Das Früher-Paradoxon

Weil früher alles besser war, soll alles so werden wie damals. Nur eben moderner, besser und nachhaltiger – Die Hauptsache ist doch, dass es einem Widerspruch zum Hier und Jetzt entspricht. Dabei ist doch das Beste an der Vergangenheit, dass sie vergangen ist.

Gleich mal vorweg: Früher war nichts besser. Nicht einmal “Der König der Löwen”, welcher jetzt als überarbeitete Version wieder in unseren Lichtspielhäusern auftaucht und die gealterten Herzen der ewig Junggewünschten erneut im Takt zu “Circle of Life” schlagen lässt. Die Geschichte rund um Simba gehört zwar zu den Besten und Wichtigsten, was Disney je zu erzählen hatte, doch das tut erstmal gar nichts zur Sache.

Früher waren die Sommer wärmer, die Flüsse nässer und Zeichentrickfilme zeichentrickiger. Das ist das Paradoxe daran: Man erfindet in einer Zeit, die damals als ferne Zukunft erschien, ein Bild der damaligen Gegenwart, die schöner nicht sein konnte. “Oh, das war mein erster Film, den ich im Kino gesehen habe!” und “Oh, ich habe so sehr geweint!” sind bekannte Phrasen, wenn man über den Film diskutiert. Erinnerungen, die einen glücklich machen, auf eine wohlige Kindheit zurückblicken lässt und die den Wunsch entstehen lässt, dass bitteschön alles wieder so großartig, glitzernd und aufregend sein soll wie damals.

Was die Meisten dabei vergessen: Dass es nicht nur die ersten vor einer Leinwand vergossenen Tränen waren, sondern wahrscheinlich auch die bittersten. Für mich war es der erste Tod, mit dem ich in Berührung kam, der erste Schmerz, der erste empathische Moment mit dem jungen Löwen Simba. Dieses Gefühl möchte ich ungern noch einmal verspüren. Der Tod hat im Laufe meines bisherigen weiteren Lebens in regelmäßigem Abstand und mit wohltuendem Überraschungseffekt immer mal wieder Einzug gehalten, aber durch den Lauf der Zeit, durch die Erfahrung und das Erleben, war es nie wieder so wie damals.

Wir sollten uns endlich von unserer Früher-Mentalität lösen. Das Früher hatte auch seine Schattenseiten, und viel mehr ist es heutzutage unsere Aufgabe, das Hier und Jetzt zu einer wohltuenden Erinnerung für die Zukunft werden zu lassen. Nur um dann wieder Teil der Paradoxie zu sein. Ihr wisst schon …

Vielen lieben Dank an Stefan W. für die Hilfe bei der Themenwahl. Willst auch du einen Teil deiner Kreativität beisteuern? Einfach kommentieren oder versuchen, mich auf Twitter oder per Mail zu erreichen.

29 Jahre alt - Literarischer Blogger (Neon|Wilderness), Autor ("Volle Distanz. Näher zu dir"), Medienblogger (dominikleitner.com), Printschreiber (MFG Magazin), freier Journalist (u.a. BZ), CD-Kritiker (subtext.at) und Detektiv (365guteDinge)