Sniper: Ghost Warrior 3 – Klassischer Vertreter der Serie

Ziel markiert, anvisiert, Schuss. Ziel ausgeschaltet. Wenn ein präziser, in Slow Motion abgespielter Treffer eines Scharfschützengewehres derart befriedigende Gefühle auslöst, fängt man nicht nur an, sich langsam wie ein leicht sadistischer Psychopath zu fühlen, sondern hat sich auch in der georgischen Landschaft des neuen „Sniper: Ghost Warrior 3“ verirrt. Der Titel baut dabei auf solide Spielelemente und Technik. Die Story ist jedoch schwach und vorhersehbar.

CI Games bleibt hartnäckig. 5,5 Millionen verkaufte Exemplare zählt CI Games über die gesamte Spieleserie. Nachdem Teil eins (2010) und Teil zwei (2013) gemischte Kritiken (55 %, bzw. 52 % auf Metacritic) erhalten haben, veröffentlichte das Studio am 27. April 2017 nun die dritte Iteration des Franchises. Dabei hat sich der Entwickler ordentlich Zeit gelassen. Bereits im Dezember 2014 angekündigt, wurde das Spiel mehrmals verschoben. Obwohl erstes Gameplay bereits im Juli 2015 vorgestellt wurde, dauerte es fast zwei weitere Jahre bis Ghost Warrior 3 in den Regalen stehen durfte.

 

Sniper: Ghost Warrior 3
Publisher: CI Games
Entwickler: CI Games
Plattformen: PC, PS4, Xbox One,
Metacritic-Score: 59%
Preis: 49,99 / 59,99 €

 

Von dieser Anhöhe haben wir einen guten Blick auf die Kirche, in der Geiseln festgehalten werden sollen

 

American Sniper lässt grüßen

Wie der Name schon vermuten lässt, geht es in Sniper: Ghost Warrior 3 vor allem um eins: Sniper. Davon gibt’s nicht nur jede Menge verschiedene im Spiel, sondern auch ein großer Teil der Mechaniken im Spiel dreht sich ums effiziente Ausschalten von Feinden aus der Distanz. Vom Einrechnen von Wind und Entfernung beim Zielen bis zum Craften von neuer Munition ist einiges dabei, was man als angehender Heckenschütze zu lernen und zu beachten hat. Bei einer Mission beginnen wir meist damit, einen Platz mit guter Sicht ausfindig zu machen und anschließend mit einer schicken Helikopterdrohne möglichst viele Feinde zu markieren. Wenn man einem hunderte Meter entfernten Gegner mitten durch das gesamte Missionsgebiet einen präzisen Kopfschuss verpasst, und der dann auch noch in Zeitlupe abgespielt wird, löst das doch gewisse Glücksgefühle aus. Vor allem auf den niedrigeren Schwierigkeitsstufen ist es aber durchaus möglich, auf große Stealtheinlagen zu verzichten und einen etwas aggressiveren Ansatz zu verfolgen, die AK-47 auszupacken und als Haudrauf mitten in die Gegner hinein zu stürmen. Das macht zwar auch Spaß, läuft aber wohl etwas am vorhergesehenen Spielprinzip vorbei.

Der Wind zeigt 9 m/s nach rechts an, vor allem bei großen Distanzen entscheidend

 

Wenig Neues, aber solide Umsetzung

Das neue Ghost Warrior versucht sich am inzwischen schon etwas überstrapazierten Konzept eines modernen Open-World Titels à la Far Cry 3. Wir verbringen einen großen Teil der Spielzeit damit, unseren Wagen durch die großteils leblose Landschaft Georgiens zu fahren. Zum Glück hat CI Games ein Schnellreisesystem eingebaut, mit dem wir vor allem im späteren Verlauf des Spiels einiges an Fahrzeit einsparen können. Der Spielwelt selbst mangelt es jedoch an Abwechslung und Dingen, die einen anspornen würden, größere Erkundungszüge zu unternehmen. Wenn alles was man auf der Karte finden kann fast kaum voneinander zu unterscheidende Außenposten und Befreiungsaktionen sind, ist es verlockender, die Hauptstory zügig voran zu bringen. Nicht, weil sie uns durch ihre maue Inszenierung fesselt, sondern weil ihre Missionen durchaus abwechslungsreich sind. Durch das Open-World Prinzip haben wir unterschiedliche Herangehensmöglichkeiten, können mal diesen Hügel, mal diesen Turm als Scharfschützennest benutzen. Gegner lassen sich in den Schleichpassagen durch das Werfen von Steinen ablenken, von hinten überwältigen und verhören. Die solide Umsetzung dieser Spielelemente sorgt für einiges an Spielspaß und Motivation.

 

Wo ist das viele Geld geblieben?

Technisch ist das Spiel zwar ansehnlich, aber nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Einige der Animationen wirken etwas schroff, die Grafik wirkt schon etwas in die Jahre gekommen. Das mag womöglich an den vielen Verschiebungen liegen, die das Spiel hinter sich hat. Dennoch verwunderlich, denn das polnische Studio CI Games hat für das Spiel umfassende Ressourcen aufgewendet und es als ihren ersten „AAA“-Titel vermarktet.

In einer schicken Zeitlupe sehen wir die letzten Momente dieses Separatisten

 

Ein „Triple-A“ B-Movie

Was die Story angeht ist der Titel jedoch am weitesten vom Zusatz „AAA“ entfernt. Zugegeben, auch viele Produktionen der ganz großen Studios glänzen of nicht durch großartige Handlungen. In Ghost Warrior 3 erreicht die Menge an Klischees, schlechten Synchronsprechern und unfreiwillig komischen Dialogen eine neue Stufe. Die in vier Akte aufgeteilte Handlung beginnt mit einer willkürlich wirkenden Entführung des Bruders des Protagonisten, folgt gegen Mitte mit einem ebenso willkürlich anmutenden (Spoiler Alert!) Auftritt des gehirngewaschenen Entführten als unserem Erzfeind und endet mit dessen Rückkehr auf die helle Seite der Macht. Alles in allem vorhersehbar und schwach inszeniert. Das Setting in Georgien hätte zwar durchaus die Möglichkeit geboten, aktuelle politische Entwicklungen einzubauen, die Schreiberlinge vermeiden dies aber vehement. Präsentiert wird der heroische amerikanische Geheimagent, der massenmordende Separatisten meuchelt, die von einer geheimen Superschurkenorganisation gesponsert und angeführt werden. Alles schon gehabt.

 

Pro:

  • Gute Spielmechaniken
  • Spielerische Freiheit
  • Erfolgsgefühle
  • Abwechslung bei Hauptmissionen

Contra:

  • Schwache Story
  • Kein Multiplayer
  • Leblose Spielwelt
  • Technisch wenig überzeugend

40 Euro für Sniper: Ghost Warrior 3 auszugeben, können wir nicht empfehlen. Dies lohnt sich nur für echte Fans des Franchises oder hartgesottene Taktik-Shooter-Spieler. Wenn das Spiel in den kommenden Monaten etwas im Preis nachlässt, kann es sich aber durchaus lohnen, einen Blick zu riskieren. Ein paar witzige Spielstunden bietet es allemal. Zudem ist das kostenlose Update, das den Multiplayermodus ins Spiel einfügen wird, für Herbst 2017 angesetzt. Vielleicht genau der richtige Zeitpunkt für einen Abstecher ins Sniperland.