geschrieben habe, wo ich mit der Gitarre durch mein Zimmer gehüpft bin. Das fand ich cool, und war, als ich die Lieder geschrieben habe, auch von Surf-Rock-Bands beeinflusst. Ich wollte mal ein Album machen, wo der Vibe stimmt und das ich auch selber gerne hören möchte.

subtext.at: Als ich mir das Album angehört habe, hatte ich den Eindruck, dass du hier auch sehr viel Autobiographisches verwendest. Würdest du es auch schaffen, das ganze auch mit weniger Autographie und weniger direkter Emotion zu machen?
Jo Stöckholzer: (überlegt) Es ist natürlich nicht alles so passiert wie ich es am Album singe (lacht). Ich spiele ja auch gerne mit Metaphern, die dann für andere Dinge stehen, die aber wirklich passiert sind. Aber du hast schon recht, es ist natürlich viel Autobiographisches im Album verpackt, aber das kommt auch daher, dass ich Text und Musik nicht getrennt voneinander schreibe. Das ist einfach im Kopf drinnen, und damit ist vermutlich eine Verbindung da. Interessant ist aber auch, dass ich während Corona mehr Dialekt-Nummern geschrieben habe – ich weiß also nicht, was als nächstes kommt (lacht).

subtext.at: In deinem Pressebereich heißt es: „er schreibt astreine deutschsprachige Pop-Songs, die um die Ecke denken.“ Wie sieht das Um-Die-Ecke-Denken im Songwriting bei dir genau aus?
Jo Stöckholzer: Wie schon gesagt – Geschichten, die wirklich passiert sind, vielleicht auch anders zu verpacken. Oder etwa Wut anders auszudrücken, etwa bei „Was kannst du?“, was ja eigentlich ein sehr kritisches Lied zum Thema Influcencer ist. Oder „Beziehungsstatus“, was eigentlich ein romantisches Lied ist – aber mit sehr ironischem Unterton.

subtext.at: Wenn ich dich in den letzten Jahren auf Social Media-Kanälen mitbekommen habe, kam aus deiner Warte auch oft Kritik in Sachen Förderung, Auftrittsmöglichkeiten und Unterstützung. Hat sich aus deiner Sicht im letzten Jahr gerade auch durch Corona hier etwas verändert? 
Jo Stöckholzer: (schmunzelt) Du sprichst hier sicher die Situation mit dem Arbeitsstipendium für Musiker an (schmunzelt). Die Kritik hat zum Ende hin glücklicherweise sogar etwas gebracht – zuvor war es schon so, dass man bereits bei der Einreichung viel Herumtelefonierte, sehr viel Bürokratie über sich ergehen lassen musste – und dann doch eine unbegründete Absage erhält. Für mich war das dann der „letzte Ausweg“, das dann über die Medien öffentlich zu machen – und das hat dann schon funktioniert. So im Sinne davon, dass ich von der nächsthöheren Instanz angerufen habe – die waren natürlich nicht „amused“ über die ganze Geschichte. Dafür wurde aber die Frist verlängert, und bereits Abgelehnte durften nochmals einreichen – und haben dann doch noch ein Stipendium bekommen. Da waren nicht nur ich, sondern auch Andere sehr dankbar. Aber es ist die Frage, ob es notwendig ist, im „letzten Ausweg“ an die Medien herantreten zu müssen – das ist natürlich auch nervenaufreibend. Ganz generell plane ich aber 2021 keine Konzerte mehr – ich nehme Anfragen natürlich gerne an, aber aktives Booking und Touren wird eher was für 2022. Wenn man jetzt eine Tour bucht, muss man sie eine Woche später wieder absagen – das steht auch nicht dafür. Natürlich verstehe ich die Maßnahmen im Sinne der Gesundheit aber.

