Großbritannien mach derzeit vor allem mit zwei Dingen Schlagzeilen: überfüllten Krankenhäusern vor allem in der Hauptstadt, und neue durch die Corona-Mutation B117 gemeldete Rekordzahlen. Da geriet der Brexit samt Chaos fast schon in Vergessenheit. Aber auch musikalische Neuigkeiten gibt es: den Sleaford Mods, den „spitzesten Zungen des Landes“, dürfte im Lockdown ebenso fad gewesen sein. Mit „Spare Ribs“ haben sie eine neue Platte, die mittlerweile sechste, am Start, die nicht von Köstlichkeiten, sondern zynisch von überflüssigen Rippchen der Bevölkerung handelt. Es gibt wohl weltweit keine zweite Band, mit der man die Sleaford Mods aus Nottingham vergleichen kann. Jason Williamson und Andrew Fearn aus dem britischen Nottingham nehmen sich seit 2007 kein Blatt vor den Mund. Politisch, Anti-Conservative, auf den Punkt gebracht, immer mit einer Attitüde, der man nur das Prädikat „aus dem Bauch heraus mitten in die Fresse rein“ verleihen kann. Mit „Spare Ribs“ erscheint Mitte Jänner 2021 ein Album, das wohl noch wichtiger wird, als es während der Aufnahme mitten im Lockdown 2020 (der wievielte eigentlich?) bereits war. „2020, wir müssen reden!“, so heißt es in der Ankündigung zum Album, das während des Lockdowns im letzten Jahr innerhalb von drei Wochen geschrieben wurde. „2021, wir müssen auch reden!“, wäre dann wohl die würdige Einleitung für einen etwaigen Nachfolger. Stilistisch sind sich Williamson und Fearn treu geblieben – niemand sudert eindringlicher, aber doch durchdacht über brennende Themen, die den gemeinen „lad“ betreffen, wie es die Sleaford Mods tun. Bereits beim Opener „The New Brick“ („We’re All So Tory-Tired“) deutlich, wird spätestens im Track #3, der Singleauskopplung „Nudge It“ (gemeinsam mit Amy Taylor, Amy & The Sniffers) jeder letzte Zweifel, ob sich die Sleaford Mods verändert haben, beseitigt. Im Song „Elocution“ werden alternative Venues und die immer wieder unterstrichene, aber nicht immer Ernst gemeinte „Systemrelevanz“ dieser thematisiert. Vielleicht muss man ja dann wirklich nicht mehr in diesen Venues spielen, wenn sie dann doch mal wichtig genug sind. „Out There“ präsentiert sich gewohnt politisch zum Immigrationsthema, mit „Glipmses“ wird für Nottinghamer Verhältnisse sogar ein bisschen Pop gewagt, „Top Room“ thematisiert die Locktown-Dystopie aktueller als vielleicht 2020 noch gedacht, und im Track „Fishcakes“ am Schluss werden die überschüssigen Rippchen noch mit einer gehörigen Portion Ironie gewürzt. Auch in den Features wird deutlich, dass die Sleaford Mods auch 2021 nicht für das einstehen können, was sie verabscheuen: das System, „Humankapital“, Verteilung zugunsten von Eliten. In „Mork n Mindy“ gemeinsam Billy Nomates mit der Line „Too High, Too Low – but the system won’t go“ wird das auch bestätigt. Einmal mehr – denn musikalisch bekommt auf man „Spare Ribs“ durchgehend Gewohntes und Liebgewonnenes geboten. Eine etablierte Mixtur aus Post-Punk, ein bisserl Hip-Hop, ein bisschen Minimal, und fertig ist der Sound, der die Sleaford Mods unverwechselbar macht. Klingt auch 2021 wie aus dem Hobbykeller in Nottingham – also immer noch verdammt gut für all jene, denen D.I.Y.-Attitüde am Herzen liegt. Eine Band, die was zu sagen hat, die sich nicht verbiegt: gut, dass es sowas auch 2021 weiterhin gibt. Also: anhören, und vielleicht doch mal live anschauen, wenn es wieder möglich ist. Am intensivsten wohl in Großbritannien! Sleaford Mods – Spare Ribs VÖ: 15.01.2021, Rough Trade Records / Beggars Group Tracklist 01. The New Brick 02. Shortcummings 03.Nudge It 04. Elocution 05. Out There 06. Glimpses 07. Top Room 08. Mork n Mindy 09. Spare Ribs 10. All Day Ticket 11. Thick Ear 12. I Dont Rate You 13. Fishcakes Mehr Infos: Facebook sleafordmods.com Titelfoto: Christoph Leeb Artikel teilen Facebook Twitter geschrieben von Christoph Leeb Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.
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