Sodl: „Der Zugang zum Songwriting ist heilig“
Sheepman heißt die Debutplatte von Anja Sodnikar alias Sodl. Aufgewachsen im Salzkammergut ist sie einer der Künstlerinnen, die man hierzulande auf der Liste „Artists to watch“ haben sollte.
Zehn Songs, die unterschiedlicher oft nicht sein könnten – das ist die Debutplatte Sheepman von Sodl. Eine Gratwanderung zwischen Indie-Folk und 90er, zwischen Eskapismus und Konfrontation. Nebenbei ist die 21-jährige live einer der Artists, die man im Auge behalten sollte, und nimmt sich selten ein Blatt vor den Mund. Ein Gespräch anlässlich des Releases ihres Debuts.
subtext.at: Zuallererst aufgefallen bei deinem neuen Album ist mir das Cover von Sheepman – das wirkt für mich, als ob es eine bunte Welt aus dem Sodl’schen Musikschaffen darstellt. Würdest du mir hier zustimmen?
Sodl: Ja, es sind einige verschiedene Elemente auf den Songs vereint. Das mag ich immer ganz gern. Ein Albumcover auszuwählen ist immer eine große Aufgabe – und ich finde das schon cool, wenn es es sich durch die Songs selbst erst irgendwo erschafft. Aber natürlich gäbe es da noch mehr – vielleicht ist es eine gewisse Zusammenfassung von Sodl, aber auch nur eine Seite davon. Es ist schon relativ märchenhaft, aber am Album sind schon auch Songs, die das durchbrechen. Und die man dann so auf dem Cover nicht gleich sieht.
subtext.at: Stichwort „märchenhaft“ – ein Album erzählt oft gerne eine Geschichte. Welche Geschichte soll Sheepman für dich erzählen?
Sodl: Das Album erzählt keine durchgängige Geschichte – ein Konzeptalbum ist es ja nicht. Wahrscheinlich greift es mein Leben der letzten Jahre auf, das darin mit verarbeitet wird. Das ist wohl am ehesten die Geschichte dahinter, aber eine wirklich stringente Idee dahinter gibt es nicht.
subtext.at: Das Album fasst also deine „Geschichte“ bislang zusammen. Du machst ja nicht erst seit diesem Album oder der EP Flowers on the Moon Musik, sondern schon viel länger. Wenn du an deinen Anfang zurückdenkst bis hin zu Sheepman – wie sehr hat sich auch dein Zugang zu Musik verändert?
Sodl: Momentan würde ich sagen, dass mein Zugang zum Songwriting in gleicher Weise pur ist wie früher. Ich hoffe, dass es sich nicht verändert durch das Album, und ich hoffe, dass ich nie den Gedanken habe, einen „Banger“ raushauen zu müssen. Das geht eigentlich ziemlich gegen meinen musikalischen Zugang.
subtext.at: Apropos keinen „Banger“ raushauen wollen – eine Antithese zu dem, was aktuell in der Musikbranche sozusagen en vogue ist, zuerst einige Singles zu droppen und erst danach das Album?
Sodl: Ja, das habe ich auch gemerkt, als ich zum ersten Mal mit Labels in Kontakt gekommen bin. Die waren natürlich interessiert daran, welcher Song etwa ein Album „ziehe“ – das verstehe ich auch. Natürlich ist das Geschäftliche auch wichtig – aber mir selbst zieht es da immer ein bisschen alles zusammen. Die Musik ist für mich fast wie eine Entität, und ich selber vermarkte die so ungerne. Ich bin froh, wenn sich die Musik selbst vermarktet. Und bin sehr froh, dass sie das auch irgendwie tut. Aber zu schauen, was etwa noch eindringlicher oder noch mehr Ohrwurm wäre, das mag ich überhaupt nicht.
subtext.at: Wenn wir schon bei „Vermarktung“ sind – wenn man „Sodl“ googled, kommt als drittes Ergebnis das Zitat „Die Musikbranche ist mit meiner Musik ein wenig überfordert“. Was ist für dich das Überfordernde? Rein auf die Musik bezogen, inhaltlich oder persönlich?
Sodl: (lacht) Dieses Zitat ist vielleicht sogar ein bisschen anmutend. Weil ich glaube, dass viele andere Artists im Gegensatz zu mir sicher noch viel experimentieller oder anspruchsvoller sind. Aber was auffallend ist, weil ich einerseits doch relativ harte und andererseits doch wieder leisere Musik mache, dass es für manche ganz schwierig ist, weil ich ganz einfach keinen Indie-Folk mache.