subtext.at: Hat sich eigentlich dein Blick auf dein eigenes Schaffen während Corona auch verändert? 
Jo Stöckholzer: Ich lege gerade einen starken Fokus auf das Produzieren, das macht mir derzeit auch am meisten Spaß. Gerade durch das Album, das ich selbst mache. Außerdem kommt mit der Debut-EP von helianth eine EP heraus, die ich produzieren durfte. Das macht Spaß – im Gegensatz zu Livestream-Konzerten, die schon etwas komisch sind. Ich habe gerade wieder ein Konzert in meinem Kleiderschrank gespielt – du kriegst kein Feedback und eigentlich auch keine Stimmung mit. Ich will schon wieder auf der Bühne stehen – wenn es gut möglich ist. Gerne auch vor Sitzplatz-Publikum – aber einfach nur in eine Kamera hineinzusingen ist schon ein bisschen eigen, muss ich sagen.

subtext.at: Nochmal zurück zur Platte und zum „Lästern“  und dem „poppigeren“ Anspruch – was ist für dich der poppige Anspruch an diesem Album genau? 
Jo Stöckholzer: Gute Frage – ich denke eigentlich nicht in diesen Genres. Pop ist aber sicherlich nicht mehr so verpönt, wie er vor einigen Jahren noch war. Das ist sehr erfreulich – es ist ja Musik, die ins Ohr geht und die Möglichkeit gibt, hängen zu bleiben. Das finde ich spannend – wenn man in einer speziellen Situation dann ein spezielles Lied im Ohr hat. Auch für einen Künstler selbst.

subtext.at: Gibt es auf „Zum Lästern“ etwas, was du anders gemacht hättest, würdest du die Platte nochmal aufnehmen? 
Jo Stöckholzer: Vielleicht die Anzahl der Lieder – es hätten vielleicht doch zwei mehr sein dürfen. Viele würden die acht Songs ja nicht mal als Album betiteln, sondern eher als EP. Außerdem dauert es nur 25 Minuten – aber eigentlich bin ich sehr happy mit dieser Platte. Bei den Vorgängern war ich da kritischer – aber vielleicht deswegen, weil ich eben nicht alles selbst gemacht habe.

subtext.at: Die Platte erscheint nicht nur digital, sondern auch als CD und Vinyl. Wie wichtig ist die „Haptik“ für dich noch – quantiativ wäre digital releasen und auf einschlägigen Plattformen promoten doch einiges einfacher?
Jo Stöckholzer:
Aus diesem Grund glaube ich habe ich die physische Variante stark reduziert in der Auflage – die Vinyl etwa nur auf 100 Stück. Dafür halt besondere Tonträger – das ist für Leute und Fans wichtig. Auch um ihnen etwas Wertiges Einzigartiges zu geben – wie etwa die Platte in der Yolk-Optik. Ich habe das selber auch gern – und wenn ich ein Album mache, habe ich auch gern von mir etwas Physisches. Gerade weil ich Grafiker bin, habe ich das auch selbst gemacht, das in Metallic-Cyan zu drucken – einfach um auch da etwas auszuprobieren, was man sonst eh zu wenig macht. Digital kann sehr cool sein – aber physisches Erleben hat dann doch einen besonderen Reiz. Gerade dann, wenn man es limitiert – was man gerade im Indie/Alternative-Pop-Bereich macht.

subtext.at: Die Tour ist noch in weiter Ferne – hast du schon eine Ahnung, was du mit dieser freien Zeit anfangen kannst? Vielleicht sogar ein viertes Album?
Jo Stöckholzer: Es gäbe da schon noch ein Lied, das „Zum Lästern“ noch weiterführen würde. Vielleicht release ich den in einiger Zeit. Das würde „Bahnhof“ heißen und von Fernbeziehungen handeln – nachdem ich im letzten Lied der Platte, „Beziehungsstatus“, meine jetzige Freundin gefragt habe, ob sie mit mir zusammen sein möchte (lacht). Außerdem gäbe es ein Album mit Band, das schon einige Zeit fertig arrangiert wäre. Das gehört nur mehr aufgenommen und produziert (lacht). Das liegt aber schon länger da als „Zum Lästern“ – möchte ich aber schon gerne noch irgendwann machen. Live rechne ich wie gesagt vor 2022 nicht mit neuen Konzerten.

Jo Stöckholzer – „Zum Lästern“
Format: Digital, Vinyl, CD
VÖ: 19.03.2021, unserallereins
Mehr Infos hier

Foto: Bernhard Kapelari

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.