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Foto: Christoph Leeb

Benjamin Clementine: Gänse­haut­gefahr

Sir Introvert and the Featherweights – so der aktuelle Titel des vierten Albums und der Tour des Multitalents Benjamin Clementine. Eine letzte Reise als „klassischer“ Artist auf einer Bühne führte ihn am Sonntag auch in den Linzer Posthof – ein Konzerthighlight!

Benjamin Clementine ist ein Phänomen. Aufgewachsen in London, als junger Mann nach Paris gezogen, dort ein eher unstetes Leben als unbekannter Musiker gehabt. Nur um danach entdeckt zu werden, einen Mercury-Prize abzustauben und in den Pop-Olymp aufzusteigen. Klingt fast nach einer musikalischen Cinderella-Story im 21. Jahrhundert, oder? Und ist doch viel mehr als das, zählt Benjamin Clementine doch zu den spannendsten Artists im Pop-Bereich. Mal unkonventionell, mal avantgardistisch, mal experimentell, dann wieder überraschend klar. Mit dem letzten Werk Sir Interovert and the Featherweights macht sich Benjamine Clementine auf zu neuen Ufern. Weg von der Livemusik, hin zum Film. Knapp 400 Leute werden es dann schon gewesen sein, die ihn auch im Rahmen des Gastspieles im Linzer Posthof am Sonntagabend erleben wollten.

Beaven Waller – nicht angekündigt, trotzdem da

Support an diesem Abend gab es auch – überraschenderweise. Denn weder auf der Eintrittskarte, noch auf der Posthof-Homepage, oder bei diversen Benjamin Clementine-Postings war dieser auf den ersten Blick ersichtlich. Schade, denn Beaven Waller hätte es verdient gehabt, auch offiziell angekündigt zu werden. Der Singer/Songwriter supportet Benjamin Clementine schon öfters und war in Linz dennoch wohl noch niemandem ein Begriff. Schade: denn selten schafft es ein Supportact, dass der Konzertsaal derartig ruhig lauscht. Denn Beaven Waller schafft etwas, was viele Songwriter nicht mehr schaffen: eine Geschichte nicht nur zu erzählen, sondern zu zelebrieren. Minutenlang Songs aufzubauen, um seine Message zu transportieren. Bei Songs wie Glitr Grunge eine unterstützenswerte noch dazu. Das Ganze mit einer Bühnenpräsenz, die man im Supportslot nur selten findet. Danke dafür, Supporthighlight für dieses Jahr!

Benjamin Clementine: introvertiert ausbrechend

Mit nur ein klein bisschen Verzögerung betrat dann auch der Mainact des Abends die Posthofbühne: Benjamin Clementine. In weiß ausgelegter Stage und barfuß, versteht sich. Was während der knapp 90 folgenden Minuten deutlich wird: Benjamin Clementine fordert sein Publikum zu Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit, die ihm die versammelte Zuschauermenge auch gerne gibt. Und dafür belohnt wird, spätestens wenn als Drittes eine unfassbar einprägsame Version von Toxicalifobia präsentiert wird. Delighted ist Clementine an diesem Abend, so wirkt es zumindest, und vollkommen in seiner Performance versunken. Spare Me the Shakespeare, stilecht vom Blatt gelesen inklusive. Es ist schade, zu sehen, dass Benjamin Clementine in dieser Variante wohl nicht mehr lange auf den Bühnen dieser Welt zu sehen sein wird, hat er doch angekündigt, sich in Zukunft vermehrt dem Film und anderen Ideen widmen zu wollen. Schade, wie wir finden – denn eine derartige Bühnenpräsenz ist selten. Adios sagt er zum Beginn des Zugabenblocks, um danach mit I Won’t Complain in die Linzer Sonntagsnacht zu verschwinden. Mit Sicherheit eines der Konzerthighlights 2025!

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockey- und Fußballfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.