Das sieht man auch am Album, wenn man etwa „Father’s Tears“ und „Sheepman“ vergleicht. Das sind zwei verschiedene Welten, die aber trotzdem aus mir fließen. Auch wenn ich vielleicht ausschaue wie eine Folk-Sängerin, würde ich manchmal raten, einfach zwei oder drei Songs von mir zu hören. Dann versteht man diese Welten vielleicht auch.
subtext.at: Ist es für dich schwierig, aufzupassen, nicht in diese Indie-Folk-Schublade gesteckt zu werden?
Sodl: Man wird wahrscheinlich sowieso irgendwo reingesteckt, je nachdem, wie man aussieht. Ich wüsste aber auch nicht, wie ich aufpassen kann. Ich fühle mich wohl, so wie ich mich präsentiere – und würde mich auch unwohl fühlen, mich etwa „punkiger“ zu präsentieren, nur damit man versteht, dass ich auch härtere Musik mache.
subtext.at: Zu jedem Album gibt es immer einen Begleittext – bei dir steht gleich die Phrase „goschat“ in der ersten Zeile. Was ist für dich das „Goschate“ an deiner Musik?
Sodl: Vielleicht vor allem bei den härteren Sachen, dass ich Dinge beim Namen nenne. Das ist aber auch notwendig, finde ich. Derjenige, der den Text schrieb, hat das als „goschat“ beschrieben – ich finde das aber ehrlich gesagt komplett normal.
Sodl: auf der bühne zu Hause
subtext.at: Du machst ja wie erwähnt schon viel länger Musik als man dich etwa von FM4 kennt. War Musik für dich immer schon ein Space, wo du Dinge verarbeiten konntest, die du sonst vielleicht so nicht kommunizieren konntest?
Sodl: Auf jeden Fall – die Musik ist für mich nicht nur Zufluchtsort, sondern ein Ort, wo man eben alle seiner Gefühle verarbeiten kann. Das war immer schon da – auch als ich noch nicht Musik mit Gitarre und Gesang gemacht habe.
subtext.at: Bezieht sich dieser Zufluchtsort auch auf Livespielen, oder kam das erst mit der Zeit?
Sodl: Ich habe schon als Kind auf kleineren Bühnen gespielt, einfach weil ich in der Musikschule war. Aber auch einmal in einem „Stadl“, und schon damals ist mir aufgefallen, dass ich richtig gerne auf einer Bühne stehe. Und dass meine ganze Schüchternheit weg war, und es wie eine extreme Energie war, die in mich einfährt. Und das ist eigentlich nach wie vor so.
subtext.at: Ist das vielleicht der Unterschied zwischen dir und vielen anderen Artists, dass du dich bereits von Beginn an on stage sehr wohl gefühlt hast?
Sodl: Ja – ich habe ja auch gleich, als ich begann, Songs zu schreiben, Bühnen gesucht und Auftritte gecheckt. Auch mit meiner alten Band in Oberösterreich. Ich bin echt froh, dass ich auf Bühnen schon erfahrener bin. Natürlich passieren immer noch blöde Fehler oder technische Pannen, aber so ist die Bühne nichts Neues mehr für mich.
subtext.at: Zurück zum Album – neben den bereits angesprochenen Father’s Tears und Sheepman gibt es sehr viele unterschiedlich klingende und inhaltlich verschiedene Songs, etwa Sage Cigarettes oder Mama. Ich gehe davon aus, dass es also noch viele mehr gäbe. Wie hast du die Songs auf Sheepman überhaupt ausgewählt?
Sodl: Das war natürlich nicht so leicht. Ich habe geschaut, welche Songs sich reif anfühlen. Ich habe zwar recht viele Songs geschrieben, aber oft sind die fertig, und sie fühlen sich doch nicht ganz reif an. Oder ich bin mit den Lyrics dann nicht mehr ganz zufrieden, da bin ich schon sehr perfektionistisch.
subtext.at: Schreibst du Songs dann auch manchmal um oder komplett neu?
Sodl: Nein, manchmal greife ich einfach etwas auf und ändere das. Manchmal braucht es auch nicht viel, und dann passt das schon. Aber was ich am Album unbedingt vermeiden wollte, ist, die Platte aufzunehmen, um mir danach zu denken, dass ich gerne das oder das noch verändert hätte. Jetzt bin ich sehr froh, dass ich genau dieses Gefühl nicht habe, sondern dass sich diese Songs in dieser Version auf dieser Platte sehr gut anfühlen. Wir wollten zwar noch einen Song auf der Platte zusätzlich haben, aber der hat einfach komischerweise einen Stil gehabt, der sich nirgends richtig eingefügt hat. Obwohl alles so unterschiedlich ist.
subtext.at: Warum war das so?
Sodl: Ich glaube, dass das wirklich gefühlsmäßig war, dass sich der nirgends „reingezwickt“ hat. Deswegen sind es genau diese Songs geworden – irgendwann sind die zusammengepickt. Und dann hat es gepasst.
subtext.at: Es gibt also Songs, die nicht auf der Platte sind, für die sich auch vielleicht der Zugang zu denen verändert hat. Du machst jetzt also seit gut fünf Jahren „Musik mit Gitarren und Band“ – hat sich eigentlich dein Zugang dadurch verändert? Etwa durch Bandfeedback oder anderes Publikum?
