Über 140 Zeichen

Über fünf Jahre Kurznachrichten. Über Schmach und Vorurteil. Und warum twittern wohl nicht jeder kann.

“Wie lange habe ich darauf gewartet. Morgen darf ich endlich eine halbe Stunde länger schlafen.” Die Welt musste genau das nun wissen, das war klar. Am 20. November 2007 war es endlich soweit. Und mit “Selbstgespräch 2.0” brachte ich den Zeitgeist der damaligen Epoche wundervoll zum Ausdruck. Twitter begann lebendig zu werden … und ich mit ihm.

Gestern vor fünf Jahren habe ich mich angemeldet. Anfangs, als User Nr. 2.095.961, noch nicht wirklich wissend, was ich damit anstellen solle, ist es jetzt ein wichtiger Bestandteil meines Internetlebens. Und trotzdem jenes, welches am Häufigsten von Unwissenden als “unnötig”, “sinnlos” und “langweilig” bezeichnet wird. Woran es liegt? Vielleicht, weil Twitter die härteste Arbeit ist und nicht jeden sofort überzeugt. Nicht verständlich?

Um Facebook zu nutzen, brauchst du nicht viel. Mindestens einen Freund (oder nennen wir ihn: Kontakt) … das wars. Der Rest ergibst sich ganz von alleine. Und Blogs? Zugegeben: Stammleser zu lukrieren ist harte Arbeit, doch kann man hier zumindest über alles schreiben – und noch dazu solange man will. Meldet man sich hingegen bei Twitter an, ist man zuerst einmal allein: Niemand weiß, dass ich da bin, und vielleicht kenne auch ich niemanden, dem ich folgen könnte. (Zumindest 2007 befand ich mich in so einer Misere.) Dann macht man sich nach und nach auf die Suche nach bekannten Menschen, schreibt Beitrage im Stile von Kurznachrichten und bekommt, wenn man konsequent daran arbeitet, auch immer mehr und mehr Follower, also Leute, die meine Beiträge abonniert haben. Bei Twitter geht es also vor allem um zwei Dinge: den Content selbst und wie man mit anderen Twitter-Usern zu interagieren pflegt. Und auch wenn Twitter möglicherweise sehr einfach aussieht: für mich ist es eines der komplexesten Dinge im Web 2.0.

Über 21.000 Tweets habe ich bisher geschrieben, über 800 Menschen lesen meine Beiträge. Und warum das Ganze? Gibt es irgendeinen rationalen Sinn dahinter? Nicht wirklich. Es macht unglaublich Spaß, lässt mich sehr oft schmunzeln und manchmal ergeben sich auch tolle Dinge. 2009 wurde z.B. mein jetziger Arbeitgeber auf mich via Twitter aufmerksam. So ganz ohne Bewerbung kam ich damals zu meinem ersten Job. Und vergangenes Jahr schaffte ich es mit einem (zugegeben sehr unromantischen) Tweet sogar ins Twitter-Liebe-Buch von PONS. Und was wohl am Schönsten ist: wenn man sich erst einmal traut, Menschen, die man bisher nur von Twitter kennt, auch im echten Leben kennenzulernen. Weil da sind mitunter ganz tolle Perlen dabei.

29 Jahre alt - Literarischer Blogger (Neon|Wilderness), Autor ("Volle Distanz. Näher zu dir"), Medienblogger (dominikleitner.com), Printschreiber (MFG Magazin), freier Journalist (u.a. BZ), CD-Kritiker (subtext.at) und Detektiv (365guteDinge)