Sodl: Eigentlich nicht. Und da bin ich auch ganz froh drüber. Ich hoffe, wie schon erwähnt, dass sich das auch nicht verändert. Natürlich bin auch ich nur ein Mensch und Feedback perlt nicht von mir ab. Aber der Zugang zum Songwriting ist mir so heilig, dass ich den so rein wie möglich halten möchte. Ich denke, wenn ich einen Song schreibe, niemals darüber nach, wie er ankommen könnte. Oder wie geil eine Hook ist, oder was die ganzen Musikindustrie-Männer sonst oft meinen. Ich schaue einfach, was mir zufliegt und mache etwas draus.
Authentizität ist das wichtigste
subtext.at: Du hast die „Gatekeeper“ gerade kurz angesprochen, die Songs oft nach vermarktungsfähigen Kritierien bewerten. Wie schwierig ist es für dich, das von dir angesprochene „Heilige“ im Songwriting beibehalten zu können, weil es natürlich von Anderen wie Labels auch Wünsche gibt?
Sodl: Man muss sich die richtigen Leute suchen, mit denen man zusammenarbeiten möchte. Ich hatte viele Gespräche mit Labels, was auch sehr überfordernd war für mich. Ich habe auch gemerkt, dass natürlich viele immer sagen „du hast auch das Recht, Nein zu sagen“. Und wenn ich dann Nein sage, dann wäre es ein großes Trara. Deswegen würde ich anderen Musiker*innen empfehlen, dass man, wenn man das Gefühl hat, nur als Marionette benutzt zu werden, mit diesen Leuten einfach nicht zusammenarbeiten sollte. Es gibt immer bessere Leute.
Ich glaube immer noch viel an Authentizität, und das Wichtigste für mich ist, dass ich diese beibehalte. Und ich sehe auch, dass das das Beste ist, was man machen kann. Warum sollte ich mich verändern, wenn das gut funktioniert, wenn ich ich selbst bin? Das kann man vielleicht auch sagen, wenn das jemand anzweifelt. Sobald jemand musikalisch etwa Dinge von mir verlangen würde, die ich nicht fühle, dann muss man sich natürlich überlegen, ob eine Zusammenarbeit noch Sinn macht.
subtext.at: War das für dich von Vornherein klar, oder hast du das auch erst lernen müssen, sich sprichwörtlich „auf die Füße“ stellen zu müssen?
Sodl: Ich bin generell ein sehr misstrauischer Mensch. Ich bin in diese Gespräche mit sehr viel Vorsicht hineingegangen, deswegen war mir das schon klar, dass es auch um das Geschäftliche geht.
subtext.at: Du spielst sowohl solo als auch in Band-Setting. Ist diese Breite auch etwas, was Sodl auszeichnet?
Sodl: Ich glaube, dass ich in vielen verschienden Settings funktioniere. Meine Musik lebt auch irrsinnig von der Band. Aber ich muss sagen, dass ich relativ ungern solo spiele. Ich werde zwar schon manchmal noch solo gebucht, aber ich mache das auch ungern. Weil es auch sozial herausfordernd ist, etwa alleine im Backstage herumzusitzen. Das ist schon unlustig auch. Ich bin lieber mit Band unterwegs, das ist eher mein Safe Space.
subtext.at: Auch, weil man solo auf der Bühne noch exponierter ist?
Sodl: Ich merke schon, dass ich mich angreifbarer fühle. Vor allem, wenn die Stimmung komisch ist und man alleine verantwortlich ist. Mit Band kann man das zu viert stemmen.
subtext.at: Also benötigst du schon Leute, die du gut kennst, um dich, auch wenn du vielleicht eher der introvertierte Typ bist?
Sodl: Auf jeden Fall. Wenn ich für mich in meiner Wohnung bin, bin ich auch gern alleine. Und brauche das auch. Aber sobald ich irgendwo exponiert bin, brauche ich immer ein Grüppchen, wo ich mich wohlfühle. Sonst ist das für mich sehr anstrengend – und natürlich ist es Luxus, dass wir uns in der Band so gut verstehen.
Sodl – Sheepman
VÖ: 14.03.2025, Vinyl /digital / GRIDmusic
26.03.25 – Nürnberg, MUZ
27.03.25 – München, Glockenbachwerkstatt
28.03.25 – Salzburg, ARGE Kultur (+ Mira Lu Kovacs)
29.03.25 – Kirchdorf, Hildegard
18.04.25 – Wels, Schlachthof (+ Felix Kramer)
15.05.25 – Wr. Neustadt, Triebwerk (+ Filiou)
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